-Minerva und S.-
Nervös schritt Minerva McGonnagall durch das große Eingangstor hinaus in die warme Sommerluft. Es war Abend. Ein rotgoldenes Leuchten glomm in der Ferne hinter den Wipfeln der Bäume und das Blassrosa des Firmaments spiegelte sich im dunklen Schwarz des Sees, als hätte jemand einen Topf voll Farbe genommen und einen zweiten Himmel erschaffen.
In der Ferne, irgendwo in der tiefen Finsternis des Verboteten Waldes, heulte ein Tier, vielleicht ein Wolf, worauf hin ein Schwarm Vögel jäh aus den Baumkronen stob und wild durch einander flatternd hinüber zum See und dann noch weiter flog, bis er am Horizont nur noch als ein paar stecknadelgroße Punkte zu erkennen war.
Obwohl es so warm war, fröstelte Minerva. Sie war angespannt, lag doch das, was in den nächsten Stunden geschehen mochte, noch vollkommen im Ungewissen. Unruhig friemelte sie an dem lockeren Knopf an ihrer Manteltasche und zog einen winzigen Bogen Pergament heraus, als sie auf die Peitschende Weide zu trat, die ihr Wogen im Wind unmittelbar einstellte, als die Lehrerin ihren Zauberstab erhob und diesen durch die sommerwarme Luft schwang. Während Minerva eiligen Schrittes auf das große Loch in der Erde zwischen den Wurzeln zu ging, faltete sie das tintenbeschriebene Papier auseinander. Zum hundertsten Mal, so kam es ihr zumindest vor, huschte ihr Blick über die schiefen krakeligen Buchstaben und Wörter, die ihr auf ihre alten Tage doch noch das lieben gelehrt hatten.
Minerva,
ich weiß, ich habe dich lange warten lassen. Triff mich am Donnerstagabend um halb acht in der heulenden Hütte, für ein angemessenes Mahl ist gesorgt, versprochen. Ich werde auf dich warten. -S.Mit den leuchtenden Augen eines verliebten Highschoolmädchens überflog Minerva den Brief. Sie erinnerte sich noch allzu gut daran, wie sie vor ein paar Monaten, wenige Tage vor Weihnachten, den ersten Brief von S. erhalten hatte. Anfangs zögerlich und voller Unsicherheit hatte er beschrieben, wie angetan er von ihr und ihrer Art war, doch die Professorin hatte dem keine Beachtung geschenkt und es als einen schlechten Scherz eines ihrer Schüler abgetan.
Doch die Briefe hatten sich gehäuft und schlussendlich hatte sie, geschmeichelt ob der überaus empfindsamen, gar gefühlstiefen Worte, eine Antwort verfasst. So hatten sie sich geschrieben, ihre Empfindungen und Sorgen ausgetauscht, sich über den einen oder anderen Lehrer oder Schüler beklagt und sich Dinge anvertraut, die sie niemandem sonst erzählten. Eine tiefe Verbundenheit war entstanden, ja, nichts hatte Minerva mehr erfreut als den Anblick der krakeligen Schrift auf dem Pergament in ihren Händen.
Anfangs hatte sie sich nicht daran gestört, die Identität ihres heimlichen Verehrers nicht zu kennen, doch nach und nach, war ihr bewusst geworden, dass sie eigentlich gar nicht so genau wusste, wem sie sich da eigentlich offenbarte und so hatte sie S. vor wenigen Wochen um ein Treffen gebeten.
Langzeit hatte sie keine Antwort erhalten, schon hatte sie sich gesorgt, ihn vergrault, gar geängstigt zu haben, doch vorgestern um die Mittagszeit hatte, zusammen mit einer violetten Eisenhutblüte, dieses kleine Stück Pergament auf ihrem Schreibtisch gelegen.
Minerva lächelte bei dem Gedanken an die Blume, die nun in ihrer besten Vase auf dem Nachttisch stand, als sie, tief geduckt, um sich an der erdigen Decke nicht zu stoßen, den langen Gang entlang schlich.
Natürlich hegte sie Vermutungen ob der Identität ihres Brieffreundes, doch ließen sie alle sich auf irgendeine Weise entkräften. Auch achtete S. unfassbar genau darauf, nicht allzu viel von seinem Umfeld preiszugeben, weshalb sich Minerva überdies unsicher war, ob es sich um einen Kollegen oder einem Hogsmeadebewohner handelte.
Eines jedoch stand fest: S. war ein kluger und einfühlsamer Mann, allein seine Wortwahl und die Art wie er formulierte, ließen darauf schließen, wie viel Unheil und Verderben er schon erlebt hatte.
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Kurzgeschichten aus Hogwarts -eine kleine Oneshotsammlung-
Fanfiction"Nervös schritt Minerva McGonagall durch das große Eingangstor hinaus in die warme Sommerluft. Es war Abend. Ein rotgoldenes Leuchten glomm in der Ferne hinter den Wipfeln der Bäume und das Blassrosa des Firmaments spiegelte sich im dunklen Schwarz...