Ich hätte es wissen müssen

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Bitte Anmerkung unten lesen!


Das Ende des Abends rückte näher. Die achtzehnte Stunde war schon vorbei und die Sklaven der reichen Herren kamen, um ihre mittlerweile betrunkenen Meister und deren Frauen abzuholen. Bevor aber alle gingen, versammelte sich die Geburtstagsgesellschaft noch einmal. Lucius bedankte sich artig bei allen für die Geschenke und offensichtlich wollte sein Vater noch etwas sagen. Er bat um Aufmerksamkeit und fing schließlich an zu sprechen, als jeder ihm zuhörte.

„Ich würde gerne noch eine letzte Ankündigung machen. Ich freue mich, nun endlich öffentlich die Verlobung meines zweiten Sohnes mit Tulia Minor verkünden zu können. Ein Termin für ihre Hochzeit steht noch nicht fest, da mein Sohn bald in den Militärdienst treten wird. Doch danach können wir uns endlich an einer Verbindung der Familie Lucius mit der Familie Tulius erfreuen."

Lucius fiel die Kinnlade herunter. Das konnte doch nicht wahr sein, was sein Vater dort erzählte. Warum hatte er ihm denn nicht Bescheid gesagt. Lucius wechselte einen schnellen Blick mit Stirrius, der ebenso überrascht aussah und dann mit Tulius, der wohl auch nichts davon wusste. Dann blickte er zu Claudia, die wütende Blicke in Richtung Tulia warf. Diese schaute triumphierend zurück und lächelte dann freudig Lucius zu. Er erwiderte das glückliche Lächeln nur halbherzig und sah wieder zu seinem Vater, der gerade die Glückwünsche entgegennahm. Auch Lucius selbst wurde beglückwünscht, doch er hörte nicht zu. Er schaute nur zu seinem Vater und als dieser ihn endlich ansah, warf er ihm einen Blick zu, der fragen sollte: ‚Warum hast du mir nichts gesagt? Warum hast du das überhaupt hinter meinem Rücken gemacht?' Sein Vater erwiderte nichts und sah nur wieder zu Tulias Vater, dem er auch schließlich die Hand reichte. Die beiden Männer wechselten noch einige Worte, danach wurden die Gäste weggeschickt. Lucius blieb nicht bis alle die Villa verlassen hatte, er wollte nicht mit seinem Vater, Tulia, Tulius oder überhaupt irgendjemandem reden. Er stürmte die Treppen hinauf und durch den Gang zu seinem Zimmer. Während er lief, zog er sich den Gürtel und das bunte Tuch vom Leib, ließ später seine Zimmertüre knallend zufallen. Er wusch sich schnell seine Schminke mit dem Wasser aus der Schüssel ab, die immer in seinem Zimmer stand. Man konnte ja schließlich immer ein bisschen Wasser gebrauchen. Dann ließ er seine Tunika auf dem Stuhl in seinem Zimmer zurück und fiel mit dem Gesicht voran auf sein Bett. Ursprünglich hatte er vor, heute noch seine Geschenke auszupacken, aber jetzt schluchzte er in sein Kissen. Nicht vor Trauer, sondern vor Wut. Sein Vater hatte ihn einfach wieder übergangen, entschied Sachen über sein Leben, sogar ohne eine Vorwarnung zu geben. Eigentlich hatte er erwartet, wenigstens ein bisschen Mitsprache bei dem Thema zu haben, mit welcher Frau er sein Leben verbringen würde.

Ein leises und vorsichtiges Klopfen ertönte an seiner Türe. Erst wollte er rufen, dass die Person sich verziehen sollte, aber er merkte, dass seine Stimme furchtbar klingen würde. Also ließ er es doch bleiben. Die Türe wurde leise geöffnet und er konnte leise Schritte von nackten Füßen hören. Er sah nicht auf, erst als der Brünette eine Hand spürte, die durch seine Haare fuhr. Stirrius saß an seiner Bettkante und lächelte ihn Mitleidig an. Sie beide sagten nichts, Lucius legte einfach seinen Kopf auf seinem Schoß ab und genoss den Trost, den ihm der Sklave spendete. Stirrius fuhr einfach damit fort, die Haare des Jüngeren zu streicheln. Schließlich seufzte er: „Ich muss nochmal runter und helfen, die ganzen Sachen wegzuräumen. Geschirr und so. Schlaf vielleicht einfach schon, ich komme gleich wieder, ja?" Lucius nickte schwach. Er war gerade einfach nur wütend. Auf seinen Vater, der die Hochzeit beschlossen hatte, seine Mutter, die bestimmt eine Ahnung gehabt hatte, seine Verlobte, die so über die ganze Sache triumphierte. Er nahm nur noch nebenbei wahr, wie die Türe sich bewegte und sein Sklave den Raum verließ.

Stirrius ging in die Küche und half, die Reste vom Essen wegzuwerfen und das übrige Geschirr abzuräumen. Es dauerte eigentlich nicht lange, doch er kehrte nicht sofort zu Lucius zurück. Es tat ihm ja leid, aber im Moment wollte er ihn nicht sehen. Stattdessen begab er sich zu ihrem Lieblingsplatz im Hain, die versteckte Stelle unter dem Olivenbaum, wo er ungestört war. Er hockte sich zwischen die Wurzeln und starrte durch die Baumkrone zu den Sternen. Es tat so sehr weh. Er hatte das Gefühl, sein Herz würde zerplatzen. Stirrius zog die Beine an den Oberkörper und schlang die Arme um sich selbst, wie als könnte er sich so zusammen halten. Er schaukelte ein wenig vor und zurück, so hatte er etwas weniger das Gefühl, als würde er in tausend Stücke zerspringen. Durch Blinzeln versuchte er, die aufkommenden Tränen zurückzuhalten. Es war so aussichtslos. Er würde zusehen müssen, wie Lucius eine andere heiratete. Er würde zusehen müssen, wie er sein Leben mit ihr lebte, Kinder bekam, alt wurde. Er würde einfach hilflos zusehen müssen, immer als störender Dritter.

Doch er riss sich wieder zusammen. Energisch wischte er die Tränen aus seinen Augen und schluckte den Kloß in seinem Hals hinunter. Er konnte doch jetzt nicht anfangen zu heulen. Das letzte Mal hatte er geweint, als er klein gewesen war und sich mit Diana gestritten hatte, um Süßigkeiten. Danach nie wieder, nachdem sein Halbbruder ihn ausgelacht hatte. Was war denn heute los mit ihm? Als es wieder ein wenig besser geworden war, stand er auf, straffte seine Schultern und ging in die Villa zurück. Er hatte Lucius versprochen, seine letzten Tage in der Heimat so schön wie möglich zu gestalten, da waren seine eigenen Gefühle jetzt egal.

Lucius schlief bereits, der Tag war für ihn schließlich auch lang gewesen. Stirrius strich ein weiteres Mal mit einem traurigen Lächeln durch dessen Haare. Es war nicht so, dass er dem Kleinen keine schöne Zukunft gönnte, aber es wäre so viel schöner, ihn für sich alleine zu haben. Bloß war Stirrius nun mal nicht mehr Apollo, sondern nur der Sklave aus Germanien. Und so gerne er es auch wollte, es gab keinen Weg das zu ändern. Sie hatten einfach keine Zukunft.



WICHTIG!!!: Ich werde nächsten Mittwoch kein Kapitel posten, weil ich in England bin und vermutlich keine Zeit haben werde. Dafür werden nächsten Samstag UND Sonntag Kapitel kommen!

Und ich hoffe, es ist nicht so schlimm, dass dieses Kapitel ziemlich kurz ist, aber der Cut hat einfach gepasst.

Venimus, vidimus, amavimusWo Geschichten leben. Entdecke jetzt