Teil 5

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Sicht Niklas

Nachdem ich gestern noch ziemlich lange wach gelegen habe, habe ich heute Morgen verschlafen und komme etwas zu spät am Klinikum an, wo ich hinter einer Frau durch den Eingang renne. Aber Moment mal. Ich bleibe aprupot stehen. Das ist Julia. Meine Julia. Sie rennt weiter und stellt sich an den Counter,wo sie etwas fragt. Was genau kann ich nicht verstehen. Ich merke erst das ich mitten im Haupteingang stehe und gerade sehr doof aus der Wäsche zu schauen scheine, als mich eine ältere Dame von hinten anrempelt. Genau in dem Moment in dem ich für ein Sorry ansetze, schaut Julia in meine Richtung. Sie erschrickt und läuft hastig in den Seminarraum, bei dem auch gerade die anderen Teilnehmer der Fortbildung ankommen. Wie gebannt starre ich auf die Tür hinter der Julia verschwunden ist. Allerdings werde ich dann von hinten zur Seite geschoben. Ich reiße mich zusammen, um am Counter meine Akten zu holen. Ich brumme "Good Morning" in die Richtung der Krankenschwester und warte darauf, dass sie mir die Akten gibt. Allerdings fägsst sie an:" Good Morning Dr. Ahrend. Maybe you know it. This week there is the further education and Miss Raine wanted to make some of the seminars but this morning she reported that she's ill and maybe you can fill while she's not there." Ich schaue die Schwester geschockt an, woraufhin sie erwidert, dass sie sich auch nach einer anderen Vertretung umschauen kann, aber dann merke ich, dass ich unmöglich nein sagen kann. Dr. Raine und ich sind in dem Gebiet Kinderwunsch die Spezialisten. Ich kann die Teilnehmer der Fortbildung jetzt nicht einfach sitzen lassen. Ich stimme zu und nehme alle Unterlage, die ich für das Seminar brauche in Empfang.
Ich bitte die Schwester darum die Teilnehmer darüber zu informieren, dass nicht die erwartete Seminarleiterin, sondern ich aufkreuzen werde und mache mich auf den Weg, um die Unterlagen noch schnell zu kopieren, damit ich jedem Teilnehmer eine austeilen kann. Als ich darauf warte, dass der Kopierer alle Blätter ausspuckt habe ich kurz Zeit zu verschnaufen. Und nun fangen auch die Gedanken, Vorwürfe, Hoffnungen und Ängste in meinen Kopf an zu schwirren. Was ist wenn ich es nicht schaffe in Julias Anwesenheit zu unterrichten? Wird sie sich freuen mich zu sehen? Vorhin schien es ja das Gegenteil gewesen zu sein.

Sicht Julia

Ich hab mich wohl verhört. Das kann doch nicht war sein. Ich bin schon wegen Niklas total aufgelöst und jetzt soll er auch noch die ursprüngliche Seminarleiterin vertreten. Ich schüttele kurz den Kopf und beschließe mir nichts anmerken zu lassen. Außerdem versuche ich mir klar zu machen, dass Niklas nichts mehr von mir will und bestimmt in der Zeit in der ich eine Tochter großgezogen habe, eine Menge Spaß mit anderen Frauen hatte. Mit jedem Gedanken, den ich mir über Niklas mache wächst die Wut in mir. Doch so lange kann ich mir keine Gedanken mehr über ihn machen, denn die Tür öffnet sich und er betritt den Raum. Er stellt sich vor uns und stellt sich vor. Ich versuche ihn möglichst nicht zu offensichtlich anzustarren, was mir bis jetzt glaube ich auch ganz gut gelingt. Allerdings kommt als nächstes die Aufforderung uns vorzustellen. Was eigentlich ja nicht schlimm ist, aber dann doch für diesen Moment die gesamte Aufmerksamkeit auf mich richten wird. Ich schaue mich in der Runde um und stelle fest, dass ich wohl die als erste an der Reihe bin, da mein Platz genauso gelegen ist. Also fange ich an:"Hello. I'm Julia Berger." stottere ich "And I'm from Germany." 'Ah hallo' kommt es fröhlich von der Seite. Ich lächel die muntere Frau, die zwei Plätze neben mir Platz genommen hat an. Schon werde ich mit weiteren Fragen bombardiert. 'What is the name of your hospital?' 'Where is it?' 'How long are you an doctor?' Ich beantworte alle Fragen sachlich und versuche Niklas so selten wie möglich anzuschauen. Aber als die Fragen langsam in mein Privatleben übergehen und die Frage kommt ob ich Kinder und eine Familie habe, wird mir doch etwas flau im Magen. In den paar Sekunden die ich zwischen der Frage und meiner Antwort Zeit habe schwirren tausend Gedanken in meinem Kopf herum. Vor allem was ich darauf antworten soll. Soll ich die Wahrheit sagen oder einfach sagen, dass ich keine Familie habe? Letztendlich schaue ich leicht in Niklas Richtung und entscheide mich für die Wahrheit. "I've a daughter." bringe ich hervor. Aber bevor die Fragerei weitergehen kann unterbricht Niklas uns und fordert den Nächsten auf sich vorzustellen. In dem Moment als dieser gerade anfangen will zu sprechen klingelt Niklas Handy, welches er aber sofort leise stellt. Ich schaue nach vorne und kann kurz einen Blick auf das Handy werfen. Ich erkenne die Siluette einer Frau mit Niklas an der Hand auf seinem Lockscreen. Also habe ich mir nicht umsonst eingeredet, dass er eine Frau oder Freundin hat. Ich habe mir alle Hoffnungen umsonst gemacht. Er braucht mich nicht mehr in seinem Leben. Die anderen Teilnehmer stellen sich weiter vor. Allerdings kriege ich davon nichts mehr mit. Danach fängt Niklas an zu reden, allerdings weiß ich davon schon einiges. Er hat mir anscheinend früher nichts vorenthalten und mir so ziemlich alles beigebracht. Hier und da schnappe ich ein bisschen Neues auf, was ich allerdings ohne die Handouts schon nach ein paar Minuten vergessen hätte. Nachdem die endlos zu scheinenden vier Stunden vorbei sind, verschwinden alle in Richtung Cafeteria, nur ich bleibe vor dem Raum stehen und halte mich an der Wand fest und hole tief Luft. Blöderweise habe ich dabei nicht bedacht, dass Niklas noch im Raum ist, denn plötzlich höre ich ein leichtes räupern von hinten. Ich schieße herum und murmel ein Tschuldigung und laufe den Gang hinunter. "Julia, warte." kommt es dann aber von Niklas. Ich bleibe mit dem Rücken zu ihm gewand stehen und schließe die Augen. Langsam drehe ich mich um und schaue ihn an. Ich werde definitiv nicht die Erste sein, die etwas sagt. Das kann er ruhig selber machen. Allerdings schaut er mich auch erstmal nur an, bringt dann allerdings doch hervor:"Es ist schon dich zu sehen." Ich nicke nur und versuche mich an einem Lächeln. Ich will mich gerade wieder umdrehen und weitergehen, da fragt Niklas:"Hättest du Lust anstatt in der Cafeteria zu essen mit mir essen zu gehen, hier um die Ecke gibt es ein ganz schönes Restaurant." Ich erschreckte mich vor seiner plötzlichen Zugenwandheit und weiß erstmal nicht, was ich sagen soll. Aber das habe ich davor ja auch nicht gewusst. Niklas führt im Prinzip ein Selbstgespräch, nur das ich die Zuhörerin bin, die stumm ist. " Komm lass uns erstmal hingehen, dann kannst du immer noch entscheiden." sagt Niklas. Ich laufe ihm hinterher und kurz darauf stehen wir vor dem Klinikum. Niklas schlägt den Weg ein, den ich vorhin auch hergekommen bin. Kurz darauf sitzen wir auf der Terrasse des Restaurants und Niklas macht sich auf den Weg etwas zu trinken zu holen. Ich schaue ihm hinterher und merke wie bescheuert es ist, dass ich jetzt mit ihm etwas essen gehe. Das hätte ich nicht zulassen können. Als er zurückkommt und sich setzt fange ich das erste mal heute an mit ihm zu reden:"Niklas. Was wird das hier?" Er schaut mich an und sagt:"Ich gehe mit dir essen, weil ich mich freue, dass wir uns nach sieben Jahren mal wieder sehen." "Ach ja. Und was sagt da deine Frau oder Freundin dazu, dass du mit deiner Exfreundin, mit der du vor sieben Jahren einfach so am Telefon Schluss gemacht hast, einfach so  essen gehst?" spreche ich nun etwas lauter. "Julia Hey." kommt es von Niklas. "Nein Niklas. Ich brauche jetzt nicht auch noch irgendwelche Beruhigungsversuche."werfe ich ihm entgegen. "Aber ich..."kommt es von Niklas, allerdings kommt er nicht weiter, denn ich springe auf und schreie ihn diesmal fast an:" Hast du auch nur einmal daran gedacht, wie das für mich ist? Du sagst mir am Telefon, dass du mich nicht mehr liebst, rufst mich danach tausend Male an und jetzt fragst mich heute einfach so, ob ich etwas mit dir essen gehe." Mir ist es egal, dass Blicke der anderen Gäste schon auf uns liegen. Ich bin gerade so in Fahrt, dass ich einfach weiterrede:" Vielleicht solltest du dieses mal vorsichtiger sein und deine Frau nicht am Ende noch durch deine Exfreundin ersetzten. Aber weißt du was mit mir kannst du das eh nicht machen. Ich bin in Erfurt mit meiner und übrigens auch deiner Tochter sehr glücklich." Mit diesen Worten steh ich auf und renne in den nahegelegenen Park. Dort setzte ich mich auf eine Bank und fange an zu weinen. So habe ich mir das alles nicht vorgestellt.

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