An den nächsten drei Tagen sah ich Tsuzuku nicht. Es regnete und so blieb ich zu Hause, verbrachte die Zeit mit meiner Spielekonsole und damit, mein Zimmer und mein eigenes Bad mal ordentlich aufzuräumen und in Ordnung zu bringen.
Zwar dachte ich schon immer wieder an Tsu, fragte mich, was jemand wie er bei solchem Wetter machte, aber ich hoffte einfach mal, dass er irgendwo untergekommen war.
Am dritten Tag ging ich dann doch mal raus, zum Akutagawa-Park, um nach Tsuzuku zu sehen, doch er war nicht da. Einer der anderen Obdachlosen sagte mir, Tsu sei in die Unterkunft gegangen, also ging ich dort hin, aber ich kam auch da nicht weit. Die Diakonin, die dort ihren Dienst tat, konnte sich nicht erinnern, Tsu gesehen zu haben, auch nicht, als ich ihr einigermaßen detailliert seine Körperkunst beschrieb. Mein Problem mit dem Sprechen tat sein Übriges dazu, sodass ich Tsuzuku auch an diesem Tag nicht sah, weil er sich irgendwo herumtrieb und ich nicht wusste, wo ich sonst noch nach ihm suchen sollte.
Langsam machte ich mir doch Sorgen um ihn. Er war so instabil und ich hatte das bestimmte Gefühl, dass es in ihm drin noch viel dunkler aussah, als er es nach außen hin zeigte.
Am vierten Tag schien gleich morgens wieder die Sonne, und ich ging wieder los, um Tsuzuku zu suchen. Im Park war er nicht, in der Unterkunft auch wieder nicht, und so ging ich in die Innenstadt und suchte dort weiter.
In einem kleinen Park am anderen Ende der Innenstadt sah ich dann ein paar Leute herumhängen, vielleicht auch Obdachlose, die beschloss ich zu fragen.
Sie musterten mich halbwegs interessiert, als ich auf sie zu ging und stockend und unsicher fragte, ob sie heute hier irgendwo einen jungen Mann mit vielen Tattoos und Piercings gesehen hatten, antwortete tatsächlich einer von ihnen: „Ja, so einer mit knallroten Schuhen, ne?"
Rote Schuhe, das kam hin, die hatten Tsuzuku und ich ja gemeinsam für ihn gekauft.
„Wo ... er ist ... hi-hingegangen?", fragte ich.
Der Mann deutete auf die andere Straßenseite, wo sich ein kleiner Kiosk befand, in dessen Schaufenster neben Zeitungen auch Zigaretten und Flaschen mit Spirituosen zu sehen waren.
„Da drüben ist er rein. Ich glaube, er wollte sich Alkohol besorgen. Er sah nämlich nicht besonders glücklich aus."
Ich bedankte mich und lief in die besagte Richtung, und tatsächlich fand ich Tsuzukus Sachen auf einer Bank liegend. Er selbst war zuerst nicht zu sehen, erst als ich hinter die Bank ins Gebüsch schaute, sah ich ihn dort auf dem Erdboden sitzen. Mit geschlossenen Augen lehnte er an der Rückseite der Bank, in der einen Hand eine Zigarette, in der anderen eine Flasche mit klarem Sake.
„Tsuzuku?", sprach ich ihn leise an, er fuhr erschrocken zusammen und sah sich um. Sein Blick war glasig vom Alkohol und sah zugleich so leer und todtraurig aus, dass ich erschrak.
„Hey, was ist denn los?", fragte ich und ging um die Bank herum, hockte mich neben ihn hin.
„Nichts", antwortete er, ohne mich anzusehen.
„Das glaub ich dir nicht. Man betrinkt sich nicht einfach wegen ‚nichts'."
Tsuzuku sah mich an, sein Blick schien zu sagen ‚Lass mich in Ruhe', aber er sagte: „Ich glaub nicht, dass du das wissen willst."
Ein bisschen unsicher war ich schon. Tsuzukus Probleme waren offensichtlich ziemlich schwerwiegend, und ich wusste nicht, ob ich ihm würde helfen können.
Und trotzdem, ich wollte es wissen. Und wenn es nur war, damit er sich, wenn er es mir erzählt hatte, ein wenig erleichtert fühlte.
„Und wenn doch?", fragte ich. „Wenn ich das wissen will, weil du mein einziger Freund bist?"
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Koi no mae wa ...
FanfictionKoi no mae wa ... - Was das vor der Liebe betrifft ... - Meto hat einen Sprachfehler und spricht deshalb kaum, leidet an sozialen Ängsten und fühlt sich von der Welt ausgeschlossen. Als er auf ein Stadtfest geht, um der Welt noch eine letzte Chance...