Am nächsten Morgen ging es schon früh los. Um halb acht trafen sich die drei Jungs, um die Pferde zu versorgen, als Ella sich schon auf den Weg zum Therapeuten machte. Eine Art Physiotherapie für Pferde. Dort musste sie Mattheo durchchecken lassen. Es musste kontrolliert werden, ob seine Muskeln und Gelenke überhaupt ein Turnier durchstehen würden, nachdem er vor etwa einem Jahr einen schweren Unfall hatte.
Tobias trat gerade vor die Tür des Gutshauses, als Alex Ella auf Mattheo half. Sie winkte ihm zu und machte sich dann ohne Sattel auf den Weg zur Praxis.
Dort angekommen wurde sie schon von dem jungen Therapeuten erwartet. „Ah, hallo Ella, da bist du ja!", rief er ihr fröhlich entgegen. „Wir", sagte Ella statt einem Gruß. Er hob entschuldigend die Hände. „Verzeihung, da seid >ihr< ja!" Ella lächelte ihn an. „Hallo Hendrik." Was Ella an Hendrik mochte war, dass er niemals seine gute Laune verlor. Oder jedenfalls nicht so schnell. Sie glitt von Mattheos Rücken und führte ihn, dicht hinter Hendrik, in die kleine Reithalle. „Okay", begann Hendrik. „Fangen wir an. Lass ihn erstmal in ganz normalem Schritttempo gehen." Ella befestigte einen Führstrick am Halfter des Pferdes und führte es neben sich her. Hochkonzentriert betrachtete, nein, beobachtete Hendrik Beine, Rücken und Hals des Pferdes. Er machte sich Notizen auf der extra vorbereiteten Tabelle und forderte Ella auf, Mattheo zum Trab anzutreiben. Mit derselben Konzentration verfolgte er jede Bewegung des Pferdes und machte sich wieder Notizen. „So, Ella. Jetzt steig bitte auf, ich muss ihn galoppieren sehen." Ella tat, was er sagte, nur gab es da ein kleines Problem. Mattheo war, anders als die Standardmaße seiner Rasse entsprachen, ein außergewöhnlich großes Pferd. Ella versuchte und versuchte es, seinen Rücken zu erklimmen. Hendrik sah ihr schmunzelnd zu. Ein verzweifeltes Lächeln in seine Richtung genügte. Er ging zu ihr und half ihr hoch. „Puh, danke!", sagte sie lachend. „Gerne, aber das solltest du vielleicht nochmal üben?" Ella machte Hendriks lustige Art. Sie wendete ihr Pferd und trieb es an. Hendriks Konzentration war unerschütterlich. Sein Gehirn lieg auf Hochtouren, während er dem Spielen der Muskeln zusah und sich Notizen machte. Nach drei Runden gab er Ella ein Zeichen, sie bremste ab und blieb stehen. „So, kannst runter kommen", sagte Hendrik und ging auf die beiden zu. Er strich dem Pferd erstmal über Hals und Rücken, dann beugte er sich runter. Mit gekonnten Handgriffen betastete er die Beine des Pferdes und testete die Gelenke. Er richtete sich wieder auf und notierte sich wieder etwas. Dann nahm er den Kugelschreiber falsch herum in die Hand und fuhr mit Ende langsam und mit leichtem Druck über die Wirbelsäule des Pferdes. Dies wiederholte er einige Male und wandte sich dann an Ella.„Also. Es sieht sehr gut aus! Aber wenn du trainierst muss er unbedingt spezielle Gamaschen tragen. Beim Turnier auch, versteht sich."
„Okay, aber was denn für spezielle Gamaschen?" Ella war sichtlich ratlos.
„Die kann ich dir gleich geben. Das sind fester. Die stützen und schützen seine Gelenke noch mehr und das ist genau das, was er braucht."
„Ah, okay."
Gemeinsam verließen sie die Halle. Mattheo ließen sie, sich wohlig im Sand wälzend, zurück.
Ella sah sich, wie so oft, in der Praxis um, während Hendrik in einem der Nebenräume nach den Gamaschen suchte.
„Wo hab ich die denn...ah, hier!"
Als er zurückkam blieb er erstarrt stehen und seine Augen wurden groß. „Ach du Sch...eibenkleister...", sagte er lahm und sah knapp an Ella vorbei.
„Was ist denn?", fragte Ella verwundert und sah in die Richtung, in die der junge Therapeut sah und blieb ebenfalls erschrocken stehen. Als Hendrik hinter anfing zu prusten, konnte auch sie sich nicht mehr das Lachen verkneifen. Der Anblick war auch zu komisch! Mattheo, wie er vor der Tür stand und genüsslich auf einem Rosenzweig kaute, an dessen anderem Ende eine wunderschöne, rote Rose prangte. Als er bemerkte, dass er von den beiden ausgelacht wurde, schaute er so unschuldig wie ein Pferd überhaupt schauen kann vom einen zum anderen.
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Gut Ellsendorf
RomanceDas Leben auf dem Gut Ellsendorf, dem Gestüt von Ellas Eltern, hätte nicht idyllischer sein können; Familie, Freundschaft, Freude... Doch dann kommt Tobias und stellt alles auf den Kopf.