Wie das Leben so spielt

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Loki lernte mehr denn je. Er hatte keinen Unterricht bei Frigga verpasst und spürte schnell, dass sie über jenen Vorfall in den Ställen Bescheid wusste. Doch die Königin war nur umso freundlicher zu ihm und Loki war dankbar dafür, dass sie ihn während ihrer gemeinsamen Zeit wie ihr eigenes Kind behandelte, ohne ihn zum Reden zwingen zu wollen, oder ihm Predigten zu halten.


Bei ihrem ersten Wiedersehen, nach dem nächtlichen Treffen mit Odin vor den Ställen, hatte sie ihn wortlos in den Arm genommen und so hatten sie verharrt, Stunden, Weilen, Ewigkeiten, bis Loki sich mutig genug gefühlt hatte, ihren wachen Augen zu begegnen. Frigga hatte nichts gesagt, doch ihr warmes Lächeln und ehrliches Mitleid waren zu viel für Loki und er war erneut in stummen Tränen ausgebrochen. Bis Frigga ihm angeboten hatte, etwas in den Gärten spazieren zu gehen.

Seither trafen sie sich nahezu täglich, aber es gab auch nichts, was Lokis Zeit sonst in Anspruch nehmen konnte. Er hatte Thor seit Tagen nicht mehr zu Gesicht bekommen und immer, wenn er den Mut fand, nach dem Kronprinzen zu fragen, wurde er abgewiesen; Thor wäre mit Lady Sif beschäftigt.

Meister Eriks Unterricht fand am Tag statt, während die Nacht Frigga und den Schattenkünsten gehörte. Loki war ein begieriger Schüler, in wenigen Monaten lernte er, was manche in Jahren kaum schafften und bald war Frigga mehr damit beschäftigt, ihn zu zügeln, als ihn zu unterrichten.„Du bist ein Naturtalent", lobte sie ihn stets, auch wenn in ihren Augen ein trauriger, nahezu wehmütiger Blick lag, wenn Loki mühelos seine Gestalt änderte und sich vervielfältigte, den Wachen einen Streich spielte oder sich derart lautlos bewegte, dass selbst Frigga ihn bald nicht mehr wahrnahm.

Eines Tages allerdings war Loki mit seinen Gedanken vollkommen woanders. Er redete kaum, nickte höchstens, wenn Frigga etwas fragte und mit besonders wenig Elan versuchte er, die ihm gestellten Aufgaben zu erfüllen, bis die Königin schließlich gut hörbar aufseufzte. "Loki, möchtest du reden? Du bist so furchtbar abgelenkt."

Loki sah von den Antimagie-Ketten auf, die er gerade  mit einem Stück Draht zu öffnen versuchte. Er wollte schon den Kopf schütteln, doch der ehrliche Blick aus grünblauen Augen berührte etwas tief in ihm, das noch Hoffnung auf einen guten Ausgang seiner verkorksten Geschichte hegte. Kurz sah er zur Seite, ließ den Draht schließlich hinter sich auf den Tisch fallen (er saß lieber auf der Tischkanten als auf Stühlen) und seufzte. Eine Weile musterte er die Königsmutter stumm, die sich lautlos einen Sessel heranzog um sich ihm gegenüber niederzulassen."Wer ist diese Lady Sif?", fragte er schließlich frei heraus.Friggas Miene verriet, dass sie diese Frage befürchtet hatte, dennoch dachte sie kurz nach, als müsse sie ihre Worte mit Bedacht wählen. "Sif ist eine junge Kriegerin aus Asgard. Schon früh entschied sie sich für diesen Pfad und wurde mit zwölf Jahren zu den Valküren geschickt, um als Kriegern ausgebildet zu werden. Sie war ein aufmerksames Kind, sehr talentiert, und sie hat Thor schon immer bewundert.""Bewundert", schnaubte Loki abfällig.Frigga lächelte nur müde. "Das hat sie nicht verdient, Loki. Sif kam vor einigen Monaten zurück, als junge starke Frau, die unseren Männern in nichts nachsteht. Der Allvater hat gleich eine würdige Frau an Thors Seite gesehen und eine Verlobung vorgeschlagen. Was so gesehen auch die absolut günstigste Alternative für unser gesamtes Volk ist."Loki schwieg eine Weile. Dieses Thema verletzte ihn noch immer mehr, als er dachte. Es war hart, positive Dinge über jemanden zu hören, der ihm das, was er am meisten begehrte, vor der Nase weggeschnappt hatte, einfach so. Jedes Wort der Königin fühlte sich an, wie ein Messer, das in seine Eingeweide gerammt wurde. Aber er hatte ja förmlich darum gebettelt."Die Verlobung ist morgen, aber das weißt du sicher. Ich nehme an, du wirst trotz offizieller Einladung nicht dort sein? Thor würde sich sicher freuen.""Nein!", fuhr Loki vehement dazwischen. 

Herz über Kopf #1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt