So ging es ein paar Tage irgendwie gut. Oder so ähnlich wie gut.
Meto kam jeden Tag, mal früher und mal etwas später, setzte sich zu mir und war einfach da. Jedes Mal brachte er mir etwas zu trinken mit, Limo oder Wasser, und wir gingen auch einmal wieder zusammen in die Innenstadt, wo er mir einen neuen Gürtel für meine Hosen kaufte, weil mein alter schon ziemlich brüchig war, und dann noch ein T-Shirt.
Aber die meiste Zeit über saß er einfach bei mir, und ich merkte, dass man mit ihm gut zusammen schweigen konnte. Es war kein unangenehmes Schweigen, sondern fühlte sich gut an, so als ob es mir gut tat, dass jemand einfach bei mir war, ohne zu verlangen, dass ich über irgendwas sprach.
Und Meto schien ohnehin daran gewöhnt, nicht viel zu reden. Nach dem, was er mir erzählt hatte, fiel ihm das Sprechen mit anderen sehr schwer, er schien so etwas wie einen Sprachfehler zu haben, der dafür sorgte, dass er am liebsten wenig redete. Warum das mir gegenüber anders war, verstand ich immer noch nicht, aber ich nahm es hin und es freute mich sogar irgendwie.
An diesem Tag, es war wohl so eine Woche, nachdem ich zum ersten Mal mit Meto im Badehaus gewesen war, wachte ich morgens mit einem noch stärkeren Gefühl unendlicher Schwere in mir auf. Der dunkle Schleier, der über allem lag, schien noch ein wenig dunkler und dichter geworden zu sein, nachdem die vergangenen Tage eigentlich ganz erträglich gewesen waren.
Es dauerte eine ganze Weile, bis ich soweit wach und bewusst war, dass ich den stechenden Schmerz in meinem Magen spürte. Wieder zweieinhalb Tage ohne richtiges Essen forderten ihren Tribut, ich spürte starke Krämpfe und hörte das fordernde Knurren selbst nur allzu laut.
Langsam und vor Schmerz zitternd richtete ich mich auf, zog meine Tasche heran und holte all das heraus, was mir Haruna über die Woche hinweg immer mal wieder zugesteckt hatte: Cracker, zwei Reisbällchen, eine Packung gewöhnliches Brot, zwei Packungen Instant-Raamen.
Ich riss das Papier um die Reisbällchen ab und biss wahllos in das erste hinein. Innen drin steckte ein Stückchen Fisch oder Ähnliches, und es schmeckte nicht mal schlecht, sodass ich das ganze Reisbällchen in ein paar Bissen aufaß, um mit dem zweiten ebenso zu verfahren. Was da als Füllung drin war, wusste ich danach schon nicht mehr, ich bemerkte es einfach nicht, schlang es nur so runter.
Als nächstes riss ich die Cracker auf, nahm zwei oder drei auf einmal raus und stopfte sie mir in den Mund, eine Ladung, noch eine und noch eine ... Sie waren ziemlich trocken, sodass ich zwischendurch einen Schluck Wasser brauchte, ich trank die Flasche fast aus und aß weiter, die ganze Packung leer, schnell und ungehalten, und ohne an irgendwas zu denken.
Mit einem Mal fühlte ich mich richtig gut, stand einfach auf und zog meine Jacke an, dann ging ich rüber zum Fluss, wo die Sonne gerade über dem Wasser aufging und sich darin spiegelte. Ich setzte mich auf eine der Bänke und genoss eine Weile den Sonnenaufgang, fror ein wenig, doch das machte mir wenig aus. Ich musste sogar ein wenig lächeln, so gut fühlte ich mich.
Es war so früh, dass fast niemand auf dem Fluss oder an seinen Ufern unterwegs war, nur weiter hinten, auf der anderen Seite, saßen ein paar Männer herum, die vielleicht von einer nächtlichen Party kamen und offenbar noch Reste von Alkohol im Blut hatten, denn sie lachten laut, es schallte zu mir herüber.
Doch mit einem Mal zerplatzte mein Glück, wieder einmal, wie so oft. Mein Magen, von der vielen, viel zu schnell aufgenommenen Nahrung heillos überfordert, krampfte sich wieder zusammen, und ich konnte mich gerade noch so über das Geländer zwischen mir und dem Fluss beugen, ehe mir alles hochkam und ich mich ins Wasser erbrach.
Danach sank ich mitten auf dem Uferweg zusammen und blieb dort eine ganze Weile sitzen. Mein Körper schmerzte, ich zitterte, und in meinem Kopf ging alles durcheinander, hoffnungslos ineinander verschlungen und ohne einen erkennbaren Ausweg. Ich war schon so oft an diesem Punkt gewesen, an dem ich im Grunde keinen Sinn mehr im Leben sah, und manchmal fragte ich mich wirklich, warum ich überhaupt noch lebte, wenn doch jedes Glück so schnell wieder vorbei war und sich immer sinnloser anfühlte.
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Koi no mae wa ...
FanfictionKoi no mae wa ... - Was das vor der Liebe betrifft ... - Meto hat einen Sprachfehler und spricht deshalb kaum, leidet an sozialen Ängsten und fühlt sich von der Welt ausgeschlossen. Als er auf ein Stadtfest geht, um der Welt noch eine letzte Chance...