Fire

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- Charlie's Sicht  -

Wir hören es, jeder Einzelne von uns. Diesen markerschütternden Schrei, der einem das Blut in den Adern gefrieren lässt. Der Schrei eines Drachen. Wir stoppen in unseren Bewegungen.Einigen fällt das Besteck hörbar auf die geschundene Tischplatte. Schockierte Blicke werden, in der plötzlich still gewordenen Runde, ausgetauscht. Meine Augen wandernd sofort zu Chris in der Hoffnung er könnte uns eine Antwort auf das, was da draußen vor sich geht, geben. Dieser ist jedoch angestrengt damit beschäftigt, das große Stück Fleisch, welches er sich zuvor in den Mund geschoben hatte zu schlucken. Sein Gesicht wird rot und eine Ader tritt auf seiner Stirn, mit dem hohen Haaransatz, hervor. Was wenn er erstickt? Ohne unsern Chef sind wir geliefert.

Der dumpfe Schlag auf den Rücken, welchem ihn seine rechte Hand Adam verpasst, lässt ihn wieder frei atmen. Das Stück Fleisch scheint die Speiseröhre hinab zu rutschen und macht nun Platz für seine Befehle.

“Tom,Dan,Charlie, Robert, Adam, ihr folgt mir! Die Anderen sehen sich bei den restlichen Gehegen um! Haltet sie übliche Vorgehensweise ein! Beruhigt die Tiere und haltet Ausschau nach Wilderern!Das hat nichts Gutes zu bedeuten Männer!“, bellt Chris über unsere Köpfe hinweg.

Das Scharren der Stühle auf dem Holzboden zerreißt die plötzlich eingetretene Stille und in dem großen Gemeinschaftsraum herrscht nun ein reges Treiben . Keiner spricht miteinander. Alle machen sich dazu bereit die Befehle des Chef‘s auszuführen.

Wir treten ins Freie . Die Hitze an diesem Abend wirkt beinahe unerträglich. Wir Fünf scharen uns um Chris, welcher mit den Augen aufgeregt die Umgebung abscannt und zu überprüfen scheint ob die restlichen Männer ihre Arbeit erledigen. Seine Finger fahren nervös durch seinen langen, gräulich verfärbten Bart. Weiß er was da vor sich geht? Warum brechen wir nicht sofort auf? Wir wissen alle, welcher Drache diesen Schrei ausgestoßen hat.

Ich wende meinen Blick erst dann von Chris ab als ich spüre, dass mir Dan kräftig mit dem Ellenbogen in die Rippen stößt. Dan ist neu, unerfahren, unvorsichtig und unkonzentriert. Chris macht einen Fehler, ihn bei einem solchen Ausnahmezustand dabei zu haben. Verwirrt wende ich mich ihm zu und sehe, wie er mit weit aufgerissenem Mund an Chris und mir vorbei starrt. Meine Augen wandern zu der Stelle die er fixiert und mir bleibt der Atem weg.
Bei Merlin.Norberta.

Über den Kronen , der uralten Bäume ist es zu sehen. Feuer. Ein riesiges Flammenmeer. Es erhellt die Dunkelheit. So etwas habe ich noch nie gesehen. Die Worte von Chris scheinen sich zu bewahrheiten. Das hat nichts Gutes zu bedeuten.
“Los!“,brummt Chris und wir setzen uns in Bewegung. Die Angst haftet an mir und auch die Anderen wirken angespannt. Ein Norwegischer Stachelbuckel. Aggressiv, unberechenbar und wütend noch dazu. Hoffentlich geht Alles gut.

-June’s Sicht-

Der Schrei scheint nicht zu verstummen. Ich presse meine Hände immer fester an die Ohren. Ich kauere mich immer weiter zusammen. Plötzlich wird es still . Ich muss verschwinden. So weit weg von diesem Tier, wie nur möglich. Hastig richte ich mich auf. Lumos. Licht. Ich brauche es. Ich muss sehen. Ich muss entkommen.
Geschockt blicke ich auf den großen Kopf der nun schwach erleuchtet wird. Das Auge wird vom Lied geschützt. Blut sickert dickflüssig und schwarz aus der Wunde, die ich herbei geführt habe. Der Drache zieht wie ein Hund die Lefzen hoch. Er zeigt seine Zähne erneut und knurrt. Ich springe zur Seite als sich der lange, muskelbepackte Hals in meine Richtung bewegt.

Krachend trifft er auf den Baum, der eben noch zu meinem Schutz diente. Ich taumle nach hinten und verliere das Gleichgewicht. Unsanft schlage ich auf dem Boden auf. Ich versuche mich vor den umherfliegenden Holzsplittern zu schützen. Mit den Händen vor dem Gesicht liege ich nun auf dem Rücken. Schmerzen zucken durch meine Glieder. Den Zauberstab habe ich verloren. Ich bin so gut wie tot.
Knarzend fällt der riesige Baum zu Boden und erschüttert ihn spürbar. Der Drache hat ihn gefällt. Er muss mich nur knapp verfehlt haben.

Erneut strömen aus dem Schlund des Tieres riesige Feuermassen. Wie eine Demonstration seiner tötlichen Kräfte lässt er sie gen Himmel fahren. Der Drache findet mich schnell und verliert keine Zeit. Er wird mich töten. Kräftig schiebt er seinen massigen Körper über den Waldboden. Die riesigen Krallen scharren laut und furchteinflößend.  Ich schwitze am ganzen Körper und verspüre eine Angst, wie noch nie zuvor in meinen Leben. Noch nie habe ich mich so schrecklich gefühlt.
Der Drache kommt immer näher. Sein Maul ist leicht geöffnet und die kleine Flamme, welche in seiner Kehle tanzt erinnert mich an eine Kerze an Weihnachten. So schön, doch schon damals habe ich mich an der Flamme verbrannt und gespürt welche Schmerzen es verursacht.  Werde ich lang leiden, bevor ich sterbe? Werde ich riechen, wie mein eigenes Fleisch verbrennt?

Ich stütze mich auf den Armen ab und blicke den Drachen im flackernden Licht direkt an. Sein unverletztes Auge ist starr auf mich gerichtet. Die Bosheit glänzt darin. Ob solche Wesen Gnade walten lassen? Können sie zwischen Feind und Freund unterscheiden?
Nein.

Ich kneife die Augen zusammen und halte den Talisman fest umschlossen, den mein Vater mir einst gab. Er sollte mich vor allem Bösen beschützen, hieß es. Doch die letzten Jahre zeigten mir das Gegenteil.

Ich höre wie der Drache erneut die Luft einzieht. Wie er erneut zum Angriff ansetzt und ich spüre den Schmerz an meinem Finger, als ich ihn einst in die Flamme hielt und er schwarz vom Ruß wurde. Keiner wird mich finden. Ein kleiner Haufen Asche wird übrig bleiben, mehr nicht. So schnell ist mein Leben vorbei.

In einer letzten sinnlosen Geste des Selbstschutzes strecke ich meine Hand vor mir aus. Im nächsten Moment schon strömen die Flammen tosend und heiß auf mich ein. Ein letzter Schrei entweicht meiner Kehle.

Das war‘s.

Forest of DragonsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt