12 - Carter

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Genervt sehe ich in ihr unsicheres Gesicht und verfluche alle Leute, die mich dazu brachten, hierher zu gehen. Und das war eigentlich nur Effi. Wieso habe ich nicht nein gesagt? Ich muss mir den ganzen Quatsch nicht geben, nur um sie glücklich zu machen! Effi denkt, ich solle mich mit ihr verstehen, weil die beiden ja angeblich Freunde seien. Und deshalb muss ich mich an einem so schönen Tag zu ihr aufmachen, weil Effi sonst nicht mehr mit mir spricht. Sie kann eine solche Zicke sein! Genervt fahre ich mir durch mein Gesicht.

„Was geht?", frage ich und nicke ihr cool zu. Sofort wird sie rot und sieht sich nervös hinter mir um. Dabei macht sie ein so panisches Gesicht, dass man meinen könnte, sie würde von mir erwarten, etwas Schreckliches zu tun. Meine Güte, ich habe schon keinen Serienkiller mit mir mitgenommen, um sie abzumurksen. Das muss ich nicht, sie stirbt ja schon, wenn sie Luke nur von weitem sieht.

Ich schnaube auf und starre sie an. Vielleicht sagt sie zur Abwechslung mal was Intelligentes.

„Ähm... hey?" Sie sieht mich verwirrt an und noch immer zeichnet Unsicherheit und Nervosität ihre Miene aus. Wie kommt das Mädchen denn nur durch die Welt, wenn es immer so unsicher ist und sich herumschubsen lässt?

Ich atme genervt aus und dränge mich an ihr vorbei, um in das Haus zu gelangen. Sie stolpert mir aus dem Weg und ich sehe mich in Ruhe um. Das Haus ist geräumig und ich die weißen Wände überraschen mich nicht. Ich kann direkt in ein offenes Wohnzimmer blicken und erkenne auch dort die klinische, weiße Linie, die sich wahrscheinlich durch das gesamte Haus zieht. Die weißen Möbel und symmetrischen Bilder an der Wand unterstreichen dies noch einmal und es erinnert mich an mein eigenes Haus. Es sieht fast gleich aus.

Anscheinend findet Sadie es nicht gut, dass ich einfach hineingekommen bin und schlägt die Tür zu, ehe sie sich vor mich stellt.

„Was..." Sie blinzelt und scheint sehr verwundert zu sein, mich hier aufzufinden. Verständlich. Das wäre ich auch, aber ich würde niemals so einfach einen Fremden ins Haus lassen. Und vor allem nicht so leichtgläubig die Tür öffnen.

Ich mustere sie und ihre konservative Haltung lässt mich sofort wieder in ihre Augen sehen. Meinen Nacken reibend schließe ich kurz die Augen, nur um sie wieder zu öffnen. Ich habe keine Lust, mit ihr allein zu sein. Und das muss ich ja leider für ein paar Minuten.

Ich gehe voran und laufe auf das offene Wohnzimmer zu, wo schon die weiße Couch im Mittelpunkt steht und mich einladend angrinst. Zufrieden grinsend folge ich der Einladung und lasse mich darauf nieder. Sie ist nur leider nicht halb so bequem, wie gedacht. Mensch, was für ein Müll! Meine Laune sinkt sofort weiter ab und ich schließe einige Sekunden meine Augen. Wird der Abend wenigstens noch etwas besser?

Sadie folgt mir und setzt sich mir gegenüber hin. „Was willst du hier?"

Ich verdrehe meine Augen. „Hast du nicht meine Nachricht gelesen?", frage ich und greife nach meinem eigenen Handy, um mögliche Nachrichten zu checken. Außer den üblichen Benachrichtigungen finde ich nur eine von Luke.

Sadie zieht ihr Handy hervor und starrt darauf hinab. Dann sieht sie zu mir und wirkt nervös. „Okay? Dann willst du echt...?"

Ich schnaube und sehe an die Wand. Wenn es Effi nicht gäbe, würde ich das nicht tun. „Offensichtlich, sonst wäre ich ja nicht hier, oder?"

Sadie starrt mich an, ehe sie sich wieder ihrem Handy zuwendet. „Aber es ist schon um zehn Uhr? Wollen wir das nicht verschieben, morgen ist schon Schule?"

Ich sehe sie irritiert an. „Was? Warum?" Ich verstehe nicht, was so schlimm ist, sich um zehn Uhr noch zu sehen und denke an die Abende, an denen ich früher schlafen ging. Sie sind eigentlich kaum vorhanden. Ich bin immer bis um drei Uhr morgens wach und zocke noch. Meine Gedanken wandern herum und ich erinnere mich an meinen Bruder, mit dem ich früher immer gezockt habe. Er schlich in mein Zimmer und hatte immer dieses Grinsen im Gesicht, das ich niemals vergessen werde. Diese Begeisterung, die er ausstrahlte, hat mich immer dazu verleitet, mit ihm zu spielen. Dabei mussten wir leise sein, weil mein Zimmer damals noch neben dem meiner Eltern war und so uns nicht nur einmal erwischt haben. Das schlimmste Mal war wohl an meinem sechszehnten Geburtstag, als ich ein neues Spiel geschenkt bekam und wochenlang jeden Abend mit ihm gespielt habe. Dass am Morgen unsere Köpfe auf dem Küchentisch lagen, machte unsere Eltern aufmerksam und dann erwischten sie uns, wie wir das Spiel spielten. Der Hausarrest war nicht mal so schlimm: Ich durfte nicht mehr mein Handy haben. Und mein Bruder musste all seine Spielkonsolen abgeben. Doch wir stoppten nicht, uns nachts heimlich zu treffen und als ich anfing, feiern zu gehen, saß er in meinem Zimmer, wann immer ich zurückkam. Manchmal schlief er, aber meist war er wach, neugierig zu hören, was mir so passiert ist. Und da ich immer betrunken war, erzählte ich ihm alles. SO hat er Geheimnisse erfahren, die ich ihm erzählt habe. Und er sorgte dafür, dass ich nie zu laut war und meine Eltern weckte. Ohne ihn wäre ich definitiv aufgeflogen.

Der Weg zum GlückWo Geschichten leben. Entdecke jetzt