Den Rest der Woche verbrachte ich damit mich für das kommende Schuljahr vorzubereiten, immer pünktlich in der Bibliothek anzutanzen und meinem Dad vorzuspielen ich würde noch am Leichtathletik Team teilnehmen. Letzteres stresste mich von dieser Liste am meisten, vorallem da Dad seit neustem darauf bestand, dass wir einmal pro Tag gemeinsam am Esstisch saßen. Die meiste Zeit davon schwiegen wir uns an und genossen das frisch gekochte Essen, das entweder ich oder unser Haushälter, Montgomery, für uns zubereitet hatte. Glücklicherweise lenkte mich dieser ganze Sturm in meinem Kopf davon ab mir über Miles Gedanken zu machen. Zumindest bis zum heutigen Abend.
In Jogginghose und Sweatshirt saß ich auf meinem Bett und starrte wie benommen in mein aufgeschlagenes Biologie Buch.
Grundlagen der Vererbung, zierte die aktuelle Seite. Ich hatte bestimmt seit über einer Stunde nicht weiter geblättert, doch nur weil mich vor - ich warf einen Blick auf meinen Computerbildschirm - inzwischen 54 Minuten Maeve angerufen hatte um mit mir gemeinsam zu lernen. Nachdem wir die halbe Seite und zwei Abbildungen gemeinsam durchgegangen waren, stellte sich heraus, dass Maeve garkeine Lust hatte zu lernen und sich viel lieber für einen Ausgehabend zurecht mache wollte.Als mein Blick von meinem Biologie Buch zu dem noch laufenden Videotelefonat wechselte, verfluchte Maeve gerade den Lockenstab in ihrer Hand und rammte ihn auf den Tisch.
"Ganz im Ernst, wer schafft es sowas zu verwenden, ohne sich dabei die Finger abzubrennen?"Ich unterdrückte ein amüsiertes Schmunzeln und beobachtete sie dabei wie sie mit einer großen Plastik Haarbürste frustriert durch ihr Haar fuhr.
"Ich verstehe nicht, wieso du deine Haare nicht einfach glatt lässt. Du hast so ein Glück damit, dass sie von Natur aus so sind."
"Ich finde sie aber schrecklich so", protestierte sie wie ein kleines Kind und stand von ihrem Schminktisch auf. Sie verschwand aus dem Bild und das nächste das ich hörte waren das öffnen einer Tür und Maeves genervte, laute Stimme: "Okay Paisley, ich brauche doch deine Hilfe!"Wenige Sekunde danach kam sie auch schon wieder zurück, jedoch gefolgt von ihrer Schwester. Paisley bemerkte mich nicht sofort, doch als sie ihre großen, grünen Augen auf Maeves Computer richtete, erhellte sich ihr Gesicht.
"Allie! Von dir habe ich ja ewig nichts mehr gehört. Wie geht's dir? Du bist seit Montag wieder in der Schule, stimmt's?"
Sie strich sich ihre welligen, blonden Haare hinter die Ohren und hielt bereits den erhitzten Lockenstab in der Hand, während Maeve noch die richtige Position suchte um vor ihrer Schwester Platz zu nehmen.
Dass Paisley zugestimmt hatte ihr zu helfen, war einerseits ziemlich vorhersehbar gewesen, erstaunte mich andererseits doch. Dieses Mädchen war der Inbegriff von Launen und Stimmungsschwankungen. So sehr man sie in manchen Momenten bewunderte, konnte man ihre Art auch nicht sonderlich lange aushalten. Auf mich traf wohl eher zweites zu. Daraus machte ich kein Geheimnis. Doch mich mit ihr zu zerstreiten oder gar zu verfeinden stand mir nie im Sinn. Ich war nett zu ihr und sie war nett zu mir. So gut wir eben konnten.Paisley war nur ein Jahr älter als Maeve und ich und daher das mittlere Kind der Familie. Falls ihr das jemals irgendwie zugesetzt hatte, ließ sie es sich nicht ansehen. Paisley gehörte nicht nur zu der Sorte Mädchen die man vom ersten Augenblick an schön fand, sie hatte auch noch was im Köpfchen. Einen Noten Durchschnitt von 1.1 zu halten und gleichzeitig die Wochenenden damit zu verbringen die ganze Nacht unterwegs zu sein, konnte man eindeutig als Segen bezeichnen.
"Gut und ja", ich stockte. "Ich bin wieder voll und ganz hier."
Nickend streckte sie die Hand nach ihrer Schwester aus, griff nach einer dicken Strähne und wickelte sie um den Lockenstab. Nach einigen Sekunden ließ sie das ausgewählte Haar wieder los und es gab sich gelockt der Schwerkraft hin.
Dies wiederholte sie mit Maeves ganzen Haarschopf. Es hatte was beruhigendes Paisley dabei zuzusehen, wie sie konzentriert die Haare ihrer Schwester bearbeitete, welche sich allein ihrem Smartphone widmete.
Erneut versuchte ich mich auf meinen Lernstoff zu konzentrieren und begann die ersten paar Zeilen zu lesen. Ich wusste, dass ich es heute zu keinem weiteren Fortschritt mehr bringen würden. Kaum hatte ich einen Satz beendet, begannen die Buchstaben vor meinem Auge zu verschwimmen. Ich versuchte mir die folgenden Wörter selbst zusammen zu reimen, doch trotz meines Wissens aus dem Biologie Unterricht, brachte ich nichts sinnvolles zustande. Ich atmete schwer aus und klappte das Buch geräuschvoll zu.
"Bist du dir sicher, dass du nicht mitkommen willst?", hörte ich Maeve plötzlich fragen und als sich mein Blick wieder auf den Bildschirm richtete, sah ich dass ihre gelockten Haare sanft ihr Gesicht umrandeten und Paisley nirgends mehr zu sehen war.
Ich schüttelte den Kopf und zog mein Smartphone unter meinem Kopfkissen hervor. Dort versteckte ich es immer, wenn ich vor hatte zu lernen. Einfach um mich nicht so einfach ablenken zu lassen.

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Until We Fall
Teen FictionKurz nach dem Tod ihrer Mutter verlässt Alyssa Davis, zusammen mit ihrer Familie, Amerika. Als sie ein Jahr später wieder in ihre Heimatstadt zurückkehrt, scheint alles beim alten geblieben zu sein. Zumindest solange man nicht hinter die schönen Fas...