I. Resort la Unwetter

24 2 0
                                    




Leahs Füße wippten im Takt der Pendeluhr, die an der Wand neben dem Eingang zu Mrs. Harris Büro hing. Es war 10:32 und langsam wurde Leah nervös. Bereits um 10 Uhr war die Heimleiterin Lois Harris mit dem "unangekündigten Check der Zimmer" - man könnte es auch schlichtweg Razzia nennen - fertig gewesen und hatte Leah in ihr Büro zitiert. Jedoch konnte sie sich keinen Reim darauf machen. Sie hatte gewiss nichts ange- »Leah, komm herein«, zischte sie aus ihrem Büro heraus. Na endlich! Seufzend stand Leah auf und strich ihr Oberteil glatt. Es genügte schließlich schon, dass sie ihre Schuhe vor dem Gespräch nicht putzen konnte!

Mrs. Harris, die alte Schreckschraube, hatte in ihrem Sessel, der hinter einem viel zu großen und protzigen Schreibtisch stand, gehockt und mich mit zugekniffenen Augen über ihre halbrunde Brille hinweg angestarrt. Wie sympathisch! »Setz dich!« Leah tat wie ihr geheißen und nahm Platz. Nachdem Mrs. Harris sie noch eine Weile mit ihrem starren Blick durchbohrt hatte, öffnete sie die Schublade ihres Schreibtisches und holte eine kleine Tüte daraus, in der sich ein vertrocknetes grünes Kraut befand. »Kannst du mir sagen was das ist, Leah?«, spuckte die alte Frau. »Die getrocknete Form einer Pflanze der Gattung Cannabaceae würde ich sagen. Oder auch Gras.« Dumme Fragen verlangen dumme Antworten. »Spar dir dein Klugscheißen! Das habe ich unter deinem Bett gefunden. Kannst du mir vielleicht erklären, wie das dorthin kommt?« Süffisant stützte sie den Kopf in die Hände, als wollte sie sagen »Jetzt bist du dran!«. »Das muss irgendjemand dort deponiert haben!« »Natürlich«, Lois Harris Mund verzog sich zu einem grotesken Lächeln, »Ich würde sagen, dass du es dort deponiert hast«. »Ich? Ich hab mit Drogen nichts am Hut, das schwöre ich! Das muss mir jemand untergejubelt haben!«, protestierte Leah und wäre am liebsten aufgesprungen und weggelaufen. Das war keineswegs ihr Gras! »Natürlich! Die ganze Welt ist gegen dich, Leah! Die anderen Mädchen meinte dass du öfter neben der Spur warst in der letzten Zeit. Und das hier«, Mrs. Harris hob die Tüte mit zwei Fingern in die Höhe, »scheint wohl der Grund dafür zu sein.« Die anderen Mädchen. Die konnten Leah ja auch nicht leiden. Bestimmt würden sie alles tun, um sie los zu werden. Sogar Drogen unter ihrem Bett verstecken und dafür sorgen, dass Mrs. Harris dort danach sucht...»Mrs. Harris, ich schwöre Ihnen, dass das nicht mir gehört!«, beteuerte Leah erneut. »Ach mach es uns allen doch leichter und hör auf zu Lügen! Was war denn damals bei den Millers? Warst du das auch nicht?«, erwiderte die Heimleiterin kühl und zog dabei eine Augenbraue - falls man die feinen schwarzen Linien über ihren Augen so nennen kann, hoch.

Die Millers. Ohne in Selbstmitleid zu versinken, aber die konnten sie auch nicht leiden. Besonders deren Tochter nicht. Sie waren vor knapp 2 Jahren ihre Pflegefamilie gewesen, was an sich eigentlich ein Wunder war, denn mal ehrlich - wer adoptiert eine 16-jährige? Erstaunlicherweise klappte das alles auch ganz gut. Sie verstand sich prima mit ihren Pflegeeltern, die in einem tollen Haus in einer netten Gegend lebten und alles schien zum ersten Mal in ihrem Leben gut zu laufen. Aber Leah hatte es, wie immer, vergeigt. Ihre Tochter Annabelle hatte sie gebeten ein paar Pillen für ihre Geburtstagsfeier zu besorgen und Leah war so dämlich um ihrem Wunsch tatsächlich nachzugehen. Es kam wie es kommen musste - ihre Eltern erwischten sie und sie putzte sich an Leah ab. »Sie ist ein Junkie, Mom! Es war alles ihre Idee!«. Tja und somit landete sie wieder unter die Obhut von der wunderbaren Lois Harris.

»Das war was völlig anderes! Das Zeug«, frustriert wedelte Leah mit den Händen in Richtung der Plastiktüte,»gehört mir nicht!« »Leah, hör auf! Du brauchst dich nicht rechtfertigen. Ich toleriere das nicht länger. Die Polizei ist bereits verständigt und da du in wenigen Tagen 18 wirst...« Die alte Schreckschraube erzählte Leah gerade, dass sie in den Knast wandern würde und lehnte sich dabei so entspannt in ihren Sessel zurück, als hätte sie ihr beiläufig erzählt, dass die Milch alle ist. »Ich begleite dich in dein Zimmer - wo du auf die Beamten warten wirst!«, zischte die Heimleiterin, stand auf und zog Leah auf, um sie in ihr Zimmer zu eskortieren.

Gemeinsam Allein I *ÜBERARBEITET*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt