"Krieger von Asgard, die ihr euch einer schwierigen Aufgabe gestellt habt: Ich heiße euch alle herzlich willkommen zur diesjährigen Großen Jagd! Liebes Volk von Asgard ..."
Loki blendete die Rede des Allvaters völlig aus. Er konnte noch immer kaum glauben, dass er hier neben Thor saß, auf einem eigenen Pferd, bereit auf die große Jagd loszuziehen.
"Sag mal, Thor, wie hast du das eigentlich geschafft?"
Der Donnergott grinste nur unschuldig und schenkte der Menge ein Winken, wie es all die anderen Krieger taten. An diesem einen Tag war es nämlich egal, ob er ein Prinz, Thronfolger oder der Donnergott war: hier und heute war er den anderen Männern gleich. Die Asen hatten ohnehin ganz unterschiedliche Favoriten und auch wenn offizielle Wetten nicht angenommen wurden, war Loki sich sicher, dass eine Menge Gold im Spiel war.
Der Allvater sah zu ihnen beiden herüber und Thor schenkte ihm ein breites, zufriedenes Lächeln. Schmunzelnd sah Loki zwischen ihnen hin und her. So war das also gelaufen. Erpressung.
"Bist du bereit?" Thor lenkte sein Pferd wieder neben ihn, das unruhig tänzelnd nur darauf zu warten schien, endlich loszupreschen, vor allem, da der Allvater seine Rede beendet hatte.
"Bist du es denn?", gab Loki zurück und irgendwie klang seine Antwort ernster als er es beabsichtigt hatte.Ihr beide seid nun mal jung und unerfahren.
Stumm nickte Loki. Sie waren verdammt jung und unerfahren. Er selbst war mit seinem Können höchstens ein besserer Hochstapler und auch wenn Thor stark war, die anderen Männer sahen nicht minder trainiert aus. Viele von ihnen bereiteten sich ein ganzes Jahr lang vor, um möglichst große Chancen auf den Sieg zu haben, ebenso wie sie gemeinsam mit einem erfahrenen Magier loszogen. Mit einem, der etwas mehr konnte, als hübsche Illusionen zu zaubern. Je näher der Startschuss rückte, desto eher hatte Loki das Gefühl, dass das alles eine verdammt schlechte Idee war.
Doch ehe er auch nur einen Einwand erheben konnte, ertönte ein tiefes Horn und die Pferde preschten vollkommen automatisch los, als wäre soeben Krieg ausgebrochen. Überall hallte lautes Gebrüll der Männer über die Wiesen, auch Thor fiel mit ein und trieb seinen weißen Hengst immer weiter an die Spitze. Loki hatte Mühe, zu ihm aufzuholen, schaffte es aber, ihn im Auge zu behalten und ganz allmählich teilte die Masse der Reitenden sich auf Ebenen Asgards auf. Einige ritten nördlich, andere westlich oder östlich, ja einige Krieger zogen sogar in den Süden, um neuesten Gerüchten nachzugehen (ein Fischer hatte angeblich eine Bilgenschlange gesehen ... tatsächlich allerdings hatte besagter Fischer schwarze Haare und eine Menge Unfug im Kopf, außerdem gab er sich gerne als jemand aus, der er nicht war).
Auf diese Art waren immerhin ein paar Konkurrenten weniger im Rennen, denn es gab natürlich keine Bilgenschlangen im Süden. Das wusste doch jedes Kind.
Bald schon war von den anderen Kriegern kaum etwas zu sehen, die Wenigsten schienen Thors Route einschlagen zu wollen und das war auch Loki nicht entgangen. "Wo willst du eigentlich hin?"
Thor zügelte seinen Hengst ein wenig, nahm ein moderates Tempo an und Loki tat es ihm gleich, bis die Tiere in einen ruhigen Schritt verfielen und sich dankbar schnaubend von dem Galopp erholten. "Ins Moor, natürlich."
"In die Sümpfe?" Blinzelnd wollte Loki fragen, ob er sich verhört hatte, doch der Prinz ließ ihm keine Gelegenheit.
"Ganz genau. Dort finden wir die Schlangen schneller als alle anderen!"
"Und dort finden wir auch die wenigen anderen, die genug von sich und ihrem Begleiter halten, um in die Sümpfe zu ziehen. Thor, das ist Wahnsinn!"
Der Donnergott grinste nur und sah zu ihm herüber. "Richtig. Wir räumen die wenigen Teams, die uns in die Quere kommen, aus dem Weg, finden eine Bilgenschlange und erlegen sie."
"Es klingt so einfach wenn du das sagst." Genervt murrend warf Loki einen Blick auf die Landschaft, suchte sie nach potenziellen Gefahren ab.
Von jetzt an konnte es ein paar Tage dauern bis ein Sieger feststand und es gab nur wenige Regeln: Die anderen Wettstreiter nicht verstümmeln und nicht töten. Außer Gefecht setzen war hingegen vollkommen erlaubt und Loki spürte die stetige Anspannung in seinem Körper steigen. Hinter jedem Felsen, unter jedem Stein und auf jedem Baum konnte ein Hinterhalt lauern und verdammt, er war sicher, Thor würde Rivalen anziehen wie Licht die Motten. Jeder wollte von sich sagen können, den Prinzen besiegt zu haben. Sie würden doppelt vorsichtig sein müssen.
"Ist das dein erstes Mal?", wollte Loki nach einer schweigsamen Weile wissen und erntete nur einen verständnislosen, ja fast verwirrten Blick. An was dachte dieser Idiot bitte schon wieder? "Ich meine die große Jagd", fügte er an, als Thor einfach keine Antwort gab.
"Oh. Ja, ich nehme zum ersten Mal teil. Denn wie du weißt, dürfen nur Asen mit bestandener Reifeprüfung teilnehmen."
Loki schnaubte. "Ganz genau. Ich sollte nicht hier sein. Weder bin ich Ase, noch habe ich irgendeine dämliche Prüfung bestanden."
"Loki ...!"
"Na gut, na gut, sprich weiter."
Thor seufzte, kam aber nicht umhin doch leicht zu grinsen. "Ich bin Thor, der Donnerer, Odins Sohn, der stärkste..."
"... und jüngste ...!"
"... Krieger von Asgard. Niemand wird sich mit mir anlegen wollen, wir finden also die Schlange, ich erledige sie und dann reiten wir siegreich nach Hause."
Kopfschüttelnd rieb Loki sich über die Stirn. "Und wozu genau brauchst du da meine Gesellschaft?"
"Du bist unterhaltsam!"
"Unterhaltsam? Ernsthaft?"
"So war das nicht gemeint ... ich ... erzähl mir von deinem ersten Mal."
Der abrupte Themenwechsel ließ Loki fast aus dem Sattel gleiten und seine Stute beschwerte sich mit einem launenhaften Bocken. Hatte Thor ihn gerade nach seinem ersten Mal gefragt? Erstes Mal wie ... erstes Mal Jagd, oder erstes Mal Sex?
Bei Thors zweideutigem, jugendlichen Grinsen war ihm allerdings schnell klar, dass der Prinz tatsächlich eine extrem intime Frage gestellt hatte, die keinen Erklärungsbedarf erforderte. Noch immer überrumpelt senkte Loki den Kopf, den Blick auf saftiges Gras und stetig trottende Hufe gerichtet. "So etwas fragt man nicht einfach so, Thor."
"Wieso? Wir sind zwei Männer die ausreiten, das Wetter und die Natur genießen. Brauchst du erst Wein, um darüber zu reden?"
"Nein!", entwich es Loki eine Spur zu heftig und er räusperte sich verlegen. "Nein ... es ist nur ... es gibt nicht viel zu erzählen."
"Wie meinst du das?"
"Genau so, wie ich es sage."
Nun war es an Thor die Augen zu weiten. Einen Moment lang wirkte es, als wäre der Donnergott in seinem Sattel eingefroren. "Warte, das heißt du hast noch nie ...?"
"Ganz genau. Brauchst du eine magische Leuchtreklame, um es zu verstehen?" Loki schielte zu Thor, doch der war zu erstarrt, um zu antworten. Es war ganz offensichtlich, was der Prinz dachte, er war nicht besonders gut darin seine Gedanken zu verbergen. Sie flogen Loki förmlich entgegen und mit leicht roten Wangen senkte er wieder den Blick. Trotzdem ruhten die sturmblauen Augen auf ihm, er fühlte es und machte ihn nervös.
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Herz über Kopf #1
Fanfic|| Alternatives Universum || Loki ist als junger Mann in Asgard aufgeschlagen, ohne Erinnerung an seine Herkunft, oder Vergangenheit. Das Einzige, was er zu wissen glaubt, ist sein Name: Loki. Er schafft es vom Straßendieb zum Magier, doch sein All...