Mein Blick glitt aus dem Fenster während ich eilig auf meinem Kaugummi herum kaute und ihn im Mund von der einen zur anderen Seite schob. Noch immer machte mir der Druck im Flugzeug zu schaffen, doch ich arrangierte mich damit. Was anderes blieb mir ja auch nicht wirklich übrig. Sobald wir oberhalb der Schicht aus dicken Wolken waren, griff ich nach meinem Buch. Doch wirklich darauf konzentrieren konnte ich mich nicht. Meine Gedanken wanderten zu Julian. Ich hatte keinerlei Nachricht von ihm bekommen. Rechts neben mir saß Mary, links von mir Eve. Neidisch hatte ich vor dem Start auf ihr Handy geblickt, wie sie eine Nachricht von ihrem Freund erhielt er würde sie lieben und erwartet, dass sie sich sofort meldet wenn sie gelandet sind. Ich hatte keine Nachricht bekommen die auch nur ansatzweise in diese Richtung ging. Es war wirklich frustrierend. Warum konnte er nicht ein einziges mal auch so sein wie es in allen Filmen gezeigt wurde? Klar ich war in dem Punkt extrem sensibel und machte mir viel zu viele Gedanken. Doch manchmal würde ich mir das wünschen. Aber wie sagte man seinem Freund, dass man sich gerade bei einer Fernbeziehung auch per Nachricht ein wenig mehr Zuneigung und Liebe wünschen würde?
Seufzend griff ich nach meinem Handy. Ich hatte mir die Netflix-Serie Easy heruntergeladen. Noch nie davon gehört, doch sie war wohl relativ neu und man sollte ja immer mal wieder etwas neues ausprobieren. Nach einer halben Folge brach ich jedoch ab. Was war das denn für ein Müll? Es ging nur um Sex, die Ehe, wieder Sex und immer so weiter. Ich hatte nichts gegen solche Serien oder Filme. Sex Education war immerhin auch ein absoluter Hammer. Doch es störte mich, wenn die Serie absolut langweilig gestaltet war und frei von jeglichem Humor. Doch was sollte ich stattdessen den Rest des Fluges machen? Ich versuchte mich an der Playlist auf Apple Music von Julian. Er teilte sie mit mir und regelmäßig bearbeiteten wir diese und fügten aktuelle Lieder hinzu. Doch auch diese wurde mir irgendwie zur Last. Lieder wie Vermissen oder Complicated, die Julian einfach nur wegen der Melodie hörte hoben meine Stimmung absolut nicht weiter an.
Also ließ ich auch meine Kopfhörer in meine Tasche zurück fallen. Urplötzlich rutschte eine kleine Hand über den Sitz vor mir und große blaue Augen blickten zu mir durch den dünnen Spalt zwischen den Sitzen. Ich grinste und zog eine Grimasse, was dem kleinen blonden Mädchen ein Kichern entlockte. Kreischend ließ sie sich auf den Schoß ihres Vaters fallen. Wieder und wieder streckte sie mir ihre Hand entgegen, welche ich kitzelte, worauf sie wieder und wieder schrie und kicherte. Das zog sich über den Rest des gesamten Fluges. Auch Mary versuchte den Kontakt des Kindes auf sich zu ziehen. Doch nach einpaar Minuten verlor es die Interesse an ihren Grimassen und wand sich wieder mir zu. Bis wir schließlich dem Boden wieder näher und näher kamen.
Kaum gelandet zog ich mein Handy aus der Tasche und entsperrte es. Verzweifelt versuchte ich an meine Eltern Nachrichten zu senden, dass ich gelandet war. Wollte wissen, ob eine Meldung von Julian eingegangen war doch nichts funktionierte. Ich würde mich also gedulden müssen bis wir im Hotel waren. Kaum jemand sprach ein Wort. Alle waren einfach nur müde und wollten endlich ins Hotel um sich ins Bett fallen zu lassen. Mir erging es nicht anders. Die Müdigkeit ließ meine Lider langsam schwerer und schwerer werden. Wir schnappten uns unsere Koffer und machten uns auf den Weg zu unserem Bus, der uns ins Hotel bringen sollte. Mary sah mich verzweifelnd an. Sie wirkte ziemlich gestresst. Im Bus angekommen erklärte sie mir dann wieso. ,,Ich hasse das. Warum muss ich die Planung übernehmen? Warum bin ich Reiseleiter? Wenn irgendwas schief geht kommt das alles auf mich zurück. Und was wenn ich irgendwas verliere oder die Leute nicht verstehe ? Oder wenn etwas nicht so klappt wie geplant?" Ich rollte nur die Augen. Sowas konnte ich ja auf den Abend gebrauchen. ,,Hör mal, wenn du das nicht tun willst musst du das auch nicht. Niemand hat dich doch dazu gezwungen. Entspann dich doch einfach und genieß den Urlaub!" Wieder nur ein Schulterzucken. Das beherrschte sie wirklich gut und war scheinbar immer ihr Zeichen für. Lass mich in Ruhe, ich will nicht mehr darüber reden.
Also wandte ich den Blick Richtung Meer. In mir machte sich ein unendliches Gefühl von Ruhe, Frieden und Glück breit. Ich liebte das Meer und für mich gab es nichts schöneres als darin abzutauchen und alles zu vergessen. Und schon bald würde ich genau das tun können.
Die Landschaft zog an uns vorbei und es dauerte gefühlt ewig, ehe wir unser Hotel erreichten. Jedes mal wenn der Fahrer hielt blickten wir auf und hofften, dass wir aussteigen durften. Alle anderen schliefen. Doch ich würde kein Auge zu machen können. Ich hasste es zu schlafen, wenn ich in einem fremden Auto saß. Wohl eine eitere Macke die mich mein Leben lang begleiten würde. Ich war immer auf der Hut.. Egal wann und wo. Doch wenigstens schaffte ich es mittlerweile wieder mit einem Mann allein irgendwo zu sitzen ohne zu schreien und zu weinen. Nicht einmal mein eigener Vater konnte mit mir allein in der Küche sitzen, ohne dass ich nach einer Fluchtmöglichkeit suchte. Ein Schmerz durchzuckte mich. Ich hatte mir erneut auf die Lippe gebissen. Das war vorbei. Vergangenheit. Nicht darüber nachdenken.
Endlich erreichten wir unser Hotel und ich war unendlich froh, als man uns die Taschen abnahm und die Armbänder gab, welche die Schlüssel für das Zimmer ebenso enthielten. Mary schob weder Panik. ,,Sind das Chips? Müssen wir vielleicht das Essen bezahlen? Buchen sie das Geld darauf und wir müssen am Ende des Urlaubs das bezahlen?" Amanda schnaubte und warf ihr blondes Haar nach hinten. Sie wirkte ziemlich genervt. ,,Oh man, wir sind in einem 5-Sterne Hotel, Mary. Da bezahlst du nicht für Essen das ist alles mit drin." ,,Bist du sicher?" Da Amandas Art und Weise Mary zu beruhigen nicht wirklich hilfreich war griff ich nach Marys Arm ,,Mach dir keinen Kopf da ist wirklich alles mit drin es heißt ja nicht umsonst all inclusive. Also entspann dich und im Notfall können wir immernoch nachfragen." ,,Ja aber er wusste doch nicht mal unsere Namen oder so vielleicht hat er das falsche abgebucht oder herausgesucht." Nun wusste auch ich ihr nicht zu helfen. Nicht so spät auf dem Abend. Ich war unentspannt und müde. Meine Lust auf eine ausgiebige Unterhaltung hielt sich in Grenzen. Also nahm ich die Unterlagen an mich, damit sie mal etwas herunter kam. ,,Wollen wir aufs Zimmer Leute? Ich bin todmüde und will nur noch schlafen." Alle stimmten mir zu, also folgten wir dem Hotelmitarbeiter, der uns auf unser Zimmer führen sollte. Als ich dieses betrat staunte ich nicht schlecht. Wie hatten eine Art kleine Wohnung für uns allein. Es war der Hammer. Modern und zeitgleich auch etwas rustikal und es hatte diesen typischen Urlaubsflair. Meine erste Reaktion war auf den Balkon zu treten und die Aussicht zu genießen . Man konnte direkt aufs Meer sehen. Der Balkon war riesig und bot genug Platz, dass wir alle hier sitzen könnten und auch mal einen entspannten Abend genießen könnten. Ich stellte die Klimaanlage im Zimmer auf kühler und genoss die kalte Luft auf meiner Haut. Herrlich. Gerade bei den Temperaturen. Nachdem wir das Zimmer mehr und mehr untersucht hatten und alles ausgecheckt hatten, beschlossen wir zu schlafen. Ich würde mit Mary in einem Doppelbett im seperaten Zimmer schlafen. Eve und Amanda schliefen in einem weiteren Doppelbett, Nadien in einem einzelnen Bett im Raum nebenan. Beide waren durch einen schmalen Flur verbunden. Ich beneidete Nadien um ihr Einzelbett. Wie gern hätte auch ich ein solches gemacht. Mit fremden in einem Bett zu schlafen, beziehungsweise mit Menschen mit denen ich es nicht gewohnt war ließ mich nicht gerade vor Freude tanzen. Ich schlüpfte in eines von Julians Shirts, dass ich mir mit in den Urlaub genommen hatte, machte mich im Bad frisch und ging zurück ins Zimmer. Mary lag bereits im Bett und schlummerte vor sich hin. Also löschte ich das Licht und kroch an das andere Ende des Bettes. Es war kindisch und albern, dass ich Abstand brauchte doch so war ich nun mal. Ein letztes mal blickte ich auf mein Handy. Keine neue Nachricht. Kopfschüttelnd tippte ich an Julian:
,,Bin übrigens gelandet."
Falls es dich interessiert... Doch das setze ich nur im Kopf nach.

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Love.
RandomGestürzt, Angegriffen, Unbefriedigt dann wieder glücklich, sorglos, es folgt Stress, Verzweiflung.... Nicht jedes Leben läuft so, wie man es sich wünscht. Und genau das ist der Punkt. Kaum jemand schreibt, was eigentlich alles schief laufen kann. We...