Familienzeit

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So, da melde ich mich wieder zurück, mit einem kleinen Einblick in die Lucianische Familie. Das Kapitel ist leider wieder ein bisschen kürzer geraten, aber morgen gibt es wieder ein Normales.

Die Familie Lucius saß seit langem Mal wieder gemeinsam beim Frühstück. Antonius war mit Frau und Sohn nach Lucius' Geburtstag in der Villa seiner Eltern geblieben. Lucius' Bruder und Vater unterhielten sich gemeinsam, während die Damen mit Lucius ein Gespräch führten. Lucius hatte dabei seinen Neffen Tiberius auf dem Schoß sitzen und der Kleine war begeistert davon, dass er gefüttert wurde. Lucius machte das gerne, er hatte viel für kleine Kinder übrig. Geduldig gab er Tiberius einen Löffel Brei nach dem anderen und schimpfte auch nicht, wenn dieser etwas kleckerte. Lucia Maior überließ ihren Sohn nur zu gerne ihrem Schwager, denn sie wusste, dass er gut mit Kindern umging und sie selbst hatte dann auch mal Pause. Antonius vertraute dem Urteilsvermögen seiner Frau offenbar so weit, dass er auch damit einverstanden war, dass sein Bruder sich um seinen Sohn kümmerte. Jedenfalls sagte er nie etwas. Tiberius kicherte fröhlich, als Lucius ihn hochhob und knuddelte. Die Frauen in der Runde mussten auch lächeln, so ein Kinderlachen riss nun mal mit. Lucius hob Tiberius über seinen Kopf und tat kurz so, als würde er den Kleinen fallen lassen. Der quietschte begeistert, seine Augen strahlten förmlich.

Nach dem Essen nahm Lucius seinen Neffen mit zu den Pferden. Stirrius hatte sich zu ihnen gesellt. Der Sklave holte Coenomi aus dem Stall und führte ihn auf eine der Wiesen. Auch einer der Hündinnen, Malaca, kurz ‚Mala' genannt, wuselte um ihre Beine herum. Tiberius wollte unbedingt zu ihr runter gelassen werden und er konnte sich tatsächlich schon an der Hündin festhalten und sich auf seine eigenen Beine stellen. Doch sobald sie sich bewegte fiel er auch wieder auf seinen Po. Das ergab einige Tränen, doch die versiegten auch schnell, sobald Mala ihm entschuldigend das Gesicht ableckte.

Stirrius mochte den kleinen Tiberius offensichtlich auch sehr. Er übernahm es, den Jüngsten der Familie auf Coenomis Rücken zu setzen und dort festzuhalten. Lucius führte den Hengst probehalber einige Schritte vorwärts, doch dieser schien zu wissen, dass er es mit einem Jungtier der Menschen zu tun hatte und war dementsprechend vorsichtig. Lucius dankte in Gedanken den Göttern für die Erschaffung eines so intelligenten Tieres. Nicht auszudenken, wenn Tiberius in seiner Obhut etwas passieren würde. Doch dieser schien sich mehr als wohl zu fühlen, der Kleine war begeistert davon, einmal so groß zu sein. Doch bald war ihm wohl auch das zu wenig und er streckte seine kleinen Ärmchen nach Stirrius aus, während er undeutlich bettelte: „Hoch, hoch." Stirrius lachte sanft. „Soll ich dich etwa hochheben? Ist Coenomi denn noch zu klein für dich?" Tiberius quietschte zur Antwort und schließlich hob der Größte der Gruppe ihn auf seine Schultern. Tiberius hielt sich in den blonden Haaren des Germanen fest und machte große Augen. Lucius lachte über den niedlichen Anblick. „Na, alles klar da oben?", erkundigte sich der Sklave und Tiberius nickte wild. Stirrius musste ebenfalls lachen, wie leicht man Kinder begeistern konnte. Insgeheim musste er an seinen eigenen, jüngsten Sohn denken. Hymenaeus benahm sich genauso. Stirrius liebte es, Zeit mit seinen Kindern zu verbringen, doch leider kam dies nicht wirklich häufig zustande. Deshalb freute er sich umso mehr, dass er sich hier wieder um ein Kind kümmern durfte. Es war nicht ganz dasselbe und er vermisste Hymenaeus sehr, doch es bereitete immer viel Freude, diese strahlenden Kinderaugen zu sehen, nur weil man sie hochhob.

Tiberius kicherte, während er seine Hand ausstreckte und quakte: „Perd, Perd." Er konnte das Wort Pferd noch nicht richtig aussprechen. Lucius folgte mit seinen Augen, wohin er seinen Arm gestreckt hatte, und Tiberius hatte Recht. Am nächsten Zaun stand Aurea und sah aufmerksam zu ihnen, offenbar interessiert, mit wem ihr bester Freund dort unterwegs war.

Leider schafften die drei es nur, eine Runde mit Malaca und Coenomi um die Wiese zu gehen, während Aurea immer ein bisschen am Gatter, das zu ihnen am nächsten war, auf und ab lief. Dann kam Antonius Lucius in Sicht, um seinen Sohn wieder abzuholen. „Tiberius! Wir fahren wieder!", rief er. Doch der Kleine krallte sich nur noch ein bisschen fester in Stirrius' Haare und quäkte unzufrieden. Schweren Herzens löste Stirrius seine kleinen Hände aus seinen Haaren und reichte den Protestierenden an seinen Vater weiter. Er strampelte energisch und rief die ganze Zeit: „Nein, nein! Bleiben!" Die Aufmerksamkeit des Ältesten unter ihnen war jedoch auf die Stute auf der Nachbarkoppel gelenkt. An Lucius gerichtet fragte er mit schief gelegtem Kopf: „Ist das nicht eine Stute, die ich mal gekauft habe?" Lucius nickte zögerlich. „Ja, ich glaube schon." Sein Bruder nickte nachdenklich, dann meinte er: „Schenk ich dir. Sie war zu leicht, um sie in den Krieg mitzunehmen, deswegen hatte ich sie hier gelassen, fällt mir gerade ein. Du kannst sie behalten, ich brauche sie nicht." Lucius wollte gerade den Mund öffnen, um etwas zu erwidern, doch Antonius brachte ihn mit einer erhobenen Hand zum Schweigen. „Ich brauche sie wirklich nicht. Und ich denke, dass du dich darüber freuen wirst. Wenn du sie nicht nimmst, landet sie beim Schlachter und eigentlich ist das für ein so schönes Tier zu schade. Du kannst sie sonst ja auch weiter verkaufen, wenn du sie unbedingt los werden willst." Man merkte, dass er keinen Widerspruch mehr duldete. Antonius nickte Stirrius und Lucius höflich zum Abschied zu, dann kehrte er um und marschierte zur Villa zurück, die wütenden Schreie seines Kindes ignorierend. Eines musste man ihm lassen, er war konsequent.

„Ja, Stirrius. Ich würde sagen, die gehört jetzt dir", stellte Lucius achselzuckend fest und sah zu dem Älteren hoch. Dann ergänzte er noch: „Natürlich nicht faktisch, das wäre ja verboten. Nur praktisch." Stirrius deutete eine leichte Verbeugung an. „Vielen Dank." Lucius winkte nur ab. „Komm, wir gehen zurück. Ich muss mir mal langsam überlegen, was ich unterwegs mitnehme."

Tatsächlich standen die beiden etwa zwei Stunden später in Lucius Zimmer und hatten die verschiedenen Klamotten ausgebreitet. Stirrius gab Ratschläge, was er mitnehmen sollte und konnte. „Den Fellmantel sollte man auf jeden Fall mitnehmen. Im Winter ist es sehr kalt dort oben und es regnet im Frühjahr und Herbst viel. Vielleicht wäre ein Regenumhang also auch nicht schlecht." Lucius legte alles, was er gebrauchen konnte, auf eine Seite, alles, was er nicht benötigte, auf die andere. Am Ende nahm er nur eine Tunika und ein Paar Sandalen mit, den Fellmantel, den Regenumhang aus weichem Leder, eine Tonschale und eine Kette, die seine Mutter ihm einst geschenkt hatte. Die Ausrüstung bekam man erst beim Militär selber. Man musste sie dort kaufen, denn sie war ja schließlich genormt. Normalerweise wurde der Preis einfach vom Sold abgezogen.

Lucius würde noch Coenomi mitnehmen. Pferde waren nie verboten, im Gegenteil. Sie gingen häufig im Kampf verloren und waren auch zum Gepäcktransport unerlässlich, weswegen Nachschub gerne gesehen war. Lucius hoffte einfach, dass er nicht unbedingt an die Front musste.



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