Der Morgen brach an, doch für Yriel blieb der Tag wie jeder andere zuvor in Dunkelheit verborgen. Einzig das Kribbeln der warmen Sonnenstrahlen auf seiner Haut ließen ihn wissen, dass es Zeit war aus dem weichen Bett aufzustehen und seinen Pflichten als Prinz nachzugehen. „Eure Hoheit, wie ist euer heutiges wertes Befinden?"
„Lass das, Elijah."
„Ach, da ist wohl jemand mit dem falschen Fuß aufgestanden." Lachend stieß Yriels bester Freund ihm mit dem Ellenbogen in die Rippen und zerzauste mit der anderen Hand das Haar des jungen Mannes.
„Elijah,ich habe dir schon einmal gesagt, dass du morgens nicht so eine Nervensäge sein sollst."
„Ich bin schwer enttäuscht, mein Freund. Da bin ich all die Jahre für dich da und nun muss ich mir von dir anhören, dass ich lediglich ein Störenfried bin." Selbst wenn Yriel die Geste seines besten Freundes vorbehalten blieb, so wusste er genau, dass dieser theatralisch die Hand auf die Brust legte und eine viel zu übertriebene schmerzliche Miene aufsetzte.
„Schon gut, schon gut. Was steht heute an?", schmunzelte Yriel in sich hinein, während er sich zur Waschschüssel tastete und seine Hände in das kalte Nass tauchte. Elijah räusperte sich und half dem Mann sogleich beim Anziehen. Geschickt strich er das schulterlange haselnussbraune Haar des Prinzen aus dessen Gesicht und steckte es mit einer metallenen Schnalle im Nacken zu einem schlichten Zopf zusammen.
„Dein Vater will dich sprechen. Außerdem auch deine Mutter."
„Sie ist nicht meine Mutter."
Seufzend klopfte Elijah auf Yriels Schultern und drückte ihm eine fein verarbeitete Tunika in die Hand. „Aber sie ist deine Königin."
„Ich habe weder eine Königin, noch einen König."
„Ich glaube das sieht der Rest dieses Reichs anders."
Nun war es Yriel der entnervt seufzte und sich dabei die Knie hohen Lederstiefel überzog.
Ich bin nur zur Hälfte ein Prinz. Mein Vater dachte er könne dem Fluch durch die Geburt eines Kindes mittels einer menschlichen Konkubine entgehen, doch ich bin der lebende Beweis, das dieser Gedanke schlichtweg dumm war."
„Und dennoch gehörst du zur Hälfte der Magier-und Herrscherfamilie an.Du solltest dich dementsprechend benehmen."
„Sagt der, der als Sohn eines hohen Adeligen den Krieg und die Armee dem diplomatischen Leben vorzieht, General."
„Schach und Matt.", lachte Elijah amüsiert über das Kontra seines Freundes. „Nun denn, lass uns zu deinem Vater gehen. Ich vermute er möchte dich irgendwohin schicken."
Yriel schnallte sich den Waffengürtel mit dessen Schwert um und ignorierte den Blindenstock, der wie immer direkt neben seinem Bett bereit lag. Niemand schrieb ihm vor welchen Weg er zu gehen hatte, erst recht nicht ein Stock, der ihm im Gehen sowieso nur einschränkte. Er hatte schon lange gelernt ohne Hilfe zurecht zukommen, also öffnete er auch heute die Pforte und schritt in den für ihn vollkommen schwarze Flur.
„Was sagtest du eben? Er will mich fortschicken?", flüsterte Yriel seinem guten Freund neben ihm zu.
„Einige Soldaten wurden abberufen eine Kutsche zu eskortieren und nicht wenige Zofen bereiten den Aufbruch vor, der für jemanden Hohes bestimmt ist. Da dein werter Halbbruder mit den Kriegsvorbereitungen beschäftigt ist und zu dieser Jahreszeit nur wenige Adelige im Palast sind, vermuten einige du seist der Reisende."
„Hm. Die Frage ist wohl, was heckt mein werter Herr Vater nun wieder aus."
Mit diesen Worten blieb er vor einer Pforte stehen, die von zwei Soldaten bewacht wurde und das Arbeitszimmer des Königs unter Verschluss hielt.
„Prinz Yriel wünscht seinen König zu sprechen.", sprach Elijah im Befehlston, sodass sich die Türen öffneten und Yriel eintreten durfte. Das Kratzen einer Feder und die stickige Luft in dem Raum verrieten dem jungen Mann, dass sein Vater seit längerem an Dokumenten arbeitete und seine Laune höchstwahrscheinlich sehr gereizt sein würde.
„Ihr wolltet mich sprechen, Vater.", setzte Yriel an und ging soweit nach vorne, bis er an den Schreibtisch des Königs stieß und zur Begrüßung dessen Hand mit zwei Fingern berührte.
„Ach ja, mein stets unauffindbarer Sohn. Was hast du eigentlich die letzten Wochen so gemacht, während dein Bruder und ich zig Vorbereitungen für die nächste große Schlacht trafen?"
„Ich habe dem Land gedient."
„Jaja, indem du das Haus der Huren aufgesucht hast, nicht wahr."
Hinter Yriel raschelte es, als sich schließlich Elijah neben ihn stellte und den Prinzen verteidigen wollte. Mit einer Handbewegung forderte Yriel seinen Freund auf still zubleiben.
„Sicher macht es euch nichts aus, wenn ich heute in die Stadt aufbreche, um in den Archiven der Stadt meinen Studien nachzugehen."
„Ha, Studien, was ich nicht lache." Der König kratze weiterhin blind mit der Feder auf seinem Papier, seine Schrift hatte er über die Jahre perfektioniert, sodass er Befehle und Gesetze ohne Hilfe auf Pergament verewigen konnte. „Aber ja, mir macht es etwas aus."
Yriel spürte Elijahs Blick auf sich ruhen und konnte dessen Nervosität genauso wenig leugnen wie seine eigene.
„Du wirst verreisen."
„Verreisen? Denkt ihr nicht mein Bruder sei für inländische Angelegenheiten besser geeignet."
„Oh das denke ich nur, das ist sogar unbestreitbar. Doch hierbei handelt es sich nicht um inländische Angelegenheiten."
Wütend ballte Yriel die Hände zu Fäuste und wartete ab, was sein Vater ihm befehlen wollte.
„Du wirst in das Nachbarreich reisen und deine Aufwartungen der dortigen Prinzessin Anaja machen."
„Was?", preschte es aus den beiden jüngeren Männern gleichzeitig heraus.
„Mein König, bitte verzeiht, dass ich hier eingreife, aber die drei Reiche sind seit Jahrtausenden verfeindet. Den Prinzen in eines der Nachbarländer zu schicken ist fast schon Mord!", mischte sich der General besorgt ein.
„Ich halte schon seit der Geburt dieses Miststücks von Lillith aus dem Feuerreich Kontakt zu der Königin der Schneelande. Nur mit vereinten Kräften können wir den Feind zerstören und dieses Kind auf dem gerade erst warm gesessenen Thron aufspießen."
„Ihr wollt eine Allianz mit einem eurer längsten Feinde bilden, um einen anderen Feind zu vernichten. Und was geschieht, wenn ihr das unschuldige Mädchen getötet habt? Die Schneelande bleiben ebenso wie das Feuerreich ewige Gegner unserer Windtürme."
„Genau da kommst du ins Spiel, mein Sohn. Wie es aussieht hat die süße Anaja ein Auge auf den Kronprinzen geworfen, aber ich wäre dumm, wenn ich meinen einzigen Erben in die eisige Kälte auf Ewig schicken würde. Das Gute ist, dass diese dumme Königin und das kleine naive Ding von Prinzessin nicht wissen, wie dein Bruder aussieht."
„Ich soll den Kronprinzen spielen.", sprach Yriel das aus, was sein Vater ihm mitzuteilen versuchte.
„So ist es."
„Und ihr denkt, dass dieser Plan keine Schwachstelle hat? Was ist, wenn das Feuerreich besiegt ist und die Herrscherfamilie der Schneelande eure Lügen enttarnt?"
„Das werden sie nicht, denn bis dahin hast du Anaja schon geehelicht und ihr im besten Falle schon einen Sohn geschenkt. Das Volk aus diesem kalten Land ist sehr stolz, sie würden niemals die Peinlichkeit aufdecken und sich damit die Blöße geben einen Fehler begannen zu haben."
„Aber ihnen blieb dennoch die Möglichkeit mich geschickt aus deren Leben zu entfernen."
Seufzend rieb sich der König die Hände, ehe er ein verschmitztes Lächeln zeigte. „Nun, das soll dann deine Sorge sein. Also ziehe zu, dass man dich nicht um die Ecke bringt, erwärme das Herz der Prinzessin und mache dein Land stolz."
„Du kannst mir nicht vor-"
„Doch. Genau das kann ich als dein König. Ihr werdet in zwei Stunden aufbrechen. Mache dich bereit."
YOU ARE READING
Blind- Three Kingdoms
FantasyEine Welt geteilt in drei mächtige Reiche, endlose Kriege nur geführt, um die größere Macht zu erhalten und ein Fluch, der alles verändern sollte. Jahrhunderte lang regierten Könige und Königinnen blind, gezeichnet von einem uralten Fluch sehr alter...