Eine wilkommene Überraschung

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Nachdem ich Christus abgezäumt und gefüttert hatte, trat ich in den menschenleeren Hof hinaus. Da die letzten wärmenden Sonnenstrahlen schon verklungen waren - Patroclos und ich hatten uns länger unterhalten, als gedacht - war das heutige Training zu Ende. So beschloss ich, mich zum Essen zu den anderen zu gesellen.

Doch gerade als ich den Eingang zum Speisegebäude erreicht hatte, stürmten mir die anderen Schüler entgegen. Ich hatte also die Abendmahlzeit verpasst, und es war nicht anzunehmen, dass grosse Reste übriggeblieben waren. Abgenagte Knochen und einige Fleischfetzen auf den Tischen zeugten von einem grossen Mahl.

Obwohl ich von der heutigen Aufregung hungrig war, begab ich mich wie alle anderen in mein Gemach. Vorsichtig legte ich dort mein Gepäck, das lediglich aus einer ledernen Satteltasche sowie meiner Rüstung und den Waffen bestand, vom Bett auf den Boden und streifte mir schnell ein Nachtgewand über, gerade noch rechtzeitig bevor Serafim eintrat. Er blieb kurz stehen und schaute mich überrascht an. Wortlos gab er mir einen Bündel, den er mit sich trug, welchem ich vorher aber keine Beachtung geschenkt hatte. Ich öffnete ihn und fand darin einen kleinen Laib Brot und ein Stück Käse.

„Ich hab dich beim Essen nirgends gesehen, also dachte ich, du hättest wohl noch Hunger", erklärte er sein Mitbringsel.

Ich konnte über seine guten Augen und seine liebe Aufmerksamkeit nur staunen und bedankte mich für die Herrlichkeiten in aller Form. Dann verdrückte ich das Ganze in Windeseile, wischte mir die Brotkrümel vom Mund und legte mich hin.

Obwohl mir bewusst war, dass ich morgen fit sein musste und ein wenig Schlaf gut gebrauchen konnte, redeten wir noch bis in die tiefe Nacht. Im Flüsterton, aber mit viel Elan, rätselten wir, was mich wohl erwarten würde, wie Licius, Iáson und Orféfs - Serafim hatte herausgefunden, wer meine drei anderen Gefährten waren - so waren und wer die anderen Krieger wohl sein mochten. Unsere Spekulationen hörten sich oft wie Kindergeschichten an, worüber wir uns köstlich amüsierten.

Serafim war anfänglich enttäuscht, dass er von anderen Kriegern über unser Vorhaben vernehmen musste und nicht direkt von mir. Nachdem ich mich herzlichst entschuldigt und wir diese heisse Diskussion begonnen hatten, schien das Vertrauen zwischen uns wieder hergestellt, und so rätselten wir weiter. Wir redeten, bis die kleine Kerze, die Serafim am Anfang angezündet hatte, niedergebrannt war, doch auch die Dunkelheit brachte uns nicht zum Schweigen.

Von Patroclos erzählte ich ihm vorerst nichts. Es fühlte sich zu frisch, aber auch zu verletzlich an, als dass ich es auch nur einer Menschenseele hätte anvertrauen wollen. Selbst vor Serafim bewahrte ich mein Geheimnis, obwohl er mich voller Hingabe über den Tod meiner Angehörigen hinwegtröstete. Die Dunkelheit machte uns bald schläfrig, und der Mond dieser Nacht brachte kaum Licht mit sich, so dämmerte ich irgendeinmal ein. Ich war mir dabei ganz sicher, dass Serafim schon vor mir die Welt der Träume betreten hatte, was durch ein leises Schnarchen zu vernehmen war.

Eine etwas zaghafte Berührung an meiner Schulter weckte mich am nächsten Morgen aus meiner wirren Träumerei. Erst war ich etwas erschrocken darüber und spürte den Handdruck auch noch, als die Hand längst weg war. Aber irgendwie kam mir die sanfte Berührung beim Aufwachen auch vertraut vor und erinnerte mich an früher, als ich beinahe jeden Tag so aufgeweckt worden war.

Als ich meine Augen vorsichtig öffnete, blendete mich das Licht, auch wenn es schummrig war und die Sonne wohl kaum schon aufgegangen war. Die Silhouette einer kräftigen Person konnte ich dennoch erkennen. Ich gewöhnte meine Augen gerade an das milchige Licht, als die dazugehörige Stimme flüsterte:

„Die Krieger, die euch auf eure Reise begleiten, wurden am Horizont gesichtet. Du musst aufstehen und dein Pferd satteln, damit du rechtzeitig bereit bist, wenn eben diese eintreffen."

Die letzte KriegerinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt