no. 29

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In meinem Zimmer angekommen wusste ich nicht so recht, wie ich mich verhalten sollte. Sollte ich mich wie ein hysterischer Teenie - der ich zu Zeiten noch war - aufs Bett schmeißen und hemmungslos schluchzen? Oder sollte ich im Bad weinen? Oder versuchen, die Tränen zu unterdrücken?

Da ich mich nicht entscheiden konnte und es mir egal war, setzte ich mich auf mein Bett und vergrub mein Gesicht in meinen Händen. Ich schluckte schwer und versuchte verzweifelt, den hartnäckigen Kloß in meinem Hals loszuwerden.

Papa hatte mich zwar nicht als Nutte bezeichnet, aber trotzdem hatte es mich auf eine gewisse Art und Weise verletzt. Oder ich hatte einfach Angst, was jetzt passieren würde.

Da klopfte es an der Tür und ohne, dass ich "herein" oder ähnliches gesagt hatte, kam Leon herein. Schweigend setzte er sich neben mich und zog mich an sich. Langsam nahm ich meine Hände vom Gesicht und vergrub es in seiner Halsgrube.

Ich spürte, wie mein Freund betont ruhig und konzentriert atmete, während er meine Hand griff. Mit geschlossenen Augen drückte ich seine Hand und nahm einen tiefen Atemzug. Reflexartig zog er mich in eine feste Umarmung und presste sein Gesicht in meine Haare.

Lange standen wir einfach nur Arm in Arm und sagten nichts. Dann löste Leon sich und nahm mein Gesicht in seine Hände. Noch bevor ich handeln konnte, legte er seine Lippen sehnsüchtig auf meine. Der Kuss war salzig. Erst jetzt bemerkte ich, dass sowohl mir als auch Leon stille Tränen über die Wangen rannen. Meine Hände suchten nach Halt, den sie sonst immer an seinen Seiten gefunden hatten.

Doch vergeblich.

Wir beide wussten:

Das ist ein Abschiedskuss.

Er löste sich langsam. "Nein, bitte... ", flüsterte ich und öffnete langsam meine Augen, "bitte..."

Ein Schluchzen meinerseits ertönte, "Ich will das nicht". "Babe, bitte... du machst das hier nicht besser", er rang spürbar um Fassung und senkte den Kopf. "Gibt es überhaupt ein 'besser'?", ich biss mir auf die Unterlippe. Ich wollte nicht verzweifelt weinen.

Doch meine Hoffnung auf ein 'besser' wurde enttäuscht. Er schüttelte den Kopf und wischte sich über die Wange. "Es ist besser, wenn ich gehe", seine Stimme war brüchig, "und wir uns nicht wiedersehen...".

Er nahm meine Hand von seiner Seite und ging an mir vorbei. Wie paralysiert starrte ich gerade aus und spürte, wie die Tränen nicht mehr rannen. Sie strömten gerade zu aus meinen Augen. Ich wollte es nicht wahrhaben.

Alles nicht.

Nicht, dass man uns erwischt hatte. Nicht, dass er nach München ging und nicht, dass er Schluss machte, weil es rausgekommen war.

"Leon!", rief ich mit tränenerstickter Stimme und eilte zu der Treppe. Er war schon unten und sah wieder hoch. Sein Blick war vernebelt. Etwas in ihm war gebrochen. "Mach's -", meine Stimme versagte. Ich atmete tief durch und wischte mir die Tränen weg. Doch es kamen wieder neue.

"Mach's gut in München", ich presste die Zähne zusammen. Ohne seine Reaktion abzuwarten drehte ich mich um und ging auf mein Zimmer.

Schluchzend sackte ich in mir zusammen und schloss nur noch meine Tür. Es fühlte sich so an, als hätte man mich in tausende einzelne Teile gerissen.

Ich wollte das nicht.

Es tat weh.

Zu weh.

Ich war mich sicher: So fühlte sich die Hölle an.

Meine eigene persönliche Hölle.

school drama.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt