Ich dachte, ich hatte die richtige Entscheidung getroffen. Doch im Nachhinein fiel mir auf, dass egal wie ich mich entschieden hätte, es wäre immer dadurch entstanden, dass Miles es beeinflusst hätte. Ging ich zum Pier, dann nur, weil ich Miles etwas beweisen wollte. Blieb ich daheim, dann nur, weil ich mir selbst etwas beweisen wollte.
Es war, als wäre mein Leben plötzlich von ihm abhängig gewesen.Schlussendlich hatte ich mich dazu entschlossen den Weg zu gehen, den ich gegangen wäre, wenn Miles gar kein Teil von meinen Gedanken wäre.
Ich lief also seit inzwischen 20 Minuten die Straße, an der unser Haus lag, entlang und lauschte meinen eigenen Atemzügen. Die kühle Abendluft tat meinen brennenden Lungen gut und der Himmel wurde in ein dunkles violett getränkt. Hätte die grelle Straßenbeleuchtung nicht den Asphalt beleuchtet, hätte ich keine drei Meter weit gesehen. Ohne meine Brille, fühlte ich mich in der Dämmerung wie ein Maulwurf. Doch wenn ich laufen ging, trug ich sie eigentlich nur bei Kurzstrecken. Und für heute war keine Kurzstrecke geplant.
Meine erste Pause legte ich nach 40 Minuten ein, als mein Handy in meiner Bauchtasche zu vibrieren begann. Nur wenige Schritte weiter ließ ich mich an einer Haltestelle auf eine Bank sinken, machte zwei große Züge aus meiner Wasserflasche und zog das Telefon aus meiner Tasche.
Maeves Name blitzte auf dem Sperrbildschirm auf und darunter vier neue Nachrichten.Wir müssen reden.
Es ist etwas passiert.
Kannst du kommen?
Ich brauche dich hier. Bitte.
Ich stieß einen erschöpften Seufzer aus und warf meinen Kopf in den Nacken.
Maeve wusste, dass ich nicht vor hatte zum Pier zu gehen. Und sie wusste auch, woran das lag. Deswegen war ich mir sicher, dass sie mich nicht hinlocken würde, wenn es nicht absolut wichtig war.Ich richtete mich auf und sah mich für einige Sekunden um. Der Ortsteil, in dem ich mich gerade befand, war zu Fuß gerade mal 10 Minuten vom Pier entfernt und auch wenn ich in diesem Moment nicht unbedingt mein bestes Party - Outfit trug, zog ich meinen Pferdeschwanz zurecht und machte mich auf den Weg.
Ich legte den größten Teil der Strecke gehend zurück, da ich nicht vor hatte komplett verschwitzt auf Leute zu treffen, die ich ohnehin nicht leiden konnte. Deswegen erreichte ich mein Ziel nicht nur etwas verspätet, sondern auch ein wenig unterkühlt.
Ich machte vor dem riesigen Eingangstor mit der Aufschrift Morey's Pier halt und betrachtete die darin umherlaufenden Menschen. Ich hatte gehofft Maeve vielleicht schon zu entdecken, ohne das Geschehen wirklich betreten zu müssen.
Doch Fehlanzeige.Beim Betreten des Piers ließ ich diverse bekannte Gesichter hinter mir. Auch wenn ich nur erahnen konnte, was ihnen bei meinem Anblick durch den Kopf ging, fühlte es sich an, als würde jeder einzelne in mir nur das hilflose, reiche Mädchen sehen, das seine Mutter verloren hatte.
Vielleicht war es doch ein Fehler gewesen hier aufzutauchen. Wenn ich ehrlich war, wusste ich gar nicht, was mich dazu geritten hatte. Ich hätte Maeve ganz einfach anrufen können. Und wenn ich noch ehrlicher war, wusste ich es ganz genau. Miles Wyatt und mein dominierender Drang den nicht existierenden Wettkampf zwischen uns zu gewinnen. Was machte mich nur so versessen nach diesen Typen?Ich war schon vor dem Tod von Mom bekannt dafür gewesen mich wenig auf Festen oder Partys Blicken zu lassen, doch dass sich am ersten Samstag Abend nach Schuljahresbeginn alle Schüler am Pier versammelten war zu so etwas wie einer Tradition geworden. Um ehrlich zu sein war es hier sogar irgendwie cool. Essensbuden und Schießstände wechselten einander ab, bis man in das Zentrum des Piers gelangte, wo sich neben einem beleuchteten Riesenrad und einer befüllten Achterbahn, noch weitere Attraktionen befanden, die für den gewollten Adrenalinkick sorgen konnten. Repetitive Musik strömte durch an Laternen befestigte Lautsprecherboxen und verstummte beinahe dank den lauten Stimmen der sich tummelnden Menschenmassen.
Ich wagte erneut einen Blick auf mein Handy, doch bis jetzt waren keine neuen Nachrichten von Maeve eingetroffen.

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Until We Fall
Teen FictionKurz nach dem Tod ihrer Mutter verlässt Alyssa Davis, zusammen mit ihrer Familie, Amerika. Als sie ein Jahr später wieder in ihre Heimatstadt zurückkehrt, scheint alles beim alten geblieben zu sein. Zumindest solange man nicht hinter die schönen Fas...