23. Daumen hoch!

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Ich durfte wieder zur Schule gehen. Yeah! Und was war besser an einem Montagmorgen, als die super tolle Deutschstunde mit der alten Schachtel und natürlich meinen super netten Nachbar, Jake zu verbringen?

Vorfreude!

Heute hatte die alte Schachtel lilafarbigen Nagellack drauf, das aussah, als hätte sie sich ihre Finger wundgehauen.
Jake war zum Glück noch nicht da. Vielleicht schwänzte er? Ich hoffte es.
Ich hatte ihn nicht mehr seit diesem Vorfall gesehen, als er nett gewesen war. Ich war immer noch fest davon überzeugt, dass er irgendein Rauschmittel genommen hatte.

Mit einem Poltern ging die Tür auf und siehe da, Jake. Als wäre er sich keiner Schuld bewusst, spazierte er hinein ohne überhaupt der alten Schachtel Beachtung zu schenken und setzte sich neben mich.
Ich schnappte angeekelt nach Luft, als sein Arm den meinen streifte.

Die Lehrerin ignorierte Jacks Verhalten und machte mit ihren langweiligen Unterricht weiter. Ich verschränkte meine Arme.
Scheiß Jake Glenwell, wieso musste auch gerade sein Vater diese blöde Schule gehören?

„... May Heath?", erschreckte mich das faltige Wesen.
Der Unterschied von ihr und einer faltigen Rosine war, dass die Rosine trotzdem süß war...

„Ähm... Wie bitte?", gestand ich, das ich nicht aufgepasst hatte.
Sie schüttelte frustriert ihren Kopf und ihre Falten vertieften sich.

„Was ist der Unterschied von Hass und Liebe? Jake!", wütete sie los, als sie sah, dass er die Augen geschlossen hatte. Verschlafen streckte er sich und meinte: „Hass und Liebe liegen so nah beieinander, dass man kaum von einen Unterschied sprechen kann."

„Was meinen sie damit?", fragte sie irritiert.
Sie klang irgendwie schockiert.
Weil er aufgepasst hatte oder weil er eine überlegte Antwort gab?
Hmm...

„Nun, weil Hass Liebe ist."
Er kratzte sich am Hinterkopf. Man hörte ihn an, dass ihm dieses Thema nicht behagte. Verlegen rutschte er auf den Stuhl herum.
Ich konnte mir schwer ein schadenfreudiges Lachen verkneifen, das natürlich von der Hexe zur Kenntnis genommen wurde.

„Was gibt es da zu Lachen! Wollen sie es uns definieren, May?"

Ihr stechenden Blick ließ mein Lachen verstummen. Jake schmunzelte!
Und das sah die alte Schachtel natürlich nicht.
Ich verdrehte leicht die Augen und setzte zu einer Antwort an: „Wenn man eine Person hasst, muss diese Person einen ...
wichtig sein, emotional berühren, irgendwie an einem herankommen, um dies sagen zu können."
Ich schluckte schwer. Meine Stimme wurde zum Ende hin immer leiser, ehe sie sich im Raum verlor. Meine Finger waren auf einmal äußerst interessant und ich verschlang sie mit meinen Blicken.
„Sehr gut, May!", lobte sie mich. Ich rang mir ein Lächeln ab.
„Meinten sie das, Jake?", wandte sie sich an ihm, der neben mir starr wie eine Statur dasaß. Was hatte der denn bitte für einen Stock im Arsch?

„Ja", seine Stimme klang belegt.
„Hass ist die stärkste Form der Abneigung, Liebe die stärkste Form der Zuneigung", beendete sie den Unterricht.

Ich war die Erste, die aus den Raum stürzte. Es schnürte mir die Luft ab und erst, als ich auf den Gang stand, konnte ich wieder richtig Luft holen. Ich fuhr mir zittrig durch die Haare, bemühte mich um ein ausdrucksloses Gesicht und brachte die letzten Stunden hinter mich.
———

Es war Mittagspause. Meine Finger verkrampften, als sich die Blondine nicht wie gewohnt an Jakes Arm klammerte und ihn lächerlich von unten herab vergötterte. Nein, sie bohrte ihm ihre spitzen gemachten Fingernägel in die Brust, wobei bestimmt kleine Löcher in seinen teuren Hemd entstanden.

Als wäre das sein geringstes Problem.

Sein linkes Auge war blau! Von der Augenbraue beginnend bis zum Nasenflügel!
Ich holte erschrocken Luft und scannte ihn weiter ab. Gebräunte Arme, wuschelige Frisur.
Keine weiteren Verletzungen.

Jake packte Barbies Hand, als sie ihn noch mal schubsen wollte. Er zuckte zusammen.
Warte, wieso zuckte er zusammen?
An sein Handrücken klebte getrocknetes Blut!
Es sah schrecklich aus.
Irgendwie tat er mir leid.
Ich schüttelte heftig den Kopf, als ich merkte, was ich gerade gedacht hatte...
Es war toll, dass er mal zur Rechenschaft gezogen wurde! Wer auch immer ihn so zugerichtet hatte, er hatte es bestimmt verdient!

Er tat mir doch nicht leid! Nein, nein und wieder nein! Ich Hohlbirne.

Ich würde diese Person gerne kennenlernen, die ihm eine verpasst hatte.
Wann war das überhaupt geschehen? Vor Unterrichtsbeginn definitiv nicht, in Deutsch war er noch so unversichert wie ein Babypopo gewesen.

Barbies Blick loderte traurig, sie entzog ihm seine Hand und schrie: „Jetzt hast du mich verloren, Arschloch!"
Wie konnten einem solche Worte so befriedigen? Als würde ich in warmer Schokolade schwimmen.... Himmlisch.
Vielleicht war sie doch gar nicht so schlimm, wie ich gedacht hatte.

Jake, der immer noch auf seinen Stuhl saß, sprang auf und guckte sie von oben herab an. Ängstlich zog sie ihre Schultern zusammen und betrachtete nun scheu seine schwarzen Schuhe. Nichts war von der aggressiven Furie mehr übrig. Schade.

Gelangweilt widmete ich mich wieder meinem Essen.

Als ein hoher Schrei ertönte, blickte ich wieder zu den blonden Geschöpf und musste kichern, als Jake auf dem Boden lag. Was auch immer er gesagt hatte, danke dafür!
Sie hatte ihn gestoßen und er war tatsächlich hingefallen. Ich lachte schon wie eine Irre und musste meine Faust auf meine Lippen drücken, damit niemand meinen kleinen Ausbruch bemerkte.

Die Blondine guckte ihn noch einmal bösartig an, drehte sich um und stolzierte davon, wie ein Model auf den Catwalk. Lüstern klatschte ich heimlich unter den Tisch.

Wieso ging sie denn schon?

Auf einmal drehte sich die Blondine in meine Richtung, zeigte mit ihren  3 cm langen Fingernägeln auf mich und knurrte: „Denke ja nicht, dass du ungeschoren davon kommst!"
Ich wollte gerade den Daumen hochhalten, da realisierte ich, was sie gesagt hatte.

Warte mal, was?

Es überraschte mich so sehr, dass in mein Hirn komplette Leere herrschte.
Und so hatte sie das letzte Wort.

Alle sahen nun wieder mich an. Ich war es eigentlich gewöhnt, aber trotzdem verunsicherte es mich und ich würde am liebsten im Erdboden versinken. Heute war es sowieso seltsam gewesen. Ich meine, heute klebten ihre Augen an mir, wie ein Kaugummi am Boden...

Womit ich das wieder verdiente?

Also motzte ich: „Was glotzt ihr so? Ist ja wohl keine Reality Show!"
Wohl der schlechteste Spruch, den ich kannte. Naja, mein Denkvermögen war beeinträchtigt. Ich war gereizt und gestresst und ich hatte meine Tage!
Und war verwirrt, mehr als nur verwirrt.

„Sich verwirrt zu fühlen, ist die Aufgabe des Wissens", erinnerte ich mich an die Worte eines weisen Mannes.

Barbies Gesicht huschte in meine Gedankenwelt. Rotunterlaufene Augen, bleiches Gesicht, verschmierte Schminke. Sie hatte geweint und ich war Schuld daran...

Was hatte ich damit zutun?
Was hatte Jake nur wieder angerichtet?

Der Herr klopfte sich gerade seine Hose ab und setzte sich wieder hin. Als wäre nichts gewesen, lachte er wegen irgendwas.
Mit dem hatte ich noch ein ziemlich beflügeltes Hühnchen zu rupfen. Griesgrämig starrte ich auf seinen muskulösen Rücken und schnitt brutal mein Steak auseinander.
Da tippte mich jemand zaghaft an.
Ich drehte mich um und erstarrte.
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+Worüber haben sich Barbie und Ken wohl gestritten?
+Was hat May damit zutun?
+Wer tippte sie an?
Es werden jetzt wieder mehr Updates kommen.;)
Fühlt euch gedrückt.💕

-Ary

Touched /abgeschlossenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt