7 // Smaragdgrün

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Musikvorschlag: Daughter- Run

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Mein Körper wird gefangen gehalten vom Schock. Wie eine zweite Haut legt er sich um mich und hält mich fest. Ich bin nicht in der Lage mich zu bewegen und ich bin mir sicher, mein Herzschlag setzt für einige Sekunden aus, mein Atem ebenfalls.

Mein Blick ist gefesselt an das tödliche Auge der Pfeilspitze. Das feindliche Geschrei meines Gegenübers höre ich nur abgedämpft, verschwommen erklingt es in meinen Ohren. Dennoch, kann ich nicht reagieren.

"Wer seid Ihr?", ertönt es klar.

Mein Verstand, überwältigt von der Angst. Die Angst, vor der Waffe die zwischen meine Augen zeigt. Schritte dröhnen in meinen Ohren. Die Aufmerksamkeit, die auf mir liegt, nehme ich kaum wahr. Wo ist mein Mut?

"Ist sie geisteskrank, oh Herr?", fragt eine empörte Frauenstimme etwas weiter weg ,"Ist sie eine Hexe?"

Das Wort lässt das Blut schneller durch meine Venen pumpen. Endlich kann ich meinen Blick dem Pfeil entreißen. Hexe. 

Die grauenhafte Erinnerung schleicht sich in meine Gedanken. Ich habe mit ansehen müssen, was sie mit den vermeintlichen 'Hexen' anstellen. Die qualvollen Schreie haben sich in mein Gehirn gebrannt. Die schmerzverzerrten Gesichter der unschuldigen Frauen jagen mich bis heute. Die bitteren Schluchzer, von denen man weiß, dass es ihre letzten sein werden. Die angsterfüllten Hilferufe, bei denen es klar ist, dass ihr Schicksal nicht verhindert wird. 

Die hoffnungslosen letzten Minuten ihres Lebens.

Und meine Reglosigkeit, wird meine letzten Minuten bestimmen.

Doch der Schock hält mich immer noch in seinen Klauen.

Der Mann schreit wieder, Worte auf die ich mich nicht konzentrieren kann. Dennoch helfen sie mir; sie lassen meinen Verstand langsam wieder zu Sinnen kommen. Allmählich versuche ich unscheinbare Schritte nach hinten zu machen.

Vergebens. 

Auf einmal geht alles langsam, so grauenhaft langsam.

Ich schließe meine Augen, denn ich will nicht sehen, wie mich der Pfeil trifft. Es erscheint ein Bild, welches mich erschaudern lässt, es ist mir fremd. Es heißt man sieht die Menschen, die man liebt und die schönen Erinnerungen an sie, kurz bevor man stirbt. Jedoch weiß ich nicht, was sich gerade auf dem Schwarz meiner Augenlider abspielt. 

Das Entrasten des Pfeils hallt durch die Gasse, das Zischen bewegter Luft ist zu hören und dann ein widerliches Schmatzen. Das Schmatzen von Blut, das Schmatzen von Fleisch.

Aber...ich spüre nichts. Bin ich bereits tot? 

Ich warte, auch wenn ich nicht weiß worauf.

Lebe ich? 

Meine Augen zucken wie von allein auf und was mein Blick erfasst, lässt mich beinahe würgen. Augen; in den Kopf gerollt. Lediglich die weiße Lederhaut und kleine rote Äderchen sind zu sehen. Das Gesicht so schrecklich bleich, wie in weiße Farbe getunkt. Die Lippen blass, meine Augen flattern, als ich etwas Rotes auf ihnen aufblitzen sehe. 

Ein dunkelroter Tropfen.

Mein Blick folgt der kontrastreichen Spur über das Nasenbein. 

Immer mehr Flüssigkeit fließt herunter, sie verleiht seinem Gesicht Farbe.

Doch das Schlimmste ist die metallische Spitze. Sie ragt durch die empfindliche Haut zwischen den Augenbrauen heraus. Die Spitze, die durch die dickflüssige Röte gezogen wurde und nun in ihr trieft. Die Spitze, die sich von hinten durch seinen Kopf gedrückt hat und einen Teil der Haut mitgerissen hat. Ehe ich mir den Anblick einprägen kann, fällt der Mann zu Boden.

Time traveler // h.s.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt