Als ich mit starken Kopfschmerzen aufwachte, war es abgesehen von dem wenigen Mondlicht, das durch den Türrahmen schien, dunkel und einsam. Die Nacht hatte wohl die Gebiete erfasst. Im ersten Moment wusste ich nicht mehr, wo ich war. Alles schien mir so fremd, die Liege, auf der ich lag, war nicht meine, und der Raum war gespenstisch leer. Ausserdem schien es mir unmöglich, mich auch nur ein kleines bisschen zu bewegen. Bei jedem Zucken kam es mir vor, als würde mir auf den Kopf gehämmert.
Dann dämmerte es mir. Es dauerte nicht lange, da spürte ich schon einen unglaublichen Drang, an die frische Luft zu gehen. Dieser überkam den Schmerz bei weitem. Ich stiess mich vom Bette ab und begab mich noch etwas wackelig in Richtung Ausgang. Als ich schon fast am Ende des Raumes angekommen war, stiess ich mit meinem linken Bein an einen harten Gegenstand und stolperte. In meiner Konzentration, meine Augen offen zu lassen und den Schmerz zu ignorieren, hatte ich einen kleinen Hocker übersehen. Zum Glück konnte ich mich mit meinen Händen am Boden abfangen, bevor ich mit meinem Kopf aufschlug.
Nach dem Sturz raffte ich mich gleich wieder auf und setzte meinen Weg fort. Es wäre doch gelacht, wenn mir ein Hocker in die Quere kommen konnte. Dann müsste ich hier gar nicht erst anfangen zu trainieren, wenn mich schon ein Holzklotz mit vier Beinen auf den Boden kriegte.
Beim Ausgang angekommen hielt ich mich am Pfosten fest. So verharrte ich bis ich mich wieder sicher auf den Beinen fühlte. Dann zog ich den Vorhang zur Seite und trat hinaus in die durch Mondlicht erhellte Nacht. Ich fasste mir an die Stelle, an der es weh tat, und spürte einen wulstigen Streifen von der linken Augenbraue bis zum Rande des Auges hinunter. War mir das gestern im Kampf gegen Timótheos passiert? Ich sass nieder, weil ich nicht wusste, was ich als Nächstes tun sollte.
Mitten auf dem Innenhof schaute ich empor zum Mond und zu den Sternen. Zum ersten Mal seit meiner Abreise überfiel mich das Heimweh. So schön es hier auch war, egal welche wunderbaren Dinge mir auf meiner Reise begegnet waren, ich vermisste mein Zuhause. Nichts ausser meinen mitgenommenen Sachen würden mich wohl je wieder an den Hof erinnern, alles war anders. Ja, sogar der Mond leuchtete in einer anderen Farbe. Das Licht war viel weisser, stechender. Wenn ich früher durch mein kleines Fenster hinausgeguckt hatte, war der Mond immer klein und golden gewesen, aber hier schien er riesengross und strahlend weiss.
Und auch Sterne gab es hier viel mehr. Mir wurde klar, dass ich mich an eine sternenreiche Nacht gewöhnen musste, ebenso, wie ich mich daran gewöhnen musste, dass Mutter und Vater nicht bei mir sein würden, egal wie oft ich nach ihnen rufen würde. Ich war auf mich alleine gestellt, und würde ich hier nicht aufgenommen, würde ich trotzdem nicht nach Hause zurückkehren, das war mir klar.
Es lag nicht an meiner Familie oder dass ich mit diesem Leben nicht zufrieden war, sondern es war die Leere des Alltags, die ich nie ertragen konnte. Jeder konnte einem immer sagen, was am nächsten Tag passieren würde. Denn genau dies geschah jeden Tag. Es gab keine Abenteuer oder Träume, die es zu bewältigen oder zu träumen gab. Lediglich das Leben in seiner einfachsten Weise zählte. Und das war es, was mich weggescheucht hatte. Es schien fast so als hätten die Menschen aufgehört, zu leben. Als würden sie nur funktionieren. Keine Hoffnung mehr. Leere.
Ich bin mir nicht sicher, wie lange ich dort gesessen und den Himmel angestarrt hatte. Aber ich musste irgendwann wieder eingenickt sein. Immer noch im Schneidersitz hob ich meinen Kopf. Der Tag brach an. Ich stand auf und wollte sogleich wieder in den Raum zurückgehen, in dem ich nachts aufgewacht war, damit ich bei den frühen Geschäften auf dem Hofe nicht störte. Doch im dämmrigen Licht sah alles rings um mich gleich aus. Ich hatte keine Ahnung, wo ich hin musste. Ich drehte mich ein Paar Mal um mich selbst und gab dann auf. Gerade in diesem Augenblick rief man nach mir. Ich drehte mich um und sah den Jüngling von gestern, der mich nun zu Péristeris' Gemach winkte.
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Die letzte Kriegerin
Historical Fiction"Patroclos mag mir in vielem ein Rätsel sein, aber eines weiss ich: Wenn der Krieg ruft, wird er seine Schreie hören und ihn finden. Und ich werde mit ihm gehen." Eine junge Kriegerin, versteckt in einer Männerrüstung. Ein darunter pochendes Herz, w...