Teil 3

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Sicht Niklas
Völlig aufgelöst komme ich zu Hause an. Julia. Julia wird an der Fortbildung teilnehmen. Jetzt bereue ich es, dass ich mir die Teilnehmerliste erst so spät durchgelesen habe. Wer weiß wie viel ich noch hätte vorbereiten können, wenn ich früher gewusst hätte, dass Julia hierher nach San Francisco kommt. Aber jetzt einen Abend vor ihrer Ankunft hat das alles auch keinen Sinn mehr und das hätte es sowieso nie gemacht.Sie ist bestimmt glücklich, ist verheiratet und hat Kinder. Genauso, wie ich es mir immer gewünscht habe. Allerdings kam in dieser Traumvorstellung immer nur eine Frau vor. Nämlich Julia und keine andere. Ich habe es mir also selber verbockt. Nachdem ich mich drei Monate nach meiner Ankunft in San Francisco am Telefon von ihr getrennt habe, habe ich nichts mehr von ihr gehört, sie nicht mehr gesehen, geschweige denn berührt. Ich bin so ein Arsch und das weiß ich. Bis jetzt konnte ich mir diesen Fehler den ich damals eingegangen bin nicht verzeihen. Auch wenn ich mir vorwerfen ich wäre damals noch jung und naiv gewesen, hilft es mir nicht. Ich war nämlich kein bisschen jung und naiv. Ich wusste, dass Julia die Frau meines Lebens ist. Ich wusste, dass ich mir mit ihr endlich eine Familie vorstellen konnte und trotzdem habe ich mich mit den Worten 'Julia. Es tut mir leid, aber ich habe gemerkt, dass ich dich nicht mehr so wirklich liebe' von ihr getrennt. Danach habe ich drei Wochen lang nicht mehr richtig geschlafen. Vor meinem Telefonat mit Julia, war ich mir sicher, dass es ihr ohne mich besser gehen würde und ich vielleicht auch mehr Freiraum hätte. Aber bereits als Julia aufgelegt hatte. Ist bei mir der Brocken gefallen. Ich kann nicht ohne sie leben. Warum zur Hölle habe ich das getan? Noch heute muss ich mindestens einmal in der Woche weinen, weil ich den Menschen so sehr vermisse, den ich am meistens verletzt habe. Natürlich habe ich versucht sie anzurufen. Auch jetzt noch. Aber am Anfang hat sie meine Anrufe komplett ignoriert und vor ein paar Jahren hatte sie letztendlich eine andere Nummer. Trotzdem tue ich es mir immer wieder an und schaue mir die alten Fotos von uns an. Genau wie jetzt. Schon mit dem Handy in der Hand lege ich mich auf mein Bett und fange direkt an mich durch die Bilder zu scrollen. Schon nach den ersten vier Bildern rollt die erste Träne über meine Wange. Wir waren beide verdammt glücklich miteinander. Und ich wünschte wir wären es bis heute noch. Ich scrollen weiter und komme in den gewohnten Rhythmus und Zustand. Mein Gehirn schaltet ab und ich schaue mir einfach nur die Bilder an. Nichts um mich herum ist wichtig. Obwohl ich genau weiß, welches Bild auf das andere folgt bin ich jedes Mal gespannt, wie Julias Gesichtsausdruck sein wird und ob ihre Lachfältchen mehr oder weniger, als bei dem Bild davor zu sehen sind. Ich betrachte das Bild, auf dem Julia und Leyla zu sehen sind. Sie lächeln beide in die Kamera. Und wieder einmal merke ich, wie sehr ich nicht nur Julia, sondern auch Leyla meine beste Freundin vermisse. Wir schreiben und telefonieren zwar ab und zu, aber die anfangs noch tiefgründigeren Gespräche haben deutlich abgenommen. Ich weiß genau welches Bild als nächstes kommen wird und weiß auch das bei diesem Bild wieder etwas in meinem inneren aufs neue zusammenbrechen wird. Trotzdem wischte ich auf meinem Bildschirm weiter nach rechts und bleibe bei diesem Bild hängen, wie immer fesselt es mich und wie immer fließen die meisten Tränen bei diesem Bild. Es zeigt mich und Julia eng umschlungen vor dem JTK stehen. Ich weiß Joch genau welcher Tag das war. Es war drei Tage vor meiner Abreise. Allerdings dachten wir bis dahin, dass auch Julia mitkommen würde. Dieses Bild zeigt so viele Dinge, die ich vermisse. Ich vermisse das JTK, Erfurt und seine schöne Abendsonne. Ich vermisse den kleinen Haupteingang des Johannes Thal Klinikums, der hier kommt einem vor wie die Einfahrt zu einer Flugzeugwerft. Außerdem vermisse ich das Wetter in Erfurt. Aber am allermeisten vermisse ich die Umarmungen mit Julia, wie schön wäre es sie noch einmal berühren zu dürfen. Sie ganz nah bei mir zu haben und ihre Lippen auf meinen zu spüren. Ja, ich vermisse Julia. Mehr als alles andere.

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