≫ Brief 6

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Jo,

ich bin so aufgeregt. Luke hat mich gefragt, ob ich bei ihrer nächsten Aktion mitmachen will.
Ich habe sofort zugesagt.
Aber ich denke, selbst wenn ich länger darüber nachgedacht hätte, hätte ich mich nicht anders entschieden.

Ich gehöre wohl nun offiziell zu der Gruppe dazu. Zur "Crew", wie sie sich nennen. Luke, Nami, Caro, Esra, Monte. Und ich.
Ich muss auch zugeben, dass mich dieses Verbotene sehr reizt. Ich meine, man ist nur einmal jung. Und jeder wollte doch insgeheim schonmal was verbotenes tun, oder?

Damit alles glatt läuft, haben wir uns heute im Zentrum zur Aktionsvorbereitung getroffen.
In einem Kreis saßen wir auf den Sofas, während Luke vor uns stand und einen Punkt nach dem anderen auf seinem Notizblock abarbeitete.

"Drittens: Worum geht's eigentlich?", las er vor. "Also: Ihr erinnert euch an unser "Antifa"-Graffito an der alten Kaserne. Es sieht wohl so aus, dass Nazis es entdeckt haben und an drei Orten rund um die Kaserne Hakenkreuze und ähnlichen Mist gesprayt haben. Sie wollen es wohl als ihr Revier markieren, wir lassen uns das aber nicht gefallen. Alles klar soweit?" Wir nickten.

"Gut.", fuhr Luke fort. "Ich habe hier die drei Orte rausgesucht", Luke gab jedem von uns eine Karte, auf der die genauen Orte der Graffiti markiert waren, "und würde vorschlagen, dass wir uns in Zweierteams aufteilen. Nami und Monte, ihr kümmert euch um die Graffiti bei den Stadtwerken, Caro und Esra, ihr geht zur kleinen Messehalle und Alex und ich übersprayen die zwei Hakenkreuze am Mühlenhof. Seid ihr alle einverstanden mit der Einteilung?" Ich nickte und auch von den anderen kam zustimmendes Gemurmel. Natürlich war ich einverstanden, mit Luke in einem Team zu sein.

 Natürlich war ich einverstanden, mit Luke in einem Team zu sein

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"Gut, was gibt's sonst noch zu sagen...", murmelte Luke und blätterte mit angestrengter Miene in seinen Unterlagen, "Nein, das war's eigentlich. Ah, bevor ich es vergesse: Wir treffen uns am Mittwoch um 19 Uhr hier. Das übliche, zieht euch schwarz an, Gesichter bitte auch bedecken. Falls ihr noch Fragen habt, könnt ihr immer auf mich zukommen. Wenn sich jemand doch nicht so wohl mit der Sache fühlt, gebt mir bitte auch Bescheid. Niemand soll sich dazu gedrängt fühlen, sowas zu machen. Ansonsten war's das für heute, Alex, mit dir würde ich gerne noch kurz ein paar Sachen besprechen. Der Rest darf nach Hause gehen, wir sehen uns Mittwoch, passt auf euch auf." Nami, Monte, Caro und Esra packten ihre Sachen zusammen und verließen nach und nach das Zentrum, jetzt waren nur noch Luke und ich da. Er setzte sich neben mich. Nervös wippte ich mit meinem Bein auf und ab.

"Also, Alex. Nur um nochmal sicher zu gehen. Das ist deine erste Aktion. Dir ist bewusst, dass das, was wir tun, illegal und unter Umständen gefährlich ist. Bist du dir absolut sicher, dass du mitmachen möchtest?" "Ja.", sagte ich ohne zu zögern. Ich war mir absolut sicher. Ich war bereit, bedingungslos für meine politischen Werte einzustehen, selbst wenn ich dafür die Grenzen der Legalität überschreiten musste. "Gut.", Luke lächelte, "Kannst du mir mit eigenen Worten erklären, warum dir das wichtig ist?"
Ich überlegte kurz. "Hm... Weil wir nicht einfach zuschauen können, wie Rechte das Viertel mit verfassungsfeindlichen und menschenfeindlichen Symbolen beschmieren. Wenn wir etwas dagegen tun, wissen die Nazis, dass sie ihre Ansichten nicht einfach nach außen tragen können. Und dass sie Gegenwind bekommen.", erklärte ich.
"Genau das wollte ich hören. Ich denke, du bist bereit.", erwiderte Luke.

"Oh, eine Frage hätte ich noch.", sagte ich vorsichtig. "Immer her damit, was gibt's?" Luke schaute mich erwartungsvoll an. "Ich hab mich noch nie vermummt.", gestand ich, "Ich habe eine schwarze Hose und eine schwarze Kapuzenjacke aber ich weiß nicht so recht, wie ich mein Gesicht bedecken soll.", unsicher sah ich Luke an. "Ach, wenn's nur das ist. Das ist überhaupt kein Problem. Ich nehme dir am Mittwoch ein Bandana mit, das bindest du dir dann hinter dem Kopf zusammen, sodass Nase und Mund bedeckt sind. Wenn du dir dann noch deine Kapuze aufsetzt, passt das.", beschwichtigte er mich.

"Danke.", murmelte ich. "Ach, doch nicht dafür.", sagte Luke. "Nein, ich meine für alles. Was ihr für mich getan habt. Dass ihr mich so nett aufgenommen habt. Mich so akzeptiert, wie ich bin. Und natürlich, dass du mir Politik beigebracht hast." Ich grinste. Luke schüttelte den Kopf: "Dafür brauchst du dich doch nicht zu bedanken, das ist doch alles selbstverständlich.", sagte er sanft. Für ihn vielleicht. Ein paar Sekunden lang saßen wir nur dort und sahen uns an. Eine angenehme Stille. Gedankenverloren hob Luke irgendwann langsam seine Hand und strich vorsichtig mit dem Daumen über meine Wange.

Er hat mich berührt.

Und als wäre nichts gewesen, ist er danach aufgestanden und meinte, wir sollten auch langsam nach Hause gehen. Ich weiß absolut nicht, was ich davon halten soll.
Habe ich mir das nur eingebildet? Er hat meine Wange berührt. Oder? Doch, ich glaube schon.
Machen normale Freunde das?
Ich sollte mir nicht so sehr den Kopf darüber zerbrechen. Wahrscheinlich hat das für ihn eh nichts bedeutet. Ich fand es auf jeden Fall sehr schön.

Ach Jo, ich freue mich auf die Aktion. Ich freue mich auch sehr, dass ich mit Luke im Team bin. Natürlich habe ich auch ein bisschen Angst, aber Luke passt auf mich auf, hat er gesagt.

- Alex

Teenage Anarchist [boyxboy] Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt