Lost

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-June's Sicht-

Ich tauche in völliger Dunkelheit wieder auf. Ich bin appariert, doch ich weiß nicht wohin. Ich wollte einfach verschwinden und vor meinem Peiniger fliehen. Dieser fremde Zauberstab hat mich an einen unbekannten Ort gebracht. Ich wollte nach Hause, doch er hat mir diesen Wunsch nicht erfüllt. Er gehorcht mir nicht.

Verwirrung mischt sich unter die Schmerzen, welche von der Wunde an meinen Kopf ausgehen. Ich spüre die warme, beinahe schwüle Luft. Meine Kleidung klebt nach einigen Augenblicken bereits unangenehm am Körper. Ich bin an einen Ort geraten bei dem die Luftfeuchtigkeit spürbar höher ist. Ich muss im Süden gelandet sein, denke ich. Ich streife den verdreckten Pullover ab und lasse ihn achtlos zu Boden fallen.

Der Mond steht heute nicht am Himmel. Ich habe keinerlei Lichtquelle, die mir preisgibt wo ich mich befinde. „Lumos", flüsterte ich und der Zauberstab erhellt mein Sichtfeld. Ich blicke mich um, erkenne Baumstämme um mich herum. Einen dichten Wald, vielfältig und still. Wo bin ich? Was soll ich tun?

Mit der Spitze meines einst weißen Turnschuhes schiebe ich ein paar der gelblichen Blätter auf dem Boden zur Seite. Ich bin ratlos. Der Duft nach Dreck, Moos und Pilzen entspannt mich etwas und lässt mich schläfrig werden. Ich will mich hinlegen, mich ausruhen, nur kurz. Im schwachen Licht mache ich mich auf die Suche nach einem geeigneten Schlafplatz , den ich nach kurzer Zeit, vor zwei großen Gesteinsbrocken finde.

Knisternd bette ich meinen Kopf auf einem Haufen trockener Blätter. Nox. Dunkelheit umgibt ich erneut. Ich starre sie an. Ich höre nur meinen Atem. Ich denke an das Erlebte. Nach einiger Zeit schließen sich meine Lieder. Doch etwas lässt mich wieder hochschrecken.

Ich kann es nicht deuten. Diese Geräusch. So nah, so laut, so bedrohlich, unmittelbar vor mir. Es richtet sich gegen mich. Zuerst dachte ich an das Knurren eines Hundes. Sofort stelle ich mir die scharfen Zähne vor. Doch es ist kein Hund, kein Wolf, kein Raubtier dieser Größe, denn das Knurren ist so tief dass es in meinen Ohren dröhnt und meine Lungen zum vibrieren bringt. Wo bin ich?

Panisch drücke ich mich mit dem Rücken gegen das harte Gestein. Ich halte den Zauberstab auf die Quelle des Knurrens gerichtet. Ich halte ihn so krampfhaft fest, das ich befürchte ihn zu zerbrechen. Den Atem halte ich an. Meine Augen sind panisch aufgerissen. Ich bewege mich nicht mehr. Vielleicht sieht mich dieses Ding nicht. Vielleicht lässt es von mir ab. Doch ich habe mich geirrt.

Zuerst spüre ich eine unangenehm feuchte Hitze auf meinen Gesicht und den nackten Armen. Danach hängt mir ein widerlicher Geruch in der Nase, nach Verwesung, nach Tod. Er widert mich an und jagt mir höllische Angst ein. Ich schließe die Augen. Ich wage es nicht Licht zu entfachen. Ich will meinem Tod nicht ins Auge blicken, doch er bewegt sich auf mich zu. Er kommt mir entgegen. Er kann mich riechen.  Ich spüre den massigen Körper auf dem Waldboden. Ich spüre, wie er sich auf mich zubewegt um mich zu erlösen.

Als ich die Augen öffne sehe ich etwas, was ich nie zuvor gesehen habe. Ich habe davon gehört, darüber gelesen und ich weiß, dass dies mein Tod ist. Ich sehe eine Fratze. Unzählige riesige Zähne, die wie Dolche glänzen, die mich zerteilen werden. Es wirkt wie ein unheimliches Lächeln in der Dunkelheit. Rötliches Licht erhellt mein Gesicht und ich spüre die Hitze. Feuer. Ein Drache. Der Kopf ist größer als mein gesamter Körper. In dem zarten Licht sehe ich die Augen mit den schmalen Pupillen, welche direkt auf mich gerichtet sind. Ich sehe die riesigen Schuppen, die dieses Geschöpf wie ein Panzer schützt. Den Dampf, der aus den riesigen Nüstern schlägt und mir heiß über das Gesicht streift.

Ich blinzle, als das zarte Licht stärker wird. Ich halte die Hand vor mein Gesicht, da die Hitze sich in meine Haut zu brennen scheint. Doch den Blick kann ich nicht abwenden. Die kräftigen Kiefer heben sich von einander ab. Ich schaue nun direkt in den Schlund des Drachens. Ich sehe die Flamme, die das Licht erzeugt, in der Kehle flackern. Die schleimige Zunge windet sich im übel riechenden Speichel. Ein weiteres Geräusch löst mich endgültig aus meiner Starre.

Der Drache holt Luft. Ich spüre es. Ich sehe wie sich sein Körper etwas ausdehnt. Er setzt zum Angriff an. Hastig kämpfe ich mich auf die Beine. Ich stürzte zur Seite. Geschockt sehe ich, wie eine kräftige Stichflamme aus dem Schlund des Drachens stößt. Das Geräusch ist ohrenbetäubend, die Hitze droht meine Kleider zu verbrennen, sie verdrängt den Sauerstoff um mich herum. Es schmerzt mich zu atmen.

Ich krieche hinter die Gesteinsbrocken, doch sicher fühle ich mich nicht. Ich bin verloren. Ich bin bereits tot. Was soll ich tun? Ich halte den Zauberstab in beiden Händen. Er ist beinahe nutzlos für mich. Ich kann gegen den Drachen nichts ausrichten. Ich weiß nicht wie. Ich höre das Wesen hinter mir. Es kommt näher. Ich bin hier nicht sicher.

Erneut erhellen die kräftigen Flammen den dunklen Wald. Wie Wellen des Meeres  schlagen sie an das Gestein hinter mir und strömen im hohen Bogen über mich hinweg. Ich blicke nach oben und betrachte den Tanz dieses gefährlichen Elementes. So schnell, wie die Flammen kamen sind sie wieder erloschen. Meine Chance. Ich springe auf und renne blind durch die Dunkelheit. Ich renne davon.

Hinter einem riesigen Baumstamm finde ich ein neues Versteck. Ich presse meinen Oberkörper fest an das Holz. Meine zittrigen Finger fahren über die raue Rinde. Ich spähe zurück zu dem Wesen und halte den Atem an. Der Drache scheint nach mir zu suchen. Er erleuchtet wieder schwach den Waldboden. Er nimmt meine Witterung auf. Kriecht über die Gesteinsbrocken, die unter seinem Gewicht lautstark zerbrechen. Ich schlucke . Und verkrieche mich hinter meinem leicht brennbarem Versteck.

Es dauert nicht lang bis sich der riesige Kopf in mein Sichtfeld schiebt und meine Knie vor Angst anfangen zu zittern. Ich sehe das riesige Auge, wie es langsam und hörbar blinzelte, als es meine Gestalt wahrnimmt. Betäubt schleudere ich einen Schockzauber in die Richtung des Kopfes und treffe genau das Auge, welches mich eben noch beobachtet hat.

Der Schrei, das Brüllen des Drachen ist so laut, dass ich mit den Händen auf die Ohren gepresst auf die Knie sinke und mir wünsche ich wäre wieder dort wo ich hergekommen bin.

Wie habe ich es nur geschafft mich in diese Lage zu bringen?

Forest of DragonsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt