Kapitel I: Der einsame Kasimir

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„Ahh, dieses Licht!", stöhnte Kasimir und zog sich seine Felldecke über den Kopf. Es war schon spät am Morgen und die Sonne schien mitten in sein Zimmer. Es war ungewöhnlich, dass er um diese Zeit noch schlief. Normalerweise war er jetzt schon am Arbeiten, aber dies war ja auch kein normaler Tag für ihn. Er zog sich also schnell seine Arbeitskleidung an und ging schlaftrunken nach unten, um nach seinem Vater und seinem kleinen Bruder zu sehen. Unten angekommen warteten die beiden schon auf ihn. Da fiel es Kasimir wieder ein! Er wurde heute 16 und somit ein richtiger Mann. Die beiden saßen am Esstisch. Als sie ihn sahen, sprang Kasimirs kleiner Bruder Joris sofort auf, lief auf ihn zu und schmiss sich auf seinen großen Bruder. Er hatte Tränen in den Augen und lächelte zugleich. Er lachte: "Jetzt zählst du zwar als Mann, bist aber immer noch ein Faulpelz wie früher. Aber vielleicht ist das sogar gut, vielleicht wirst du deswegen ja aussortiert." Kasimir strich Joris leicht über sein schulterlanges, rotes Haar, schob ihn dann von sich weg und sagte lächelnd: "Ach, so jemanden wie mich wollen die doch gar nicht haben!"  Sein Vater Caspar wirkte nicht so erfreut und nahm Kasimir in den Arm. "Ach, mein Sohn. Erst ging deine Mutter von uns und jetzt muss ich dich an die Armee des Königs abgeben. Das Schicksal meint es nicht gut mit unserer Familie." Bevor er weiter sprach, wies er Joris an, den Raum zu verlassen. Dieser trottete leicht enttäuscht aus dem Zimmer. "Doch bevor du gehst muss ich dir noch etwas mit auf den Weg geben." Er holte ein kleines Schmuckkästchen heraus und stellte es auf den Tisch. "Dies ist von deiner Mutter. Sie wollte, dass ich dir das bei deinem 16. Geburtstag überreiche." Kasimir öffnete das Kästchen und holte eine Kette mit einem blauen Anhänger heraus. "Vielen Dank, Vater. Ich werde diese Kette mit Stolz tragen und mit ihr zurück nach Hause kommen!" "Du verstehst nicht. Du musst diese Kette schützen, mit deinem Leben. Dieser Anhänger beinhaltet eine Macht, die der König auf keinen Fall in die Hände kriegen darf!" Kasimir nickte, wollte allerdings noch ein paar Fragen stellen. Am Gesichtsausdruck seines Vaters erkannte er aber, dass es keinen Sinn machen würde, also beließ er es dabei und hängte sich die Kette um. Joris kam wieder herein und die drei feierten noch etwas den Geburtstag des neuen Mannes.  Spät am Abend wollte sich Kasimir gerade in sein Zimmer zur Ruhe legen, da kam sein Vater nochmal auf ihn zu. "Kasimir, du musst morgen wieder in den Wald und ein letztes Mal für uns jagen gehen, bevor der Winter anbricht!" "Verstehe. Ich packe morgen meine Sachen und breche dann übermorgen in den Wald auf." "Nein du musst sofort morgen früh aufbrechen!" Kasimir wollte fragen, wieso diese Eile, da er doch erst vor drei Wochen jagen war, doch er wusste dass es kein gutes Ende geben würde wenn sein Vater in diesem Ton mit ihm sprach und er dann noch mit ihm herum diskutierte. Also ließ er es bleiben, nickte nur und legte sich dann schlafen.

Es waren nun vier Tage vergangen, seitdem Kasimir in den Wald aufgebrochen war und er hatte noch keine Hirschherde oder ähnliches gefunden. Er wollte nur noch diesen Tag suchen und dann nach Hause zurückkehren, da sein Proviant zur Neige ging. Es war noch früh am Morgen und Kasimir lag schlafend am Rande eines Flusses, als er plötzlich durch einen lauten Schrei geweckt wurde. Er sprang sofort auf, packte schnell seinen Gürtel und zog sein Messer heraus. Er machte sich auf einen Angriff von einem wilden Tier gefasst, doch nichts geschah. Ein weiterer Schrei ertönte und da bemerkte es Kasimir, das war kein Schrei eines Tieres, dieser Schrei kam von einem Menschen. Er suchte schnell seine Sachen zusammen, um in die Richtung zu laufen, aus der der Schrei kam. Dann fand er den Ursprung, es war ein Lager der Soldaten des Königs und die Schreie kamen aus einem Käfig am Rande des Lagers. Doch was sich darin befand konnte Kasimir nicht erkennen, die Sonne schien nun direkt in seine Augen. Das einzige, was er erkennen konnte war, wie ein Soldat zum Käfig ging, mit seinem Schwert gegen die Gitterstäbe schlug und irgendetwas schimpfte und daraufhin sich etwas Großes in dem Käfig fallen ließ. Kasimir schaute sich noch etwas um und ging dann um das Lager herum. Da sah er den Grund, warum er keine Tiere fand, die Soldaten hatten sie entweder getötet oder verjagt. Nun konnte er auch sehen was in dem Käfig war, ihm blieb fast der Atem weg, es war Joris, Kasimir würde seine untypischen roten Haare überall wieder erkennen! Er hatte eine Platzwunde am Kopf und saß dort wie ein schlaffer Sack voll Weizen. Kasimir wusste nicht mehr, was er machen sollte. Eigentlich wollte er ihm helfen, doch er hatte panische Angst, schließlich waren es die Soldaten des Königs. Doch dann fasste er den Entschluss, er musste ihn da rausholen. Er schaute sich nach den Soldaten um, doch es war keiner in Sicht. Er schlich sich leise von hinten an den Käfig an und flüsterte: „Joris, Joris hörst du mich?" Doch keine Antwort. Er hob einen Stock auf und pikste ihn damit leicht um zu sehen ob er reagierte.

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