Discovery

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-Charlie's Sicht-

Es dauert nicht lang, bis wir das Gehege erreicht haben. Routiniert teilt Chris uns in Zweier Teams ein. Wir brechen auf. Wir müssen im Team agieren. Sicher sind ein dutzend Schockzauber nötig um Norberta ruhigzustellen.

Ich bekomme Dan an meine Seite und wir dringen durch den dichten Wald zu Norberta vor. Ich spüre ihre Präsens, ich höre ihren riesigen Körper auf dem vertrockneten Waldboden. Sie ist nicht mehr weit entfernt. Ich sporne Dan weiter an und versuche im schwachen Licht unserer Zauberstäbe nicht die Orientierung zu verlieren. Der Plan von Chris muss aufgehen.

Ich kneife die Augen zusammen, als die riesigen Feuermassen die Dunkelheit zerreißen. Norberta ist vielleicht noch zwanzig Meter von uns entfernt. Sie ist so nahe, dass die Hitze des Feuers deutlich zu spüren ist. Zügig schreiten wir voran.  Wir erklimmen einen kleinen Hügel um uns in Position zu bringen, doch plötzlich halte ich inne.

"Warte!", flüstere ich zu Dan und ergreife den Kragen seines Shirts um ihn zum Anhalten zu bringen.

Ich sehe eine Frau. Eine hilflose Frau, deren zarte Gestalt so zerbrechlich im flackernden Licht, welches aus Norberta's Kehle kommt, leuchtet. Innerlich flehe ich nach dem Signal von Chris, dem Signal zum Angriff. Ich denke daran diese Frau vor dem sicheren Tod zu bewahren, egal was sie hier zu suchen hat, denn die Todesangst kann man ihr auch aus dieser Entfernung deutlich ansehen.

Ich hebe den Zauberstab, ich halte mich bereit. Doch das Signal ertönt nicht. Die Anderen sind noch nicht in Position. Beeilt euch, denke ich panisch, als ich sehe wie Norberta zum Angriff ansetzt. Doch nichts passiert. Mein Körper bebt und ich halte meinem Zauberstab auf Norberta gerichtet, doch ich darf nicht handeln. Das Wohl der Mehrheit hat Vorrang. Ich darf nicht einschreiten, die Gefahr ist zu groß. Ich darf das Team nicht gefährden.

Entsetzt blicke ich zu der Frau. Mit geschlossenen Augen streckt sie zitternd ihre Hand aus. Es wirkt fast, als wolle sie Norberta beruhigen, doch es ist zu spät.

Ich stürze mich auf Dan, als die Feuermassen auf sie niedergehen, sodass er bäuchlings zu Boden fällt. Ich drücke seinen Kopf in das weiche Laub. Ich presse meine Hände an seine Ohren. Ich will verhindern, dass er es mit ansieht. Ich will verhindern, dass er sie schreien hört. Ich will dass ihm dass erspart bleibt, was ich gerade erlebe.

Ihr Schrei ist kurz und schrill, doch voller Leid und Schmerz. Ich kneife die Augen zusammen, versuche es nicht an mich heran zu lassen. Doch es ist wohl dass Schrecklichste, was ich je erlebt habe. Ich habe gehofft in meiner gesamten Laufbahn nie den Tod eines anderen Menschen miterleben zu müssen. Doch dass Dan es nicht erleben muss ist mir bei weitem wichtiger. Er ist noch jung, zu jung um mit so etwas konfrontiert zu werden. Ich will ihm diese Erfahrung ersparen.

Zögerlich öffne ich die Augen und entferne mich etwas von Dan, welcher stark zitternd unter mir liegt. Hastig nehmen seine Händen den Platz Meiner ein, als ich sie entferne. Er murmelt Worte, die ich nicht verstehe.

Ich stehe auf und blicke auf das Geschehene vor mir.  Ich sehe Feuer, höre das Rauschen dieses gefährlichen Elementes und sehe wie die dunkel schimmernde Gestalt der Frau in den Feuermassen zusammensackt. Ich vermeide es zu atmen, denn ich kenne den Geruch verbrennendem Fleisches gut genug und weiß dass er abscheulich ist.

Es dauert einen Moment bevor ich das Signal zum Angriff warnehme. Der schrille und laute Pfiff, der nur von Chris stammen kann zieht ebenfalls Norberta's Aufmerksamkeit auf sich. Die Flammen erlöschen, sie wendet sich von ihrem Opfer ab und späht nach dem Nächsten. Sie späht nach uns.

Krampfhaft vermeide ich es auf die verkohlte Stelle zu blicken. Wütend, weil ich ihr nicht helfen konnte, feuere ich mit aller Kraft meinen Zauber auf Norberta. Unzählige blaue Blitze zucken durch die dicht aneinander gereihten Baumstämme hindurch und treffen Norberta. Sie wird unruhig, dreht sich um sich selbst und beginnt zu brüllen. Doch dann zeigen die Zauber ihre Wirkung und sie sackt zusammen. Die Gefahr ist gebannt, doch aufatmen kann ich nicht.

Ich ziehe kräftig an Dan's Shirt und drehe ihn auf den Rücken . Panisch blickt er mich an und zieht nur langsam die Hände von seinen Ohren. Ich biete ihm meine Hand an und helfe ihm auf die Beine. Er ist blass und beginnt zu schwanken.

"Beruihge dich!", sage ich atemlos zu ihm. Seine Augen sind glasig und mit leicht geöffneten Mund starrt er mich an.

"Geh zu Chris und schicke ihn zu mir!",befehle ich ihm und stoße in die Richtung aus der wir kamen. Dan beginnt zu nicken. Hastig geht er davon. Erst als ich ihn nicht mehr sehe wende ich mich ab und gehe näher an den Ort, an dem die junge Frau starb, heran.

Das Knistern meiner Schritte auf dem Waldboden ist in diesem Moment ohrenbetäubend laut. Mein Blick huscht immer wieder zu Norberta, die ganz in der Nähe liegt und in einen tiefen Schlaf gefallen ist. Es ist immer merkwürdig so nah an einem solchen Wesen vorbei zu laufen. Sicher fühle ich mich nicht.

Verwundert richte ich das Licht meines Zauberstabes Richtung Boden. Ich bin auf etwas getreten, es ist weich und gibt stark nach. Ich hebe es auf und betrachte es näher. Ein Pullover, alt und verdreckt. Ob er ihr gehörte?

Ich schlucke, als ich mich genauer umsehe. Alles ist schwarz, verbrannt und tot. Kleine Flammen tanzen hier und da über den Boden. Ich ersticke sie mit den Sohlen meiner Stiefel, bevor sie sich ausbreiten können. Rauch steigt mir unangenehm in die Nase und bringt mich zum Husten. Ich habe Angst. Ob ich ihre Leiche finden werde? Oder laufe ich bereits durch ihre Asche?

Abrupt bleibe ich stehen und halte den Atem an. Ich kann es nicht glauben. Es kann nicht sein, nicht bei dem was ich gesehen habe. Ich beginne zu zittern und mein Magen verkrampft sich. Ich gehe langsam weiter.  Das bläuliche Licht erhellt sie.

Ihre Haut wirkt weiß und rein wie Porzellan. Die Frau blickt mir entgegen. Sie ist unversehrt, lebendig und nackt.

Wie kann das sein?

Forest of DragonsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt