Die neue Mitschülerin

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Es ist 17Uhr, als ich zuhause ankomme. Meine Eltern sitzen im Wohnzimmer vor dem Fernseher und meine Schwester ist unterwegs, was ich daran erkenne, dass ihre Jacke und ihre Schuhe nicht da sind. Nachdem ich meinen Eltern Bescheid gesagt habe, dass ich wieder da bin, gehe ich den Flur entlang und die Treppe hoch, um in mein Zimmer zu gehen. Ich denke über den gesamten Tag nach. Über meinen Albtraum, über das Mädchen am Fenster, über Bruno, die Matheklausur, Hannahs Geschichte und die neue Mitschülerin, um welche ich mich morgen kümmern muss.

Ich frage mich, ob an Hannahs Geschichte wirklich etwas Wahres dran sein könnte. Ich liebe Filme wie "Poltergeist" oder "Paranormal Activity", aber ich habe noch nie wirklich darüber nachgedacht, ob paranormale Aktivitäten wirklich existieren. Auf der einen Seite kann ich es nicht glauben, aber Hannah würde mich auch niemals aus Langeweile belügen und wenn Hannah die Wahrheit sagt, würde die Polizei sicherlich auch keine solchen Akten mal eben aus Langeweile erstellen.

Es ist 17:30 geworden und ich habe mich mittlerweile umgezogen, als meine Mutter mich und meine mittlerweile wieder heimgekehrte Schwester zum Abendessen ruft.
Am Essenstisch fragt mein Vater, wie üblich: "Und Kinder, was habt ihr heute so erlebt? Wie war die Schule? Florian, fang du doch heute mal an."
"Ach, weißt du Vater", antworte ich, "bei mir ist heute echt nichts tolles passiert. Die Mathearbeit lief okay und danach habe ich mich noch mit Hannah und Michael getroffen. Wirklich nicht der Rede wert, lassen wir einfach Mia von ihrem Tag erzählen."


"Was? Bei dir ist 100% was passiert, normalerweise findest du es immer super öde, wenn ich von meinem Tag erzähle!", erwidert meine Schwester frech. Und recht hat sie damit. Meine Schwester ist mir wirklich wichtig, aber über was anderes außer ihre super Mathe- und Sportnoten, Videospiele und ihre Freundinnen redet sie sowieso nie.
"Wo deine Schwester recht hat, hat sie recht", sagt meine Mutter.
"Hannah und ich haben heute über die neue Familie geredet, welche in die Villa an der Marienstraße eingezogen ist. Die Tochter kommt ab morgen in unsere Klasse und ich habe mir einfach nur Gedanken darüber gemacht, wie sie wohl sein wird. Sie sind von Rabenfeld hierhin gezogen, keine Ahnung wo das liegt.", erzähle ich.

"Rabenfeld, mhm? Hab ich auch noch nie von gehört.", sagt mein Vater mit einem merkwürdigen Unterton. Meine Mutter steht in der Küche und macht einen nervösen Eindruck. Vermutlich bilde ich mir das aber auch nach dem heutigen Tag einfach alles nur ein. Ich bin ja selber nervös und müde. Ich esse auf, gehe auf mein Zimmer, schaue die neuste Folge von "The Walking Dead" und lege mich schlafen.

... "Wo bin ich hier?", sage ich, nachdem ich wieder aufwache. Ich erinnere mich daran, dass eine Mädchenstimme "NEIN!" gerufen hat und mir danach schwarz vor Augen geworden ist.
Ich liege in einer stockfinsteren, nicht sehr großen Kammer und habe immer noch den Geruch von Blut und Fäulnis in meiner Nase. Ich höre wie die Mädchenstimme sich immer weiter entfernt. Sie scheint etwas zu rufen, aber egal wie sehr ich auch versuche zu verstehen was sie ruft, es geht einfach nicht.

Neben dem Geruch von Blut und Fäulnis rieche ich jetzt auch noch den Geruch von Feuer und es wird immer heißer und heißer hier. Ich habe das Gefühl ich verbrenne, als plötzlich die Tür meiner Kammer aufbricht. Ich sehe einen Mann vor mir stehen, welchen ich nicht erkennen kann. Hinter ihm sind lodernde Flammen, welche schlussendlich meine Kammer aufhellen und als ich um mich schaue, kann ich es kaum glauben. Ein Gefühl von unfassbarer Übelkeit macht sich in mir breit, als ich links und rechts von mir jeweils einen Leichnam von einem Jungen und von einem Mädchen erblicke. Der Anblick, der Geruch von Leichen und der Rauch vom Feuer lassen mich erneut in Ohnmacht fallen...

... Schweißgebadet erwache ich aus diesem Albtraum. Er fühlte sich noch realer an als der letzte Traum und am liebsten würde ich einfach nur schreien. Diese Gefühle, die Übelkeit, die Angst und der Anblick der Leichen um mich herum. Ich habe das Gefühl, dies alles gerade erlebt zu haben, obwohl es nur ein Traum war. Vielleicht sollte ich keine Zombieserien mehr vor dem Einschlafen schauen. Ich schaue auf den Wecker. Es ist 3Uhr morgens. Noch 3 1/2 Stunden, bis ich aufstehen muss. Ich lege mich hin und versuche noch ansatzweise Schlaf zu bekommen. Unwahrscheinlich.

Es ist der nächste Tag. Ich befinde mich bereits im Schulbus und schaue gründlich durch den Gang. Ich begutachte jeden einzelnen Platz. Ich frage mich, ob unsere neue Mitschülerin mit dem Schulbus fährt und bereits in diesem sitzt. Aber Fehlanzeige, auch an der Marienstraße steigt niemand ein, den ich nicht schon kennen würde. Nur die üblichen Gesichter, welche ich bereits seit vielen Jahren sehe. Als ich gerade zum Fenster hochschauen wollte, an dem gestern das Mädchen mit den schwarzen Haaren stand, spüre ich plötzlich eine Hand auf meiner Schulter, zucke auf und drehe meinen Kopf schnell um.

"Hey Florian, ich bins doch nur!" - es ist Hannah, welche heute mit dem Schulbus fährt. Ich habe bei dem ganzen Theater völlig vergessen, das ihr Vater, welcher sie normalerweise mit dem Polizeiauto zur Schule fährt, auf Schulung ist und ihre Mutter keinen Führerschein hat. "Tut mir leid Hannah, ich bin momentan einfach echt nervös. Vielleicht hat mir deine Geschichte ja doch mehr Angst gemacht als ich dachte." , sage ich und lächel dabei. "Das wollte ich wirklich nicht", sagt sie, "wir werden sie ja heute sehen. Sie ist bestimmt viel netter, als wir denken". Ich hoffte, dass sie damit Recht behalten würde.

In der Schule angekommen begeben wir uns direkt in den Klassenraum. Und tatsächlich, da stand sie am Pult des Lehrers. Ich habe so viel über sie nachgedacht, dass sie mir unglaublich vertraut vorkommt. Und doch ist sie völlig anders, als ich es erwartet hätte. Etwa 1,70m groß, kurze, braune Haare und blaue Augen. Sie ist weder schlank, noch dick. Sie sieht einfach komplett anders aus, als das Mädchen, welches ich am Fenster gesehen habe. Oder irre ich mich und sah das Mädchen am Fenster doch genauso aus? Klasse. Heute wollte ich einige Fragen lösen und in der ersten Sekunde, in der ich sie sehe, habe ich direkt lauter neuer Fragen.

"Sarah", sagt Herr Jadas, "dies hier ist Florian. Er wird dich durch die Schule begleiten, nachdem du dich der Klasse vorgestellt hast. Ihr bekommt dafür in der ersten Schulstunde frei. Macht aber ja keinen Unfug."
"Hallo Florian", sagt Sarah zu mir, "schön dich kennen zu lernen". Ihr lächeln ist einfach nur schön, aber gleichzeitig sieht es auch unglaublich gestellt aus. Wahrscheinlich bin ich einfach nur zu normal und sie hat sich erhofft von jemanden herumgeführt zu werden, der spannender und gutaussehender ist als ich. "Hallo Sarah, ich freue mich auch schon sehr darauf dir unsere Schule zu zeigen", antworte ich."

Mittlerweile sind alle Schüler in der Klasse angekommen. Sarah stellt sich vorne neben das Pult und beginnt von sich zu erzählen: "Hallo, mein Name ist Sarah Markow. Ich bin 15 Jahre alt und komme aus Rabenfeld. Wir sind aus Rabenfeld hierhin gezogen, weil mein Vater hier neue Arbeit gefunden hat, nachdem sein bisheriger Arbeitgeber pleite geworden ist. Gebürtig kommt meine Familie allerdings aus Russland. Meine Hobbys sind Zeichnen, Lesen und Musik hören. Meine Lieblingsfächer sind Mathematik und Geschichte. Ich freue mich euch alle kennen zu lernen". "Danke Sarah", sagt Herr Jadas. "Dann kann dir Florian jetzt die Schule zeigen".

"Uuuh, geh nicht zu hart ran Florian!", ruft Gregor aus dem Fußballteam, ein weiterer Idiot direkt neben Bruno und auch er kann sich das Lachen natürlich nicht verkneifen.
"Ruhe! Gregor wir sprechen uns nach dem Unterricht. Also Sarah und Florian dann geht langsam mal los, ihr habt nicht den ganzen Tag Zeit.", sagt Herr Jadas mit bösem Unterton, der allerdings an Gregor gerichtet ist.

Ich zeige Sarah alle wichtigen Räume. Zeige ihr wo das Mädchenklo ist, sämtliche wichtigen Klassenräume wie der Physikraum, Chemieraum, Hauswirtschaftsraum und die Turnhalle.
Außerdem zeige ich ihr wo der Notfallsplan hängt und die Notausgänge sind. Sie ist sehr still während ich ihr alles erkläre. Ich versuche mit ihr ins Gespräch zu kommen, doch es klappt nicht wirklich. Doch plötzlich ergreift Sarah die "Initiative".

"Hey Florian, wirklich nett dass du mir hier alles zeigst, aber ich denke ich habe genug gesehen.", sagt Sarah aufgeregt. Ich sehe wie Sarah blass im Gesicht wird und zittert. "Ist alles okay mit dir?", frage ich sie. "Ja, keine Sorge. Ich bin krank und muss momentan ein Antibiotikum nehmen. Herr Jadas weiß auch Bescheid darüber. Ich sollte jetzt besser nach Hause gehen.", antwortet sie.
"Soll ich dich nicht lieber nach Hause bringen? Ich mache das wirklich gerne und das macht mir keine Umstände", frage ich sie hilfsbereit. "Ich denke nicht, dass das eine gute Idee ist, meine Eltern sehen das nicht gerne..", doch als sie gerade ihren Satz beenden möchte, fällt sie auch schon kraftlos auf ihre Knie. "Ich werde dich nach Hause bringen, mach dir keine Sorgen!"

Ich wusste zu diesem Zeitpunkt noch nicht, was noch alles passieren wird.


Das Mirage Experiment #Wattys2019Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt