My Trust in You- Ehrlich Brothers FF

Kapitel 3

>Da ist dieser Schmerz. Nur dieser dumpfe Schmerz. Ich glaube, es ist mein Hinterkopf. Verdammt. Mit meiner Hand will ich nach der schmerzenden Stelle tasten, doch meine Arme sind wie gelähmt. Kann sie kein Stück bewegen. Nicht einmal einen Millimeter. Nur meine Augen kann ich einen kleinen Spalt öffnen... Sogleich strahlt mir das stechend helle Licht der ganzen Scheinwerfer entgegen. Puh, ist das hell! Und mir ist immer noch so heiß... Gerade möchte ich meinen Blick zur Seite richten, da beginnen vor meinen Augen erneut diese kleinen, schwarzen Punkte zu tanzen. Wie winzige Insekten schwirren sie vor meinen Augen hin und her. Und sie werden mehr und mehr. So viele, bis sie irgendwann mein gesamtes Blickfeld ausfüllen und sich das Bild vor meinen Augen endgültig in eine schwarze Fläche verwandelt. Und das ist wohl der Moment, an dem ich den Kampf mit dem Bewusstsein verliere.<

Helle Lichter. Laute Musik. Herzrasen. Oh, wie ich es liebe! Einfach großartig, dieses Showfeeling. "Hallo, Düsseldorf!", rufen Andreas und ich wie aus einem Mund, bevor wir gleichzeitig von dem Podest unseres Teleporters springen. Schon starten die ersten Pyroeffekte. Ein perfekter Start in eine hoffentlich perfekte Show. Aber was soll schon schief gehen? Wir haben uns so gut und lange auf diese große Show vorbereitet und alles viele Male getestet. Also was sollte denn nicht nach Plan laufen? "Seid ihr gut drauf?", fragt mein Bruder nun und lacht. Ein begeistertes, lautes Klatschen und Kreischen unseres Publikums ist die Antwort. Zufrieden betrachte ich die vielen Sitzreihen und die vielen Fans mit den ganzen Plakaten und Bannern. Zu sehen, wie viele Menschen wir mit unserer Zauberei Tag für Tag faszinieren dürfen, ist einfach immer wieder überwältigend! Ein angenehmer Schauer läuft mir den Rücken herunter. Das ist alles immer noch so irreal. "Wenn heute alles gut geht, dann werden wir am Ende dieses Tages einen neuen Weltrekord in den Händen halten und das nur, weil ihr alle jetzt hier seid! Also schon mal ein riesiges Danke an dieser Stelle!", rufe ich glücklich und klatsche unseren Zuschauern einen kurzen Applaus. Wir sind ihnen allen so dankbar. Ohne unsere Fans wären wir ein Nichts. Nur sie machen das alles hier möglich. Die aufwendiges Show, die gesamte Tour, einfach alles, was wir aufgebaut haben. Deshalb fühlen wir uns schon verpflichtet, ihnen allen heute eine hundertprozentig perfekte Show zu bieten, oder es jedenfalls zu versuchen. Einfach alles zu geben. "Und genau das werden wir auch tun!", denke ich noch und werfe einen glücklichen Blick zu meinem Bruder hinüber. Ob er sich auch gerade so gut fühlt? Bestimmt. Als erstes zeigen wir die Nummer mit der Streckbank, ich glaube, ihr kennt sie alle. Andreas schrumpft mich unter Verwendung von Superhelium auf Zwergengröße und zieht mich anschließend mithilfe einer Streckbank wieder groß. Ein paar Witze dürfen dabei selbstverständlich nicht fehlen! Der Trick läuft gut und wenig später stehe ich endlich wieder in voller Größe neben Andreas. "So, für die nächste Illusion bräuchte ich eine taugliche Assistentin hier an meiner Seite auf der Bühne! Und ich muss sagen, mit Assistentinnen habe ich echt schlechte Erfahrungen gemacht. Ich hatte jahrelang eine. Die hat alles falsch gemacht, die sah nicht gut aus, die Assistentin war mein Bruder!", scherzt Andreas danach und zeigt dabei abwertend auf mich. Genervt seufze ich. Wenn man so einen Bruder hat, dann brauch man keine Feinde mehr... "Ja, ja, jetzt geh du mal und such dir jemanden passenden!", meine ich also schnell und schubse meinen Bruder in Richtung der Treppe, die von der Bühne hinab ins Publikum führt. Ich hingegen kann mich erst einmal entspannen und hinter der Bühne verschwinden. Den nächsten Trick, den mit den zwei gleich langen Seilen, führt Andreas nämlich ganz alleine mit einer Zuschauerin vor. Da braucht er mich ausnahmsweise mal nicht. Zufrieden über den gelungen ersten Teil der Show laufe ich vergnügt die schmale Treppe von der Bühne hinab in unseren Backstagebereich. So, ein paar Minuten Pause. Schnell für die nächste Illusion vorbereitet und ein neues Outfit angelegt. Aber als allererstes mal einen Schluck getrunken! Wasser ist immer gut. Gut für die Stimme, gut für den Hals, gut für den Kreislauf. Gerade setze ich genüsslich eine Wasserflasche an meinen Mund an, da ertönt plötzlich dieses Geräusch. Ein ohrenbetäubendes, unangenehmes Geräusch. So laut und so bedrohlich, dass es mich zusammenfahren lässt und meinem Herz einen ordentlichen Ruck verpasst. Was zum Teufel war das denn? Vor Schreck zucke ich reflexartig so sehr zusammen, dass ich ein wenig Wasser über meine Jacke vergieße. Verwundert lausche ich. Das Geräusch kam von der Bühne. Eine Art Knall, aber eher dumpf. Wie ein überlautes Knacken, was immer erklingt, wenn man beim Telefonieren keinen guten Empfang hat. Ja, ziemlich genau so. Aber hier? Benommen wische ich mir die Wassertropfen von dem Leder meiner Jacke. Ist irgendein Scheinwerfer explodiert oder so? Ist etwas kaputt? Aber was mir mehr Sorgen macht: Andreas' Stimme, die ich bisher auch hier im Backstagebereich deutlich verstehen konnte, ist auf einmal verstummt. Es herrscht plötzlich völlige Stille. Beunruhigt sehe ich zu den Crewmitgliedern, die jetzt aufgeregt in Richtung Bühne rasen. "Was zur Hölle...", zische ich verwirrt und eile ebenfalls wieder auf die Treppe zu, um einen Blick auf unsere Bühne zu erhaschen.
Es ist nur ein kurzer Moment, in dem ich erkennen kann, was genau passiert ist. Nur ein einziger, kurzer Moment, bevor sich um das, was so geknallt hat, eine Menge von Menschen angesammelt hat, die mir den Blick versperrt. Eine Sekunde vielleicht. Mehr nicht. Und doch weiß ich es genau. Es war das Headset-Mikrofon meines Bruders. Also das Mikrofon, welches er vor seinem Mund trägt. Und der Knall ist dadurch entstanden, dass genau dieses auf dem Boden aufgeschlagen ist.