6 ~ Füreinander

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Behutsam strich Liam die Mixtur auf Robins gereizte Wunde. Er wunderte sich, ob die junge Frau vor ihm nun wirklich eine Hexe war. Robin atmete immer noch zitternd. Angestrengt versuchte sie das aufkommende Schwindelgefühl zu unterdrücken. Wie in Trance griff sie nach Liams Hand, die gerade über ihrer Wunde schwebte.

"L-liam..", war alles, was sie von sich gab, bevor sie tief ins Schwarze abgleitete.

Panisch versuchte Liam Robin zu wecken: "Hey, komm wieder zu dir. Robin, bitte. Hörst du mich? Robin, hallo?" Doch Robin öffnete nicht die Augen. Sie atmete flach und schwer und ihr Puls war noch vorhanden, wenn auch nur schwach. Sie hatte seit fast 24 Stunden nur die eine Mahlzeit zu sich genommen und ihr Körper war deshalb geschwächt. Normalerweise würde sie das aushalten, aber es wsr ja nicht das einzige, welches Robins Leben ein wenig erschwerte.

Ebenfalls mussten die Schmerzen stärker gewesen sein, als sie ausgesehen hatten. Robins Stirn war von kalten Schweißperlen übersät und sie war total heiß. Liam nahm den Stofffetzen und tunkte ihn in den Wasserbehälter neben dem Bett, um Robins Stirn abzutupfen.

Danach legte er den kalten Lappen auf ihre Stirn und widmete sich wieder ihrer Wunde. Mit einigen Stoffen und geschickten Fingergriffen war schnell ein relativ stabiler Verband geschaffen, der die Wunde vor dem Aufklappen und Robin vor einer weiteren und eventuell größeren Infektion schützen würde.

Liam legte die Sachen beiseite und setzte sich danach wieder neben Robin auf das Bett. Er sah in ihr verkrampftes Gesicht und fühlte ihre glühend heiße Stirn unter dem kalten Fetzen.

Er umstrich ihre Gesichtskontur und fasste unbewusst nach einer ihrer Hände. Er drückte sie ein wenig und hoffte sehr, dass Robin etwas von seinen Gesten mitbekam, die sie unterstützen sollten.

Weiterhin kam keine Reaktion von der mit geschlossenen Augen da liegenden Robin. Sie rührte sich nicht. Nur ihr flacher Atem war zu hören.

Das helle Licht blendete Liam, als er am nächsten Morgen aufwachte. Wie am vorherigen Tag blinzelte er so lange, bis er sich an das Licht gewöhnt hatte.

Wie aus Reflex sah er schnell hinüber zu Robin, die dort immer noch mit geschlossenen Augen lag. Ihr Atem war nicht mehr so flach wie gestern, jedoch schien sie noch nicht aufzuwachen.

Langsam stand er auf. Er war im Sitzen auf dem Boden eingeschlafen und die Rechnung dafür sollte er nun bekommen. Sein Rücken knackte und einige seiner Muskeln waren verspannt.

Liam machte sich auf den Weg, um etwas Essbares zuzubereiten, für den Fall, dass Robin aufwachen sollte. Nach dem Erlebnis gestern hatte er sich geschworen, so lange zu bleiben, bis es Robin wieder gut gehen würde. Man konnte ihn im Schloss sicherlich noch etwas entbehren.

Gerade verließ Liam die Höhle, als Robin mit flackernden Liedern das Licht der Sonne empfing, welches durch den Eingang fiel. "Liam..", flüsterte sie vor sich her. Sie dachte, dass er sie nun verlassen würde, so wie er es gestern vorhergesagt hatte und ein unglaublicher Blitz zuckte durch ihren gesamten Oberkörper.

Die Art wie er gestern ihr Gesicht entlang gefahren war, war das alles gewesen, nur damit er heute ging? Natürlich würde er gehen. Sie nahm den Lappen von ihrer Stirn und legte ihn neben sich. Robin wusste nicht so recht, warum sie sich Hoffnungen gemacht hatte. Er hatte ein Land zu regieren und konnte seine Zeit nicht mit einer Hexe verschwenden.

Sie versuchte sich aufzusetzen und zischte dabei einmal leise. Der Verband um ihre Taile machte einen stabilen Eindruck und half ihr beim Stabilisieren. Auf dem Tisch lag das Brot, welches aufgeschnitten war und Robin hinkte hinüber, um etwas zu essen.

Auch, wenn ihr ein wenig schlecht war, spürte sie trotzdem dieses unglaubliche Hungergefühl. Ihr Magen bestätigte ihre Vermutung, dass sie immensen Hunger hatte, durch ein empörtes Knurren. Robin schlang zwei Stücke Brot in sich hinein, als sie nach elendigem Kämpfen am Tisch angelangt war.

Sie setzte sich gerade auf einen Stuhl, als die provisorische Tür zu ihrer Höhle sich einen spaltbreit öffnete. Verdutzt beobachtete Robin die Kreatur, die sich als niemand Geringeres als Liam herausstellte.

Dieser strahlte mit der Sonne um die Wette: "Wie schön, du bist wach."
Gemächlich ging er an Robin vorbei, um auf einem kleinen Abstelltischchen den Krug voll Wasser abzustellen.

"Ich habe ersteinmal Brot aufgeschnitten, ich hoffe das reicht. Wenn nicht nehme ich einen deiner Mäntel und gehe schnell noch etwas kaufen. Geld habe ich genug, also mach dir darüber keine Sorgen.", redete Liam vor sich hin. Robin verfolgte ihn mit ihren Blicken genaustens. Er war also doch nicht gegangen?

Liam füllte etwas Wasser in eine Henkeltasse und stellte sie vor Robin auf den Tisch. "Ist alles gut? Du sagst ja gar nichts.", erkundigte sich Liam.

Robin schreckte ein wenig zusammen: "I-ich nein. Also alles gut. Warum bist du nicht gegangen? Du meintest doch gestern, dass du aufbrechen willst."

"Ich kann dich doch nicht leiden lassen. Ich muss mich doch zumindest ein wenig dafür revanchieren, dass du mich nicht hast sterben lassen.", erklärte Liam sein Verhalten.

"Ja, ich schätze ich sollte mich bedanken..", fuhr Robin fort.

Erwartungsvoll sah Liam das rothaarige Mädchen an.

"Was guckst du so? Du hast es schon richtig erkannt; Ohne mich würdest du nicht mehr leben.", grinste Robin Liam schief an.

Doch Liam ließ sich nicht von Robins Späßen beeindrucken: "Du siehst immer noch ziemlich blass aus. Iss und trink noch etwas."
Robin leistete schon zum zweiten Mal seinem Befehl folge und aß noch etwas. Die Tasse war ebenfalls binnen weniger Sekunden geleert.

Ratlos stand Liam vor dem riesigen Regal voller Zutaten, Tränke und Salben.

Robin sah zu ihm hinüber.
"Was suchst du?"

"Ich suche etwas gegen nervige, teilweise überhebliche junge Frauen. Hast du was?"
Fragend sah Liam zu Robin und hob hob belustigt über Robins grimmigen Gesichtsausdruck eine Augenbraue.

Robin verschränkte die Arme.
"Erstens sehe ich hier keine nervige Frau und zweitens brauche ich jetzt dringend den Trank gegen miese, verwöhnte Prinzchen."

Zielsicher griff Liam nach der Salbe, die Robin gestern auf ihre Wunde geschmiert bekommen hatte und ging damit auf Robin zu.
"Ich werde dich jetzt verarzten und ich akzeptiere kein nein. Danach bekommst du auch deine Medizin gegen verwöhnte Prinzchen."

Mit Mühe schleppte sich Robin, jede Hilfe Liams ablehnend, hinüber zum Bett und ließ sich auf diesem nieder.

Vorsichtig entfernte Liam den Verband und sah sich die Wunde genauer an. Sie blutete nicht mehr, war jedoch auch noch nicht am Gerinnen. Für ihn sah es wie etwas dazwischen aus. Er nahm sich die Mixtur und verteilte sie sanft auf der Wunde, nachdem er diese sicherheitshalber nochmal mit dosiertem Alkohol gesäubert hatte. Robin hatte wieder Probleme, nicht laut los zu fluchen.

"Warum bei Gott tut das noch so weh? Sollte sie sich nicht schon langsam mal schließen?"
Robin dückte ihre Fingerspitzen wieder in das Bett, wenn auch schon etwas gemäßigter als am Vortag.

Liam wickelte noch schnell wieder einen Verband um ihre Wunde und verschloss diesen.

Robin richtete sich auf; "Und was ist mit deiner Bisswunde?"

Liam nahm das Oberteil an seiner Hüfte hoch.
"Die ist schon zu und schmerzt nur noch wenig."

Die RothaarigeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt