Kissing you feels like summer rain (Bd.1)✔️

6~ Mondschein und Jane Austen

Sommer 2019

Chloe

Die Jungs liefern uns um Acht vor dem Hotel ab. Vorsichtshalber bleiben sie zehn Meter weiter vorne stehen.
„Merci", sagt Stella schnell und springt aus dem Auto.
Ich grinse. Die hat es aber eilig.
„De rien", Mewen gibt mir einen Zettel mit seiner Nummer, den ich in meine Jeanstasche stecke.
Der Joint benebelt komplett meine Gedanken. Justine und Lucie geht es wohl genau so.
Sobald die Jungs weg sind, gehen wir möglichst lässig auf das Hotel zu.
Es ist weiß gestrichen und hat eine rote Markise. Es ist ziemlich hübsch.
Doch sobald wir vor dem Eingang stehenbleiben, dreht sich Stella besorgt zu uns um.
Ihre langen Haare faszinieren mich immer noch.
„Was jetzt?"
Ich wünschte ich hätte den Joint nicht genommen. Was, wenn wir zurück nach Le Havre geschickt werden ?
„Das schaffen wir, Miss Street Art", versuche ich, sie zu beruhigen.
Ihre rote Sonnenbrille klemmt immer noch in ihren Haaren.
„D'accord. On y va."
Ihre Stimme klingt dünn.
Trotzdem drückt sie die Tür auf und wir betreten unser neues Zuhause für zwei Wochen. Zu spät und völlig high.
Perfekter jour un.
Das Hotel ist innen marineblau gestrichen und maritim eingerichtet.
Kleine Lampen an der Decke tauchen den Raum in gemütliches Licht.
„Bonsoir ? ", begrüßt uns eine zierliche, ältere Frau.
„Bonsoir, nous sommes Chloe Bonnet,
Justine Cheyère, Lucie Muller et Stella ? "
„Fontaine", ergänzt Stella.
Sofort ruft die Dame jemanden an und kurze Zeit später trampelt Madame Lumière die Treppe herunter. Sie sieht stinksauer aus.
„Habt ihr sie noch alle? Eine Stunde zu spät? Nicht einmal ans Handy seid ihr gegangen!"
Kleinlaut versuche ich, eine Entschuldigung zu formulieren, was Madame Lumière nicht gerade besänftigt.
„Euch ist klar, dass mein Vertrauen in euch missbraucht ist. Ihr habt gegen meine Erlaubnis gehandelt."
Mittlerweile hat sich fast die ganze Reisegruppe um uns herum versammelt. Nina kichert mit Eliane.
Stella entschuldigt sich mehrmals und gibt knappe Antworten.
Ich versuche, mich im Hintergrund zu halten.
Es ist verdammt schwer, mir nicht anmerken zu lassen, dass ich high bin. Aber ich mache das in Le Havre so oft, dass ich es bereits trainiert habe. Madame winkt irgendwann ab.
„Morgen früh Küchendienst. Bettruhe um zehn. Kein Abendessen. Morgen Abend Küchendienst. Keine Partys.
Wir sehen uns morgen, les filles.
Bonne nuit. "
Damit leert sich die Ankunftshalle und Madame weist Nina an, uns unsere Zimmer zu zeigen, in denen bereits die Koffer stehen.
Die Müdigkeit übermannt mich.
Oben angekommen sagt uns Nina, dass wir Zweier Zimmer haben.
Sie schläft bei Eliane und wir vier sollen uns einigen.
Sobald Nina in ihrem Zimmer verschwunden ist, stehen wir im Flur herum. Stella starrt auf ihre Füße.
„Mir ist egal, wo ich schlafe."
Ich will möglichst schnell ins Bett und schlafen, also gehe ich einfach in eins der Zimmer, nehme meinen Koffer mit und lasse mich auf das weiche Bett sinken. Ich schließe die Augen und höre, dass jemand ins Zimmer kommt.
„Ich bins, Stella. Wir haben Schere, Stein, Papier gespielt. Ich habe verloren."
Ich grinse. Ich will etwas erwidern, spüre jedoch bittere Galle in meinem Mund aufsteigen und haste ins weiß getäfelte Bad. Ich hätte diesen Joint definitiv nicht nehmen dürfen.
Stella seufzt und gibt mir ein feuchtes Handtuch. Ich bekomme kaum noch mit, wie ich ins Bett wanke und sie eine Decke über mir ausbreitet.
„Jetzt hast du mich schon zum zweiten Mal gerettet", murmele ich in die Decke. Das leise Rascheln von Stella's Jane Austen Buch verblasst immer mehr, während der Sommerregen gegen das Fenster prasselt. Der Mond scheint durch das Fenster und taucht den Raum in silbernes Licht.
„Gute Nacht, Miss Street Art."
„Gute Nacht, Miss Piano", murmelt Stella und das Rascheln der Buchseiten begleitet mich in den Schlaf wie Musik.
Musik, die mich eine Nacht lang von der Juilliard, dem Klavierspielen und meinem Traum träumen lässt.
Man sagt doch, das, was man an einem neuen Ort träumt, wird wahr, oder?