Vergessen

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"Donnerherz...?"

Ungläubig starrte Mondlicht den roten Kater nahe des Lagereingangs an.

Er war zurück. Nach all dieser Zeit, in der sie hoffen und träumen konnte. Träumen von einer Zukunft mit ihm. Und jetzt, wo er da war... sie musste es ihm endlich sagen, ihm ihre Gefühle gestehen!

Am Rande ihres Blickfeldes nahm Mondlicht eine grau-weiß getigerte Kätzin wahr- Nebelstern war vorgetreten und begrüßte jetzt den Kater.

"Jetzt, nach der Spaltung, sind wir der BlitzClan. Kennst du mich noch? Und Nachtschatten? Damals aus dem LichtClan?"

"Nachtschatten? Nebelstern? Ich erinnere mich!" Donnerherz humpelte freudig auf die Anführerin zu. Jetzt erst wurden die zahllosen Narben und Verletzungen an seinem Körper sichtbar und Mondlicht spürte Besorgnis in ihr aufsteigen.

Einige ihrer Clangefährten kamen jetzt ebenfalls hervor.

"Ich bin Feuerschatten, freut mich!", schnurrte eine orange getigerte junge Kätzin.

"Ich bin Eiswolke." Der langhaarige, graue Krieger neigte den Kopf.

"Die Freude ist ganz auf meiner Seite", erwiderte Donnerherz mit seiner tiefen und zugleich samtigen Stimme. Mondlichts Herz schlug schneller. Ihre Beine wollten ihr auf einmal nicht mehr gehorchen und so blieb sie mit zittrigen Pfoten im hinteren Teil des Lagers stehen, während Donnerherz weiter mit Nebelstern sprach.

"Deine Schwester Nachtschatten ist gerade auf Patroullie", meinte die Kätzin. "Was führt dich zu uns?"

"Der Fluss in unserem Gebiet ist vergiftet worden, aber das ist nicht der einzige Grund, warum ich hier bin... auch wenn ich wünschte, er wäre es", murmelte der rote Streuner.

"So schlimm?" Nebelstern klang ehrlich besorgt. "Lass mich erst einmal deine Wunden ansehen, dann reden wir weiter."

Irgendwie hatte Mondlicht es geschafft, ihre Pfoten aus ihrer Starre zu befreien und ein paar Schritte nach vorne zu gehen. In Richtung Donnerherz.

"Alles gut. Die Wunden sind halb so wild. Aber viele meiner Gefährten aus der Streunergruppe sind an dem vergifteten Wasser gestorben... und der Rest hat mich verstoßen, weil ich euch damals bei dem Kampf gegen die Hunde geholfen habe... deshalb wollte ich euch fragen, ob ihr hier nicht vielleicht noch einen Platz frei habt." Donnerherz blickte zu Boden.

Viele der Katzen murmelten mitfühlende Worte.

Natürlich darfst du bleiben!, hätte Mondlicht am liebsten gejault. Aber es war schlussendlich Nebelsterns Entscheidung.

"Wir haben natürlich einen Platz frei und ich würde mich freuen, wenn du ihn einnehmen würdest. Das mit den Streunern tut mir leid", miaute die Anführerin mitfühlend.

Mondlicht schnurrte vor Glück. Donnerherz würde nun für immer hier bleiben, vielleicht als Gefährte an ihrer Seite!

Eine orangene Kätzin mit weißem Brustfell unterbrach ihre Gedanken, als sie an ihr vorbeistürmte. "Hallo Donnerherz! Ich bin Fuchssturm, kennst du mich noch?"

Donnerherz, umringt von Kriegern und Schülern, die ihn beglückwünschten, sah auf. "Ja, ich denke schon. Fuchssturm." Ein Grinsen schlich sich auf sein Gesicht und Mondlicht spürte einen unangenehmen Stich in ihrem Herzen.

Fuchssturm sah den Kater freudig an. Der lachte und ihre Blicke kreuzten sich, für einen kurzen Moment schien es, als würden sich die beiden Katzen schon ewig kennen.

Na, eifersüchtig? Mondlicht verdrängte die kalte innere Stimme, aber sie konnte ein leises Knurren nicht unterdrücken.

"Wer bist du?"

Die Kätzin schreckte auf. Donnerherz sah sie mit seinen durchdringend dunkelblauen Augen an.

Sie senkte sofort den Blick. Hatte er ihr Verhalten bemerkt? Was, wenn er sie nie wirklich gemocht hatte? Kannte er sie überhaupt noch, sie, Mondlicht, eine von vielen Kätzinnen im BlitzClan? Sie hatten nie viel miteinander zu tun gehabt...

"Du erinnerst dich wahrscheinlich nicht mehr... ich bin Mondlicht."

"Mondlicht... Mondlicht..." Der Kater setzte eine nachdenkliche Miene auf. "Nein, tut mir leid. Ich erinnere mich nicht an dich."

Die Kriegerin zuckte zusammen, als hätte Donnerherz ihr einen tödlichen Hieb verpasst.

"Ich... muss mal raus..."

Sie wirbelte herum und rannte aus dem Lager, ohne einen Blick zurück zu werfen. Tränen brannten in ihren Augen, ihre Pfoten trommelten über den Boden, im Takt ihres Herzschlags.
Wie konnte es jetzt noch schlagen, wo Donnerherz es doch gerade in zwei Hälften gebrochen hatte?

Sie srürmte zur Grenze; ihr Gesicht war von Tränen gezeichnet. Von ihrem Lieblingsplatz auf den Klippen, dort, wo der Wind nur wenige Schwanzlängen entfernt in die Tiefe rauschte, überblickte Mondlicht die Territorien der gespaltenen Clans, die einst vereint waren...

Sie biss die Zähne zusammen, um nicht aufzuheulen vor Kummer. In ihrem Kopf herrschte vollkommene Ruhe, während draußen der Sturm tobte. Nur ein kleiner, doch so schicksalhafter Satz kreiste darin:

Er erinnert sich nicht mehr an mich.

Ich hoffe, euch gefällt es!

Mondlichts HoffnungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt