Firewhisky

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-Charlie's Sicht-

Klirrend stellt Chris drei aufwendig gearbeitete Gläser vor uns auf seinem Schreibtisch ab. Nach und nach schenkt er in jedes der Gläser einen großzügigen schluck Feuerwhisky ein. Begierig greife ich nach dem Glas mit der rotbraunen Flüssigkeit und führe es, ohne zu zögern, an meine Lippen. Meine Hand zittert stark und lässt den Whisky in meinem Glas kleine Wellen schlagen. Mit einem Schluck habe ich den edlen Tropfen, den Chris stets für besondere Anlässe aufbewahrt, hinunter geschüttet. Heiß und intensiv läuft er meine Kehle hinab. Wie ein kleines Feuer, in meinem Inneren, wärmt er mich. Das Zittern verschwindet jedoch nicht.  Seufzend stelle ich das Glas auf den Tisch. Chris schenkt mir sofort nach und ich kann die intensiven Blicke der beiden Männer deutlich auf mir spüren, als ich das Glas erneut leere.

Meine Handflächen wandern fahrig über mein Gesicht auf dem sich kalter Schweiß gebildet hat. Kraftlos lasse ich mich auf einen der Stühle nieder. Ich stütze meine Ellenbogen auf die Oberschenkel und vergrabe mein Gesicht in den Händen. Meine Augen nehmen die sanfte Dunkelheit war und plötzlich sehe ich die Frau erneut vor mir. Ich sehe Norberta, das Feuer und ich spüre erneut meine Angst. Diese Angst, die ich verspürte als ich sie entdeckte und ich wusste dass ich ihr nicht helfen konnte. Dieses ungute Gefühl tief in mir als ich spürte, dass sie sterben wird. Panisch reiße ich die Hände von meinem Gesicht und lehne mich in dem Stuhl weit nach hinten. Immer mehr kommt mir diese Situation wie ein schlimmer Alptraum vor. Ich sehe sie, rein und unversehrt. Unberührt und unwirklich. Ich wäre glücklich, wenn sich der nebulöse Schleier des Alkohols endlich erlösend über meine Gedanken legen würde.

Chris und Adam haben ebenfalls platzgenommen. Benommen sehe ich zu Chris, welcher seine muskulösen Arme auf dem Tisch abgestützt hat und sich in regelmäßigen Abständen mit den Fingern durch den langen Bart fahrt. Sein Glas ist ebenfalls gelehrt, doch sein Blick ist klar und scharfsinnig auf mich gerichtet. Er will Antworten. Doch ich bin mir nicht sicher, ob ich ihm diese geben kann. Wie kann ich den Beiden von dieser Begegnung erzählen ohne sie unglaubwürdig erscheinen zu lassen?  Es ist unmöglich.

„ Chris? Bist du sicher, dass wir sie so einfach bei uns lassen können? Wollen wir das Ministerium nicht doch informieren?", fragt Adam plötzlich an Chris gewandt. Dessen Augen richten sich nun auf den Mann, der um einige Jahre jünger ist als er selbst, doch ebenfalls einen Vollbart trägt.

„ Lassen wir vorerst außer Acht, was sie vorhatte, aber irgendwoher hat sie unseren Standort erfahren und sich irgendwie Zugang in das Gehege verschafft. Allein daran hätte das Ministerium großes Interesse. Wenn du mich fragst, dann hat sie es geplant.", fügt er hinzu, als Chris ihn bei diesen Worten eindringlich mustert.

„Womöglich hast du Recht damit. Vorerst halten wir die Füße still und warten, was sie zu sagen hat. Wenn es aus irgendwelche Gründen nötig sein sollte ziehen wir das Ministerium hinzu.", antwortet Chris und sieht wieder eindringlich zu mir.

Ich höre, was die beiden Männer sagen. Dumpf und wie durch Watte dringen diese Worte an meine Ohren. Was wird es auslösen, wenn ich ihnen erzähle, was ich sah?

„Jedenfalls sollte sie nicht hier sein!", sagt Adam und schüttet den letzten schluck seines Whiskys hinunter. Die Worte des Blonden treffen mich wie ein Blitzschlag. Meine Haltung spannt sich an, meine Hände ballen sich zu Fäusten und mein Körper erhebt sich aus der zusammengesunkenen Haltung vom Stuhl.

„Damit hast du vollkommen Recht, Adam! Sie sollte nicht hier sein, weil sie eigentlich tot sein müsste!", rutscht es plötzlich über meine Lippen. Die beiden Männer rätseln, was diese Frau hier zu suchen hat. Sicher überlegen sie sich bereits eine Vorgehensweise, um sie zu befragen. Es macht mich wütend. Sie haben nicht gesehen, was ich gesehen habe. Diese Angst, diese Panik. Sie hatte weder spezielle Wurfnetze, geschweige denn einen Zauberstab bei sich. Wer professionell wildert oder spioniert müsste zumindest vorbereitet sein, doch sie war es nicht. Sie wirkte so fehl am Platz. Fast so, als hätte sie Jemand zum sterben dort ausgesetzt und sie ihrem Schicksal überlassen. Sie ist tot und doch trug ich sie lebendig in meinen Armen.

„Wie bitte?", vernehme ich nun Adams tiefe Stimme neben mir.

Ich höre, wie der Korken erneut aus dem Flaschenhals gezogen wird und blicke kurz darauf auf mein Glas, welches erneut mit Feuerwhisky gefüllt wird. Chris schiebt es mir zu. Langsam, Stück für Stück scharrt das Glas leise über den Tisch. Chris sieht mir dabei fest in die Augen. Die Neugierde, die von ihm ausgestrahlt wird ist beinahe greifbar.

„Was meinst du damit Charlie?", hakt Chris beharrlich nach und erhebt sich nun ebenfalls von seinem Platz. Bedrohlich und bärenartig baut sich seine Gestalt vor mir auf. Ich schlucke. Wenn sie mir das Geschehene nicht glauben, was werden sie dann tun?

„Sie starb vor meinen Augen! Norberta hat sie getötet!", sage ich wahrheitsgemäß und sehe abwartend zwischen den beiden Männern hin und her. Die Mimik des Chefs ist wie versteinert, während ich von Adam nur ein verächtliches Schnauben vernehmen kann.

„ Charlie, du...",  beginnt Adam, doch er wird unterbrochen.

Die große Pranke des Chefs knallt lautstark auf die Tischplatte. Die Gläser vibrieren klirrend, durch die ausgeübte Kraft. Ich denke im ersten Moment, diese Geste der offensichtlichen Wut gilt mir, doch da sein Blick auf Adam gerichtet ist löse ich mich etwas aus meiner Starre.

„Hol Dan!", befiehlt Chris seiner rechten Hand. Adam verschwindet ohne ein weiteres Wort des Wiederstandes und kommt einige Augenblicke später mit Dan im Schlepptau zurück. Der junge Mann mit dem schwarzen Haar sieht aus, als wäre er furchtbar krank. Die Haut hat einen ungesunden Farbton angenommen und einzelne Strähnen kleben ihm verschwitzt auf der Stirn. Schwankend begibt er sich zu einem Stuhl und setzt sich mit zitternden Knien darauf.

Chris schreitet um seinen Schreibtisch herum. Er bettet seine große Hand auf meiner rechten Schulter und drückt mich wortlos auf meinen Stuhl zurück. Mit den Armen vor der breiten Brust verschränkt lehnt er sich gegen den Tisch und sieht abwechselnd zu mir und Dan.

„Erzählt!", befiehlt er.

Bereitwillig berichte ich, was genau Dan und ich im Wald zu sehen bekamen.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jun 24, 2019 ⏰

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