Wie alles begann

57 7 1
                                    

Ich bin in einem kleinen Haus groß geworden. In einer damals typischen Familie- Mutter, Vater, Kind. Als ich vier war, kam dann meine kleine Schwester auf die Welt. Sie ist das größte Glück, das mir passiert ist. Ich war (und bin es immer noch) die glücklichste große Schwester der Welt und stolz wie sonst was. Meine Kindheit verlief sehr glücklich. Mit drei Jahren meldete mein Vater mich beim Kampfsporttraining an. Bis zu meinem 8. Lebensjahr war das zusammen mit einem Elternteil, also hab ich das mit meinem Dad gemacht. Mit fünf Jahren hab ich angefangen zu reiten. Ich war schon immer ein sehr lebensfoher Mensch, der immer alles irgendwie ins Positive gewendet hat. Ich hab fast immer gelacht, selten geweint und war immer gut drauf. Ich war glücklich mit meiner Familie und konnte es nie so richtig fassen, so tolle Menschen zu haben. Alles schien perfekt.
2010 dann der erste große Schock- Mein Vater wurde mit einer schweren Alkoholvergiftung im Krankenhaus eingeliefert. Zwei Wochen später wurde er aber wieder entlassen... zwei Tage nach seiner Entlassung: erneute Einlieferung ins Krankenhaus aufgrund von Alkoholvergiftung und so zog sich das immer weiter heraus... Er wurde notfallmäßig in eine Klinik eingewiesen und ich habe ihn ganze 13 Monate nicht gesehen. Es war total schlimm für mich... Ich hatte es nie verstanden und hab mich jede Nacht in den Schlaf geweint und als ich am nächsten Morgen aufgewacht bin, hab ich wieder geweint... Niemand hätte gedacht, dass er mal an diesem Punkt sein würde... Ich meine, er hatte nie viel Getrunken außer ab und zu ein Bierchen aber auch nur an besonderen Anlässen wie Weihnachten, Silvester, Geburtstag, oder einfach mal im Restaurant... Nach 13 Monaten kam er dann nach Hause... Er sah gut aus, wieder einigermaßen gesund... Wir wurden Stück für Stück wieder eine Familie... Alles war so schön und es gab tatsächlich noch Hoffnung... Ende 2014 ich glaube im Oktober hat alles wieder von vorne angefangen... Sein Opa war gestorben, er hatte einen Rückfall. Es wurde immer schlimmer, schlimmer als je zu vor... Er hat immer mehr Alkohol getrunken, auch Wodka-Tampons anal eingeführt, lief gegen Schränke, Türen, usw... Ich hab das immer mit anschauen müssen... Es war Furchtbar... Außer mir hatte es offensichtlich niemand gemerkt. Auch wenn er immer total nach Alkohol gerochen hat, es ist scheinbar keinem aufgefallen oder niemand wollte es merken, ich weiß es nicht... Ich hab angefangen mich selbst zu verletzen... Auch das ist niemandem aufgefallen...
Einige Wochen später, Weihnachten und Silvester standen vor der Tür. Die Tage gingen schnell vorbei... Es war eine so schöne Zeit. Ich hatte für ein paar Momente vergessen, wie schlimm alles war...
8. Januar 2015; Mein Vater sollte auf mich aufpassen, da meine Mutter mit meiner Schwester meine Nachbarn am Flughafen abholen wollten... Ich hab auf der Straße mit Kreide gemalt... Er hat Gartenarbeit gemacht und alles lief super. Kurz nach 12 wendete sich das Blatt schlagartig... Er wurde total kalt, redete nicht mehr und stieg mit einer Flasche Wodka und einem total leerem Blick ins Auto. Ich kann mich an nicht mehr viel erinnern. Ich weiß nur noch wie ich geschrien hab: „Papa bitte bitte fahr nicht ohne mich ich liebe dich doch lass mich nicht alleine" Plötzlich fuhr er los... Einfach so... Ohne Rücksicht auf mich zu nehmen... Er fuhr mich ziemlich schlimm an und begang Fahrerflucht...
Ich war direkt bewusstlos. Meine Nachbarin hat das durch Zufall gesehen und gehört und direkt den Krankenwagen gerufen. Ich musste über eine Dreiviertelstunde reanimiert werden, hatte Nahtoderfahrungen und lag fast 5 Wochen im Koma. Die Ärzte meinten, entweder ich schaff es, hab dann die nächsten Jahre viel vor mir und muss viel Stärke beweisen, hab dann aber die Chance auf ein fast unbeschwertes Leben, was aber total unwahrscheinlich sei. Wahrscheinlicher wäre es, sie stellen die Geräte ab und ersparen mir das alles, da ich das alles wahrscheinlich nicht durchhalten werde. Die wussten glaub ich auch nicht genau was sie wollten... Niemand außer meiner Oma hat von Anfang an an mich geglaubt, NIEMAND! Mein Gesundheitszustand wurde aber besser und besser. Nach 3 Wochen ungefähr wurde ich Stück für Stück aus dem Koma rausgeholt. Anfangs waren es 10 Minuten, dann eine halbe Stunde, eine Stunde usw... Nach fast fünf Wochen war es soweit, dass ich ganz aus dem Kona geholt wurde. Und oh mein Gott, ich kann mit Sicherheit sagen, dass es die schlimmste Zeit meines Lebens war. Ich hab zwar das Meiste verdrängt, dennoch weiß ich, dass ich die ganzen Geräte- und die Ärzte und Schwestern reden gehört hab... Und auch meine Familie hab ich trotz dass ich ja nicht wirklich da war, verzweifelt erlebt. Außerdem hab ich sehr sehr viel geträumt. Wie Alpträume, aus denen man nicht erwachen kann... Es war einfach mehr als nur schlimm und alles andere als leicht... Aber ich habe um mein Leben gekämpft und diesen Kampf auch gewonnen. Als ich über den Berg war, meinte die Schwester, ich könne jetzt zweiten Geburtstag feiern. Und das machen wir auch jedes Jahr.
Es ging sichtlich bergauf und es gab so wunderschöne und unvergessliche Momente. Das erste Mal Essen, Sprechen, Laufen, nach drei Monaten von der Intensivstation runter zu kommen, das Krankenhaus nach über 7 Monaten wieder auf eigenen Beinen verlassen zu können und vor allem das erste Mal wieder reiten! Ja, ihr habt richtig gelesen- ich reite wieder! Ein Pferd aus meinem Stall hat das ermöglicht. Er war immer für mich da! Ich bin so oft neben ihm- und auch teilweise auf seinem Rücken eingeschlafen und er war bei mir und hat auf mich aufgepasst. Er ist einfach immer für mich da gewesen und ist es auch heute noch. Nicht nur als ich bewusstlos am Boden lag, sondern auch als ich jemanden zum Reden brauchte. Ohne ihn hätte ich das alles NIEMALS geschafft und würde es jetzt immer noch nicht so gut schaffen. Ohne ihn würde ich nicht mehr leben... er hilft mir immer so unglaublich viel. Gerade auch weil ich noch sehr oft im Krankenhaus bin und er mir total Kraft und auch einen Grund weiter zu leben gibt.
Dank ihm bin ich, wer ich bin... Lebensfroh, Dankbar Leben zu dürfen, die Depression geschafft zu haben und vor allem bin ich GLÜCKLICH!

Mein Weg zurück ins LebenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt