Schnitte

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Das heutige Szenario wurde zweigeteilt (Schnitte und Springer), um zwei verschiedene Szenarien für Rettungsdienst und Feuerwehr und Rettungsdienst und PSU (Psychosoziale Unterstützung) zu trainieren. Als Set spielen wir diesmal in einem eingerichteten Schlafzimmer und an einem alten Wasserturm (auf einer Plattform auf Höhe des 4. Stockwerks).
Es geht um das verhindern von Suiziden. Achtung Trigger! Wenn jemand selbst damit zu kämpfen hat, überleg euch gut, ob ihr das lesen wollt... ich verspreche euch es wird heftig. Und nicht vergessen: DAS WAR NICHT REAL :)

Schnitte

Vorgeschichte
Es hat mal wieder gut getan. Ich sitze in meinem Zimmer auf dem Teppich. Einige alte Flecken bestätigen, was meine Arme aussagen. Aber diesmal war es zu gut gemeint und das Blut fließt schnell. Wenn ich so darüber nachdenke, hat es doch eh keinen Sinn mehr. Wieder ein Aufenthalt in der selben geschlossenen Klinik, wo ich bereits 4 Mal war. Meine Eltern wollen nichts mehr von mir wissen, und meine beste Freundin war es bis gestern. Sie sagte sie hielte es nicht mehr aus mit mir. Der Brief, welchen sie geschrieben hatte um mir dies mitzuteilen liegt neben mir. Wieder und wieder lese ich die Zeilen durch, während die Tränen schon fast versiegt sind. "Wenn du mit deinem Leben klarkommst sag mir bitte nicht Bescheid!", "Ich weiß, warum deine Eltern dich nicht mehr wollen.", "Ich kann dich nicht ewig halten.".... Mit jeder Zeile wird der Drang größer, die letzten Millimeter bis zur Artrie auch noch zu zerstören...
Ein lauter Schrei dringt in meine Ohren. Meine ehemals beste Freundin steht in der Tür. "Lass den Mist sein!" "Warum? Was willst du hier? Ich dachte du kannst mich nicht mehr halte.", schreie ich ihr entgegen. "Ich will mit dir reden, es tut mir Leid." Sie klingt verzweifelt aber sie berührt mich nicht mehr. Mein Herz ist roh und trocken wie Holz.... Herz aus Holz. Meine Seele ist eiskalt geworden. Ich spüre, dass mir mein Entschluss näher kommt. Sie leider auch. "Einen Schritt weiter und es ist vorbei. Ich habe genug Blut verloren und die Pulsader ist nicht mehr weit." Apruptbleibt sie stehen. Dann dreht sie sich um und geht.

Szenario:
Sirenen ertönen. Dieses Miststück. Sie weiß doch genau wie das endet... Erst so ein Hinterhalt und jetzt kalte Füße bekommen. Ich schaue auf die Blutlache auf dem Boden. Das wird locker ein halber Liter oder mehr sein. Es läuft immernoch. Autotüren knallen und ich versuche aufzustehen um aus dem Fenster zu sehen. Dabei macht sich der Blutverlust doch bemerkbar aber mit Festhalten an der Fensterbank klappt es. Draußen she ich einen RTW, ein NEF und zwei Polizeiwagen. Na klasse, dann jetzt richtig. Schon bald höre ich Stiefel auf der Treppe zu mir und ich setze mich wieder auf den Teppich. Die Klinge nehme ich in die Hand mit dem Entschluss "kommt mir einer zu nah, war es das."

Noch bevor ich jemanden sehe schreie ich Richtung Flur: "Keiner kommt hier rein, sonst beende ich das." Aprupt bleiben die Stiefel stehen. Langsam schiebt sich einer der Polizisten in den Türrahmen. Drohend halte ich die Klinge an meinen Arm.
"Hey, was hast du vor?" "Das siehst du doch. Lass mich in Ruhe." "Du weißt, dass ich das nicht tun werde." Dieser Idiot. Ich fange an, ihn mir genauer anzusehen. Drei-Tage-Bart, braune Haare und Augen, schätzungsweise 1,80m groß.
"Wenn du fertig bist mich anzustarren, magst du mir dann mal erzählen, warum du deinen Teppich zusaust?".
"Verpiss dich." "Hey hey, ganz entspannt. Tu nichts was du bereust." er macht einen Schritt auf mich zu. "Ich bereue nichts!" "Gut, dann hast du ja bestimmt noch etwas Zeit mir mir zu reden." Ich drücke die Klinge auf die bestehende Wunde und er weicht einen Schritt zurück. Er geht auf den Flur und ich höre Stimmen. Ich schaue unterdessen auf den Boden und merke, wie mir schwindelig wird.
Das Gesicht des Polizisten erscheint wieder im Türrahmen und prompt setze ich wieder an. "Bevor du dir das Leben ganz nimmst, hör mir zu.", er zeigt mir seine leeren Handflächen. "Lass mich reinkommen. Nur drei Schritte." Wenn er nicht so gut aussehen würde.... von ihm geht eine Wärme aus, die ich so sehr vermisst habe. "Und? wie entscheidest du dich?" Ich nicke. Ich beobachte genau, dass er nur drei Schritte macht. Er hockt sich hin und setzt sich dann auf den Boden.
Mit zittrigen Fingern halte ich die Klinge weiter an meinen Arm, um ihn auf Distanz zu halten. "Also? Was möchtest du mir erzählen?", er schaut mich an. "Nichts." "Warum hast du mir dann erlaubt einzutreten?", fragt er. Mist, weil du heiß aussiehst und mir eine Wärme vermittelst, die ich nie hatte und .... "Interessante Theorie. Worum gehts denn?", er musste grinsen. "Keine Sorge, die anderen sind unten." Hatte ich etwa laut gedacht? Natürlich.
Langsam stehe ich auf, versuche mich an der Fensterbank hochzuziehen und schaue aus dem Fenster. Ein Rascheln lässt mich herumfahren.
"Komm nicht näher!", fahre ich ihn an, denn er ist aufgestanden. Er zeigt mir wieder seine Handflächen und ich lege die Klinge auf die Fensterbank, ihn dabei nicht aus den Augen lassend. Mehr und mehr steigt das Bedürfnis, zu reden. Aber noch kann ich mich wehren. "Sprich mit mir. Du darfst mich Karsten nennen." "Betty", stoße ich zwischen den Zähnen hervor. "Also Betty, erzähl mir was los ist. Oder soll ich dir was erzählen?" "Mach doch."

Karsten beginnt zu erzählen. "Ein kleiner Junge, den ich sehr gut kenne, war ich der gleichen Situation wie du. Seine Schwester hat uns damals angerufen. Er hatte allerdings sich die Waffe seines Vaters besorgt. Ich werde dieses Bild nicht vergessen, ie es dort stand und sich die Waffe an den Kopf hielt. Er erlaubte mir auch, mich zu ihm zu setzen, nutzte aber den Moment um zum Fenster zu gehen. Er saß auf dem Fensterbrett, und das Fenster war offen. Ich dachte er wolle sich rausstürzen, doch dann fing er an zu reden. Er erzählte mir alles, von Mobbing, von seinen Alpträumen und allem. Dann sah er mir in die Augen, weinte und entschuldigte sich. Bevor ich fragen konnte wofür, setzte er die Waffe an. Er drückte ab als ich gerade nach seiner Hand greifen wollte.... Ich konnte ihn nicht mehr retten."
Wow.... was ein Geständnis. Langsam laufen die Tränen über mein Gesicht. "Bitte tu mir das nicht an. Ich kann deine Situation nachvollziehen aber bitte tu mir das nicht an."
In mir macht sich ein sonderbares Gefühl breit, eine art Wärme. Und plötzlich spüre ich: Ich wollte leben.... Mein Blick geht wieder zu meinem Arm, das Blut läuft immernoch. Es dürften gut zwei Liter sein. Mein Herz schlägt mittlerweile sehr schnell, langsam erscheinen Schwarze Punkte vor meinen Augen. "Karsten... ich..." Ich sinke auf den Boden, die Klinge auf der Fensterbank habe ich vergessen.

Karsten:
Sie steht lange da und weint, während die Blutlache immer größer wird. Bald wird es zu viel sein, sie sieht schon gefährlich blass aus. Plötzlich dreht sie sich um und schaut direkt in meine Augen. "Karsten... ich..." sie sinkt auf den Boden. Ich spüre, dass sie kämpft und bin mir sicher, sie will nicht mehr sterben. Ich stürze zu ihr hin und drücke am Oberarm die Arterie ab.

Betty:
Ich spüre, wie Karsten zu mir kommt und auf meinen Oberarm drückt. "Ich will nicht sterben, lass mich nicht gehen." "Shht, bleib wach. Für mich." Er setzt einen Funkspruch ab. Das letzte was ich sehe sind seine braunen, warmen Augen. Dann ist alles schwarz.

Wie ich das Bewusstsein verliere, ein Tourniquet um meinen Arm gebunden wird und ich im Auto erfolgreich reanimiert werde, bekomme ich nicht mehr mit. Ich sollte mein Bewusstsein erst nach 5 Wochen im Koma wiedererlangen.
Übungsende

ÜbungsszenarioWo Geschichten leben. Entdecke jetzt