3 // Geschichten aus der Kindheit

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Musikvorschlag: Irgendwas ruhiges:D ich hoffe diese Kapitel langweilen euch nicht._. Ich hab beim Schreiben von Passenger das Lied Holes gehört:) der Text passt nicht so gut, aber hauptsache die Meoldie ist ruhig (Am Besten hört ihr irgendeine Acoustic-Version von einem Lied, mit dem ihr viele Gefühle verbindet) 

Viel Spaß beim Lesen♥:)

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Mein müder Blick fixiert Williams Rücken. Ich muss mich anstrengen, meine Augen offen zu halten. Immer wieder fallen meine Augenlider zu, weshalb ich meinen Kopf schüttle, um mich wach zu halten.

Das leise Tippen der Tasten des Computers bewirken eine friedliche Stimmung. Unsere leisen Atemzüge erleichtern es mir auch nicht gerade, den Kampf gegen das Einschlafen zu gewinnen.

Plötzlich rüttelt jemand an meiner Schulter. Erschrocken blinzle ich ein paar Mal, um meine Augen an das Licht zu gewöhnen. Als ich nicht mehr völlig verschwommen sehe, erkenne ich das müde Gesicht des Wissenschaftlers. 

Anscheinend habe ich doch geschlafen. Merkwürdig.

"Was gibt's Neues?", frage ich verschlafen und reibe mir kurz den Schlaf aus den Augen. "Ich bin nicht sehr weit gekommen, einen kleinen Fortschritt habe ich aber gemacht. Ich wollte nur sagen, dass du gerne schlafen gehen kannst", erzählt er mir ruhig. Ich lächle müde und nicke. Er widmet sich wieder seiner Arbeit und ich mache mich auf den Weg zu meinem Schlafzimmer.

Mühevoll erhebe ich mich vom Zahnarztstuhl und bewege mich auf die Tür zu. Im Vorbeigehen murmle ich ein "Gute Nacht" und verlasse dann das Labor. Ich biege nach links und laufe den schmalen Gang entlang. Meine kraftlosen Beine tragen mich die Metalltreppe runter. Jeder Schritt hallt im Treppenhaus. Und schon bin ich an der hölzernen Wohnungstür angekommen. 

Das Labor und andere Forschungsräume stechen einem zuerst ins Auge, wenn man unser Haus betritt. Obwohl es von außen eher aussieht, wie eine heruntergekommene Lagerhalle. Der Boden besteht aus hellgrauem Beton und die Wände bestehen aus kalten Ziegelsteinen, welche von künstlichem Licht erhellt werden. Erst wenn man durch die braune Tür zur eigentlichen Wohnung geht, bemerkt man den starken Kontrast. 

Die Einrichtung ist gemütlich und besteht fast ausschließlich aus dunklem Nussbaumholz. Das gedämpfte gelbe Licht ist deutlich angenehmer, als das weiße stechende Leuchten der Röhrenlampen. Man fühlt sich sofort wohl, anders als im vorderen Teil des Gebäudes. 

Als ich klein war, sagte William mal zu mir: "Lagerhalle mit einem Hauch von Landhaus. Genau so sonderbar, wie ich."  Schon damals haben mich diese Worte zum Lächeln gebracht. Es ist schön Menschen zu sehen, die das machen, was ihnen gefällt. Ich finde es beeindruckend, dass er negative Meinungen einfach an sich abprallen lassen kann. Es interessiert ihn nicht was Andere denken, solange es ihn glücklich macht. Genau mit dieser Einstellung bin ich demnach auch aufgewachsen. Jedoch fällt mir das nicht immer ganz so leicht, wie ihm.

Erschöpft lasse ich mich auf mein Bett fallen. Der vertraute Geruch unseres Waschmittels steigt mir in die Nase und ich fange an zu grinsen. Er hat schon immer zu viel davon benutzt. Meine Klamotten lasse ich einfach an. Kurz darauf schlafe ich auch schon ein, in Gedanken bei meiner Kindheit.

Fest drückte mein fünf-jähriges-Ich die Hand von William. Besorgt schaute ich zu ihm hoch. "Willi? Was passiert jetzt?", fragte ich weinerlich. Lächelnd schaute er zu mir herunter. "Jetzt kriegst du eine Spritze. Aber keine Sorge, es ist nur ein kleines Pieksen. Starken Mädchen wie dir macht das nichts aus. Und dann, schläfst du ein. Du träumst von etwas Schönem. Etwas, das dir gefällt. Vielleicht eine Blumenwiese. Vielleicht von einem riesigen Schokoladeneis. Vielleicht aber auch von deiner neuen Stoffgiraffe, die du so lieb hast. Währenddessen passe ich auf dich auf. Ich beschütze dich, während du friedlich träumst. Niemanden werde ich in deine Nähe lassen und wenn du dann wieder aufwachst, werde ich da sein. Und du wirst die beste Umarmung bekommen die du je hattest, dann könnten wir Eis essen gehen, aber nur wenn du mir jetzt vertraust", erzählte er mir liebevoll. Seine sanfte Stimme und seine warmherzigen Worte beruhigten mich tatsächlich. Schon immer fühlte ich mich bei ihm sicher. Mit jedem Tag, stieg mein Vertrauen zu ihm und das schon seitdem ich zwei war. Seitdem meine Eltern mich verlassen haben. Von dort an war William meine Familie und ich könnte mir meine Familie nicht besser vorstellen.

Die Spritze tat nicht weh. Zumindest nicht, weil ich wusste, dass William die ganze Zeit da war. Dass er mir nie etwas Böses antun würde. Er gab mir Kraft. Bis heute noch gibt er mir Kraft.

Es war der Tag, meiner Operation, erzählte er mir Jahre später. Der Tag, an dem er endlich herausfand, was mit meinem Herzen nicht stimmte. Er fand heraus, dass in meinem Herzen winzige Metalldrähte sind, die auf elektrische Signale reagieren. Und von dem Tag an, wusste er, dass ich anders bin.

Doch er wollte nicht, dass ich es schon in so jungen Jahren wusste. Er hielt es geheim, bis zu meinem zehnten Geburtstag. Fast täglich erfand er eine neue Geschichte, wie die Narbe über meinem Herzen entstand. Oder warum meine Eltern nicht mehr da waren. Auch wenn ich wusste, dass er lügt, waren seine Geschichten darüber aufregend. Jeden Abend erzählte er mir eine Neue, bis ich einschlief. Und tagsüber konnte ich es kaum erwarten wieder eine zu hören.

Bis heute, erinnere ich mich an jede einzelne.

Am nächsten Tag werde ich von Sonnenstrahlen geweckt. Normalerweise würden sie mich stören, da ich alles hasse, was mir den Schlaf nimmt. Aber heute ist irgendetwas anders.

Ich strecke meine schlaffen Arme und Beine. Nachdem ich mir etwas Gemütliches angezogen habe, verlasse ich mein Zimmer und gehe zur Küche.

Gut gelaunt betrete ich den modernen Raum, doch ich muss enttäuscht feststellen, dass etwas anders ist. Heute ist kein William da, der mir fröhlich Frühstück zubereitet. Verwirrt gehe ich zu seinem Schlafzimmer, doch auch da...

Keine Spur von ihm.

Panik macht sich in mir breit und ich renne ins Wohnzimmer. Aber auch hier ist er nicht.

Ängstlich öffne ich die Wohnungstür und sprinte die Treppe zum vorderen Bereich des Hauses hoch. Ich eile ins Labor und lasse meinen Blick umher schweifen.

Was ich sehe, bringt mich zum lächeln.

William hängt schlafend mit dem Oberkörper auf seinem Schreibtisch. Viele Zettel liegen verstreut auf dem Boden, auf dem Tisch sind viele Kabel, Schrauben und Drähte verteilt. Ein Schraubenzieher liegt locker in Williams Hand und droht herunterzufallen.

Sanft rüttle ich ihn aus dem Schlaf. Seine Augenlider beginnen aufzuflattern und Sekunden später funkeln sie mich verschlafen an. Jedoch fallen sie sofort wieder zu.

Ich zucke zusammen, als sie sich ruckartig weit öffnen und er sich erhebt.

"Ich habe großartige Neuigkeiten!", ruft er erfreut, von der Müdigkeit keine Spur mehr.


Time traveler // h.s.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt