Kapitel 3

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Immer noch ganz verwirrt sank ich zurück in mein Kopfkissen. Mein Herz hämmerte noch wie wild. Was war gerade passiert? Wieso war es passiert? Ich konnte mir in diesem Moment gar nichts erklären aber was auch immer es war, es schien irgendwie ernst zu sein. Ich bin einfach mitten in der Nacht aufgewacht und wäre fast gestorben! Das machte mir ziemliche Angst. Ich versuchte ruhig zu atmen aber das klappte nicht ganz. Konnte ich jetzt einfach so weitermachen? War jetzt alles wieder gut oder würde das nochmal passieren? Ich war so knapp davor in Tränen auszubrechen. Sollte ich das jetzt Mama erzählen? Nein, wahrscheinlich nicht. Die würde sich wieder nur zu viele Sorgen machen und wieder so ein Drama machen. Es war doch alles wieder gut. Ich war doch am Leben.

Trotzdem war mir jetzt nicht mehr nach schlafen. Es war jetzt halb eins; mitten in der Nacht, und ich wollte zum Ersten Mal in meinem Leben nicht schlafen. Wahrscheinlich war ich noch zu durcheinander.

Langsam stand ich auf. Ich sah in den Spiegel, fuhr durch meine Haare und rieb mir die Augen. Dann lief ich vorsichtig zu meinem Fenster. Ich zog die Gardine und sah herunter auf die leergefegte Straße. Nur ein paar Laternen leuchteten in den Nebel der frostigen Winternacht. Der Wind pfeifte immer noch durch die Straßen

und die Bäume rauschten laut. Und nicht eine Menschenseele trieb sich um diese Uhrzeit noch auf den Straßen herum. Nein. Doch. Warte. Oder? Nein da war doch jemand! Gleich an der anderen Straßenseite unter dem ersten Baum stand jemand. Ich kniff die Augen zusammen. Ein Junge, naja er war vielleicht ein paar Jahre älter als ich. Viel mehr konnte ich nicht erkennen. Er sah irgendwie einsam aus. Wie er da unten, in dieser eiskalten Nacht, einfach ganz alleine stand. Was machte er da? Plötzlich hob sich sein Kopf. Ich stürzte instinktiv auf den Boden. Verdammt! Er hatte mich bemerkt. Für einen Bruchteil einer Sekunde hatten sich unsere Blicke getroffen. Fuck! Wer weiß was der da unten vorhatte? Vorsichtig zog ich mich an der Fensterbank hoch und lugte noch einmal herunter. Ich weiß selbst nicht wieso ich das tat. Er sah immer noch hoch zu mir. Jetzt stand ich ganz auf. Er schaute mich an. Direkt in meine Augen. Und ich starrte zurück. In seine. Was fesselte mich so an ihm? Kannte ich ihn vielleicht? Es war als würde ich aufhören zu atmen. Keiner von uns beiden regte sich.

Und dann, ich weiß nicht mehr genau was passiert ist aber ich schlich schon durch den Flur. An Majas Zimmer vorbei. An Mamas Zimmer vorbei. Geradeaus zur Wohnungstür. Wieso tat ich das? Es fühlte sich so falsch an aber ich tat es trotzdem. Ich schnappte mir noch kurz meinen Mantel. Dann schloss ich leise die Tür und tapste die Treppen herunter. Als ich dann vor der schweren Haustür stand zögerte ich noch einen Moment bevor ich sie dann doch langsam aufschob.

Da stand er. Immer noch an diesem Baum. Und ich auf der anderen Seite in meinem Pyjama unter meinem Wintermantel. Er schaute mich immer noch an. Und ohne Nachzudenken und ohne ihn auch nur für eine Sekunde aus den Augen zu behalten, fing ich einfach an zu laufen.

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