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Mittlerweile war es Abend geworden und es kehrte langsam Ruhe im Klinikum ein. Die Gänge waren leer, die Besucher nach Hause gegangen und auch die Nachtschwester hatte schon ihre erste Runde gedreht. Glücklicherweise war die Station zur Zeit nicht voll belegt, sodass es für Ben möglich war im leeren Bett neben mir zu übernachten.
"Ich messe nochmal deinen Blutdruck, ok?", sagte er und pumpte auch schon die Manschette auf - zum gefühlt hundertsten Mal heute. Aber es musste ja sein. "Scheint, als hätten wir nun die richtige Dosierung gefunden. Ich denke zur Nacht können wir aber das Urapidil reduzieren.", überlegte Ben laut, nachdem er mich wieder von dem Messgerät befreit hatte. "Oh Gott sei Dank! Dann kann ich mich auch endlich wieder ein wenig bewegen!", freute ich mich und schraubte selbst den Infusionsschlauch von meinem Zugang ab. "Frau Dr. Sherbaz, du bist die Patientin! Lass mich das mal machen!", schimpfte mein Freund mit einem Augenzwinkern und stellte den Perfusor ab, über den ich die blutdrucksenkenden Medikamente bekommen hatte. "Und das mit dem Bewegen lässt du mal schön sein! Du weißt, was Julia vorhin gesagt hat: Bettruhe!", erinnerte er mich. Ich verdrehte die Augen und ließ mich wieder in die Kissen sinken. Das Herzrasen war definitiv besser geworden und durch das Tokolytikum, das Frau Berger mir vor etwa zwei Stunden verabreicht hatte, hatte ich auch keine einzige Wehe mehr gefühlt. Jedoch waren meine Blutwerte alles andere als gut gewesen, weshalb alle noch ein Auge auf mich und unser Kind hatten. Morgen früh würden wir nochmal ein CTG schreiben und ein Kontrollultraschall machen um zu sehen, wie es der Bohne ging. "Ben? Schiebst du später dann dein Bett neben meines? Ich brauche dich jetzt ganz nah bei mir.", sagte ich leise. Er stand am Schrank und war gerade dabei meine Klamotten, die er mitgebracht hatte, in die Fächer einzuräumen. "Nichts lieber als das, mein Schatz.", versicherte er mir und kam wieder zu mir. Ben setzte sich auf die Bettkante und nahm meine Hand. "Leyla, egal was passiert - wir schaffen das zusammen, ok? Hab keine Angst!". Ich biss mir auf die Unterlippe, denn ich wollte nicht schon wieder anfangen zu weinen. "Nimmst du mich bitte in den Arm?" flüsterte ich nur und wischte mir dann doch eine Träne von der Wange. Ben schlüpfte zu mir unter die Decke und ich kuschelte mich ganz nah an ihn. Er küsste mich auf die Stirn und streichelte so lang meinen Rücken, bis ich schließlich eingeschlafen war.

„Und sie sagen, Sie hatten keine Unterleibsschmerzen mehr?", fragte Frau Berger, während sie am nächsten Morgen eine Ultraschalluntersuchung bei mir durchführte. Ben konnte aufgrund einer wichtigen Op leider nicht dabei sein, aber wollte nachkommen, sobald es ihm möglich war.
Dass Julia den Schallkopf immer wieder über die gleiche Stelle meines Bauches fahren ließ, war mir schon aufgefallen. Ich wurde etwas nervös und versuchte Antworten in ihrem Gesicht zu finden. „Naja, immer wieder ein leichtes Ziehen, aber kaum stärker als Regelschmerzen.", beschrieb ich ihr meine Empfindungen „ich hatte das allerdings immer mit den Übungswehen in Verbindung gebracht...".
Vergeblich warte ich darauf, dass die junge Ärztin mich darüber aufklärte, was sie gerade sichtlich beunruhigte. Immernoch inspirierte sie meine Gebärmutter mit gerunzelter Stirn. „Das Kind", begann sie dann, nachdem sie endlich den Schallkopf beiseite gelegt und sich zu mir gewandt hatte. „es ist viel zu zart für sein Alter. Das Kleine bekommt zu wenig Nährstoffe, so wie ich das schon gestern vermutet hatte. Frau Dr. Sherbaz, Ihre Plazenta ist dabei sich abzulösen!", rückte sie dann endlich mit der Diagnose heraus.
Ich konnte absolut nicht glauben, was ich da gerade gehört hatte. Wie war das möglich? Das war das letzte, was ich jetzt erwartet hatte! „In Anbetracht Ihres Allgemeinzustandes halte ich es für die beste und sicherste Lösung, das Kind sofort zu holen.an einem Kaiserschnitt führt leider kein Weg vorbei.  Es ist einfach zu gefährlich! Löst sich die Plazenta komplett, ist mit einem enormen Blutverlust zu rechnen. Sie wissen ja selbst, was das bedeuten würde...", ich nahm Julias Worte wie durch einen Schleier wahr. Reflexartig umklammerte ich meinen Bauch, als ob ich versuchen würde, das kleine Wesen zu umarmen, um ihm zu zeigen, dass es keine Angst haben brauchte. Gleichzeitig war meine eigene Furcht vor der Operation riesig. Mir schossen unentwegt Gedanken durch den Kopf. Das Baby war doch noch so klein! „Bitte, Frau Berger - holen Sie Ben!", war das einzige, was ich gerade mit zitternder Stimme heraus brachte...

Du, ich und das BabyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt