Kapitel 2 - Sonnenschein

190 3 0
                                    

««« - »»»

Als Doktor Hein ihn am späten Nachmittag fand, hatte Jonas sich längst in den Schlaf geweint. Seine gebrochene Hand lag, notbedürftig mit seinem Shirt verbunden, auf seinem Schoß, Tränenspuren waren auf seinen Wangen zu erkennen. Sein Körper hob und senkte sich regelmäßig, wie der Arzt erleichtert feststellte, während er sich zu ihm herrunterhockte um ihn zu wecken.

„Jonas, hey, aufwachen!“, er sprach leise, doch Jonas schreckte sofort auf, und wollte reflexartig aufspringen, doch er blieb gezwungenermaßen am Boden sitzen. „Hey, ich bins nur... Was machst du denn hier? Das ist doch gar nicht deine Station!“, stellte Doktor Hein fest, und legte den Kopf leicht schief.
„Nichts mache ich hier. Alles super.“ Müde lehnte Jonas seinen Kopf gegen die Wand, und fokussierte eine unbestimmte Stelle auf dem Boden vor sich.

„Achso. Und deshalb bist du auf Station sieben, auf einem Flur, wo fast nie jemand hinkommt, sitzt auf dem Boden und hast offensichtlich geweint, von deiner Hand mal ganz zu schweigen?“, als Jonas nickte seufzte er auf und erhob sich. „Komm, ich muss mir deine Hand ansehen.“

-

Die Delle in der weichen Wand war Doktor Hein nicht entgangen, doch er schwieg dazu vorsichtshalber, und nahm Jonas Geschichte, er sei gestürzt und dabei ungeschickt aufgekommen, unkommentiert hin. Er spürte, dass Jonas nicht bereit war, darüber zu sprechen, doch wenn es etwas ernstes war, was auch andere betraf, würde er es ohnehin bald erfahren. Im Krankenhaus waren die Menschen begierig auf neue Informationen, besonders, wenn sie sich schon länger hier aufhielten, und die Außenwelt lang nicht mehr aus nächster Nähe gesehen hatten. Die ruhigsten, freundlichsten Patienten konnten hier zu Monstern werden, wenn es um Gerüchte ging.

Jonas ließ alles stillschweigend über sich ergehen, inspizierte neugierig den Gips und dann den neuen, elektronischen Rollstuhl, den er wegen der gebrochenen Finger erhielt. Er sprach nur, wenn er explizit dazu aufgefordert wurde, was sogar für den eher zurückhaltenden Beobachter ungewöhnlich war. Immerhin hatte er sich sonst immer im Schutz seiner Freunde gewusst, die ihm den Rücken gestärkt hatten, wie er es bei ihnen getan hatte. Der Club der roten Bänder war unzertrennlich, doch Doktor Hein beschlich eine Vorahnung. War Jonas nicht vor kurzer Zeit mit Emma, dem Mädchen von der Station für Essgestörte, zusammengekommen? Hatten sie sich getrennt? Aber er fragte wieder nicht nach.

Das einzige, was er noch tat, bevor er Jonas wieder entließ, war, ihm seinen Zuspruch zu geben. „Ich hoffe du weißt, dass egal, was los ist, du dich immer an mich wenden kannst, okay? Ich verurteile dich nicht wegen irgendwas. Und wenn du Probleme mit jemandem hast, etwa mit deinen Freunden, kann ich dir helfen, das wieder unter Kontrolle zu bringen.“
Er hob einen Zettel, und überreichte ihm dem Patienten. „Für morgen Mittag hast du einen Sonnenschein von mir. Zeit für dich alleine an der frischen Luft... Ich hoffe, das bringt dich auf andere Gedanken.“

««« - »»»

Club der roten Bänder - Hilf mir aus der Hölle (Ruben x Jonas) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt