"Chris, was machst du denn hier?" Die Stimme meiner Mutter ist überrascht und erleichtert zugleich. "Das kann ich euch genau so fragen! Was zum Teufel macht ihr hier?", gebe ich verwirrt zurück. Wieso sind die denn schon hier? Das kann doch gar nicht sein! Daran zweifelnd, ob ich nicht eben in Krankenwagen eingeschlafen bin und mir das hier alles gerade nur vorstelle, reibe ich mir die Augen. Aber nein. Meine Mutter steht vor mir. Mit der kleinen Sophie, der Tochter von Andreas, auf dem Arm. Und sein zehnjähriger Sohn Paul sitzt ebenfalls auf einem der Stühle im Wartezimmer, von denen man schon beim Angucken Rückenschmerzen kriegt. Aber Paul ist blass... Sehr blass. Und sehr ruhig. Zu ruhig für einen kleinen Wirbelwind wie ihn. "Hat euch irgendein Crewmitglied angerufen oder so?", frage ich nun, da ich mir ihr Auftauchen nur so logisch erklären kann. "Nein! Warum sollte das jemand? Was ist passiert?" Mama runzelt besorgt die Stirn und setzt Sophie auf einem der freien Stühle ab. Tja, nun findet dieses Gespräch, vor dem ich mich fast schon ein bisschen gefürchtet habe, nicht einmal mehr am Telefon statt, sondern meine Mama steht direkt vor mir. Unglücklich seufze ich und mache einen Schritt auf sie zu. Schnell greife ich nach ihren Händen und drücke diese fest. So wie ich es bei meinem Bruder auch die ganze Zeit getan habe. Es gibt einem einfach Sicherheit. Ihr, aber auch mir. "Andreas ist auf der Bühne umgekippt. Also, zusammengebrochen. Wahrscheinlich ist der Kreislauf schuld, sagen zumindest die Ärzte. Er wird jetzt erst einmal durchgecheckt! Auf Herzkrankheiten und so...Aber höchstwahrscheinlich war es einfach der Stress!" Die Augen meiner Mutter werden ganz groß. Sie öffnet ihren Mund, als würde sie etwas fragen wollen, doch sie schließt ihn sofort wieder. „Also ist es wahrscheinlich nichts Schlimmes?", erkundigt sie sich schließlich. „Ja, mit Sicherheit!", verspreche ich ihr, wobei meine Stimme allerdings das genaue Gegenteil aussagt. Ich kann einfach nicht anders als mir Sorgen zu machen, wenn es meinem Bruder nicht gut geht. Gerade möchte ich sie umarmen, da löst sie schnell ihre Hände aus den meinen und hält diese verzweifelt, schützend vor ihr Gesicht. Erschrocken halte ich die Luft an. Weint sie gerade? "Es war, wegen uns, oder? Er hat er sich solche Sorgen gemacht und war deshalb so gestresst, oder?", schluchzt sie nun und verdeckt ihre Augen weiterhin mit ihren zarten Händen. Ach so, sie glaubt, sie würde die Schuld an dem ganzen tragen! "Nein, Mama! Ganz sicher nicht! Ihr seid ganz und gar nicht schuld! Ihr habt doch noch extra angerufen und Bescheid gesagt, dass ihr nachkommt! Das wussten wir doch. Also war das mit Sicherheit kein Grund!", widerspreche ich ihr schnell und mit fester Stimme, um sie etwas zu beruhigen. Sie darf sich für Andreas' Zusammenbruch auf gar keinen Fall schuldig fühlen. Doch da nimmt sie die Hände von ihrem Gesicht und blickt mich verwundert durch verweinte, rote Augen an. „Was? Hat Steffi noch mit euch telefoniert? Ich dachte, nur ich hätte mit Andreas gesprochen!" Meint sie ihren Anruf heute Nachmittag, als sie uns informiert hat, dass sie jetzt losfahren würden? Wahrscheinlich.
Hastig schüttle ich den Kopf. "Nein, Steffi hat Andreas doch noch kurz vor der Show angerufen. Wir wussten, dass ihr nicht zur Show kommt, weil ihr eben noch einmal umkehren musstet und danach im Stau standet! Das wussten wir!", erkläre ich ihr und füge dann noch hinzu: „Hat Andreas euch eigentlich angerufen, dass ihr hierherkommen sollt?" Meine Mutter schüttelt ihren Kopf. Ganz kurz, aber deutlich. Und gleichzeitig irgendwie total verwirrt. "Nein... Nein, eben nicht! Wir sind auch nicht noch einmal umgekehrt oder standen im Stau oder so, Chris! Ich weiß ja nicht, wo du das her hast, aber..." Ihre Stimme bricht und ihr Blick sucht eilig den Boden. Als könnte sie das, was sie mir eigentlich erzählen wollte, einfach nicht aussprechen. Doch dann schluckt sie einmal und sieht mir entschlossen in die Augen. "Chris, wir sind nicht gekommen, weil wir einen Unfall hatten!"
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My Trust in You- Ehrlich Brothers FF
Fanfic~Vertrauen ist wie Porzellan. Genauso wertvoll, genauso fragil. Ist es einmal zerbrochen, kann man es vielleicht irgendwie wieder zusammenkleben, doch die Risse bleiben für immer zurück. So wie früher kann und wird es nie mehr werden.~