Die Ankunftshalle des Aéroport Nantes Atlantique ist vollgestopft, laut und eng. Jeder, der neben mir die Halle betritt, wird von irgendjemandem umarmt, geküsst oder herbeigesehnt. Mein Koffer von Rimowa, der nach dem letzten Jahr total abgewetzt ist, und ich sind allein in dem Trubel, wie eine kleine einsame Insel zwischen tosenden Wellen.
Ich ziehe den Koffer lächelnd hinter mir her. Schon jetzt sehne ich eine weitere Tasse Kaffee herbei, denn ich bin hundemüde.
Doch die Vorfreude darauf, den letzten Punkt auf meiner To-Do Liste „Nach dem Schulabschluss" abzuhaken, lässt mich dämlich grinsen. Im letzten Jahr habe ich so viele Orte gesehen, so viel Leben gespürt: China, Vietnam, Singapur, Alaska, Québec, Toronto, New York, Chicago, San Francisco, Barcelona, Rom und Florenz, Schweden, Norwegen, Finnland, Irland und jetzt:
Die Bretagne.Die Luft ist warm und die Sonne erwärmt den Asphalt, als ich den Koffer herausschiebe und nach einem Taxi Ausschau halte. Endlich habe ich eins gefunden und lasse mich müde auf den Rücksitz sinken.
„À Vannes, S'il Vous plaît. "
Die Fahrt verbringen wir schweigend und ich schaue aus dem Fenster.
Es sieht noch aus wie vor drei Jahren, soweit ich mich erinnern kann.
Ich lehne meine Stirn gegen das kühle Glas des Fensters und denke daran, dass ich bereits in einem Monat wieder hier wegreisen muss, um in Le Havre eine Woche zu bleiben und dann von dort aus nach Paris zu fahren. Paris, wo ich Kunst und Design studieren werde.Ich habe es geschafft, meine Eltern davon zu überzeugen, dass es mein Leben ist, in dem ich entscheide, was ich studiere. Und Street Art und Kunst ist alles, was ich will. Nach dem Outing im Bezug auf meine Sexualität konnte mich niemand aufhalten, auch den letzten Rest Angst von mir zu strampeln. Ich schätze, Maman und Papa können sich noch schwer daran gewöhnen, dass ich lesbisch bin.
Louma, mit der ich in der Abschluss Klasse ein Jahr zusammen war, werde ich in Le Havre wieder treffen, weil wir das gleiche Fach studieren werden. Ob unsere Gefühle für einander nach diesem Jahr Auszeit immer noch die selben sind?
„Bin in Vannes", schreibe ich ihr eine SMS und sie antwortet mit einem Zwinkermännchen.
„Amuse-toi ", schreibt sie hinterher.
Viel Spaß. Ich wuchte den Koffer aus dem Kofferraum des Taxis und bleibe dann am Hafen in Vannes zurück. Die Boote schaukeln gemächlich auf dem Wasser und die Sonne hängt über der Stadt.
Mein Hotel ist leicht zu Fuß erreichbar, sodass ich schon nach kurzer Zeit mein Zimmer betrete.Erst jetzt merke ich, wie müde ich wirklich bin. Ich strecke mich auf dem Bett aus und döse allmählich ein.
Am vierten Abend fahre ich nach St. Gildas de Rhuys. Den Strand finde ich leicht, der Sand unter meinen Füßen knirscht leise, als ich den Weg die Dünen hinab zum Strand nehme.
Der salzige Wind weht mir durch die Haare, die wieder lang und dunkel sind. Ich habe sie zu einem Pferdeschwanz gebunden.Ich renne auf das Wasser des Atlantiks zu und tauche meine Zehen hinein. Heute ist der Himmel fast schon ein bisschen grau und ich spüre die ersten Regentropfen auf der Nasenspitze. Glücklich öffne ich den Mund und fange die Tropfen mit der Zunge auf. Die Möwen kreischen am Himmel und ich spüre die Wellen, den Regen und den Wind.
Alles erinnert mich an Chloe. An sie und mich, wie sehr wir uns geliebt haben. Daran, wie alles kaputt ging.
Wie wir uns für die letzten zwei Schuljahre von einander entfernten, weil ich nicht konnte. Wie sie aus Le Havre wegzog, als die zwölfte Klasse begann und ich es erst am nächsten Tag in der Schule erfahren hatte.Auch schreiben konnte ich ihr nicht, weil ich ihre Nummer damals am Abend von Elodies Party aus meinem Handy gelöscht hatte. Damit ist das unsichtbare Band zwischen uns gerissen. Wo auch immer sie ist, hoffe ich, dass es ihr gut geht.
Ich denke an unsere Zeit am Strand, das Graffiti im Wald, welches ich unbedingt besuchen möchte.
Ich denke nur daran, wie sie unter Wasser auf mich zugetaucht kam, ein freches Lächeln im Gesicht.Ich spaziere am Strand entlang und lächele vor mich hin, weil ich sie vermisse. Aber auf eine gute Art.
Mir geht es gut. Ihr hoffentlich auch.Der Umriss einer Joggerin am Strand kommt immer näher. Der Regen scheint sie kein bisschen zu stören.
Ihre blonden Haare trägt sie in einem Messy Dutt.Als sie mit mir auf Augenhöhe ist, dreht sich die Zeit langsamer.
Ich erkenne ihre blauen Augen und ihren ungläubigen Blick.
Ihr breites Lächeln, welches sie mir zuwirft, als sie mich erkennt.Alle Erinnerungen prasseln mit dem Sommerregen auf mich ein, alle Gefühle für Chloe. Mein Herz klopft immer schneller und ich fühle mich auf einmal so, als würde das Puzzleteil, welches mir wirklich gefehlt hat, einrasten.
Wir stehen im Sommerregen zwischen Felsen und in salzigen Atlantikwellen. So wie damals.
Aber es fühlt sich nicht wie eine Erinnerung an, sondern wie etwas neues. Was auch immer es sein mag, was ab heute beginnt, ich will es herausfinden.Ich den letzten Schritt auf sie zu und überbrücke den letzten Abstand zwischen uns.
Dann lächele ich zurück.
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Kissing you feels like summer rain (Bd.1)✔️
ChickLitBand 1 🌈🌊☀️ Beim Flaschendrehen auf einer Strandparty auf Klassenfahrt in der Bretagne passiert es- Die 17 Jährige vorlaute Chloe küsst ihre sonst so stille Mitschülerin Stella. Was für die anderen Schüler bloß ein harmloses Spiel unter zu viel A...