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"Ich bin in den Wald gerannt, so schnell ich konnte. Ich wusste nicht mal dass ein Mensch diese Geschwindigkeit erreichen kann. Keine Ahnubg warum ich in den Wald gelaufen bin statt ins Tal runter, schließlich hätte mir da jemand helfen können, aber ich hatte das Gefühl dass die Entscheidung nicht in meiner Macht lag, als wäre ich gegangen in einem Fremden Körper. Tja, dann bin ich gestolpert.." sage ich leicht verbittert.
"..Über einen Ast oder einen Stein, was auch immer. Jedenfalls hat es mich mein Leben gekostet. Der maskierte Mann holte mich ein und stach mit seinem Messer auf mich ein. 3 Mal, die ersten beiden Male in den Rücken und das letzte Mal in meinen Hals." Ich bekomme Gänsehaut, während ich das Szenario in meinem Kopf erneut wiederhole.
"Es hatte sich nicht danach angefühlt als würde er eine bestimmte Stelle treffen wollen, mehr so als hätte er einfach so drauf losgestochen. Als würde es ihm Spaß machen." Ich atme tief ein und aus, bevor ich wieder das Bedürfnis bekomme mich zu übergeben.
"Und das ist ja das Problem!" Ich werde lauter und meine Stimmlage höher, fast schon ein wenig panisch.
"Ich spüre alles. Es ist so real." Meine Augen werden glasig und meine Sicht verschwommen. Eine Träne läuft meine Wange runter.
"Was für eine Maske trug er?" Fragt Doris mich, während sie alles mit schreibt was ich sage. Ein bisschen empört darüber, dass sie im Moment nur diese blöde Maske interessiert, versuche ich mich zu erinnern.
"Weiß nicht, eine dieser typischen Halloween Masken, weiß mit Löchern drin." Ich werde Halloween wohl nie wieder einen Fuß vor die Tür setzen.

"Wie lange ist denn dein letzter Alptraum her?" Fragt Doris, während sie auf den Lokalanzeiger von heute schaut. Na danke auch.
"Eine gefühlte Ewigkeit, deine Tropfen haben die Jahre über gut geholfen." Das ist mein erster Termin seit Langem. Als ich diese Nacht schreiend aufgewacht bin, hat meine Mutter sofort eine Sprechstunde vereinbart. Der Raum füllt sich mit Schweigen, der verkorksten Frau gegenüber von mir scheint es nichts auszumachen, aber mich stört es unheimlich.
"Kannst du meine Dosis erhöhen? Bitte!"
Sie schaut mich kritisch über ihre Lesebrille hinweg an.
"Ich glaube nicht dass das etwas bringen wird Liebelein, es hört sich fsst danach an als würde dein Körper die Medikamente abwähren. Ich habe mir fast gedacht dass es so kommen wird." Den letzten Satz murmelt sie leise zu sich selbst. Mittlerweile denke ich mir nichts mehr dabei, das tut sie öfter und immer wenn ich nach Frage heißt es nur: Ach nichts Liebelein, ich führe nur meine üblichen Selbstgespräche.

...

Kaum setze ich den ersten Schritt in unser Haus schon werde ich von meiner Mutter überfallen. Nagut.. überfallen ist vielleicht etwas hart ausgedrückt, sagen wir ich wurde beinahe zerquetscht.
"Hi mein Schatz, ist alles in Ordnung bei dir? Konnte Doris dir helfen?" Ich Wende den Blick von ihr ab, es verletzt mich zu sehen wie besorgt sie um mich ist, sie soll meine Probleme nicht zu ihren machen, davon hat sie selbst genug. Trotzdem beschließe ich ehrlich zu ihr zu sein, eine Lüge würde sie mir nicht abkaufen.
"Nein und nein." Sage ich leicht genervt. Ich möchte sie nicht anpampen für etwas wo sie nichts für kann, aber momentan fällt es mir schwer. Deswegen hoffe ich einfach dass sie das Thema jetzt erstmal gut sein lässt. Wenn ich nicht viel geschlafen habe, fällt es mir schwer meine Emotionen zu kontrollieren.. nagut, es fällt mir auch so manchmal schwer, Menstruationszyklus hin oder her, auch wenn man es manchmal gerne auf seine absterbenden Gebärmutterschleimhäute schiebt.

Ohne ein weiteres Wort gehe ich hoch in mein Zimmer. Ich liebe mein Zimmer, ganz besonders meine Leseecke. Sie besteht aus einem gemütlichen Sessel der umgeben von zwei Bücherregalen ist. Jedes einzelne Buch wurde liebevoll einsortiert und durchgelesen. Die Bücher wurden nach Genre und Größe eingeordnet und überall sieht man kleine, farbige Klebestreifen herausragen, welche Seiten mit unterstrichenen Zitaten markieren.

Die Wände sind weiß und mit verschiedenen Utensilien beschmückt. Über meinem Doppelbett hängen ganz viele Bilder mit altmodischen Holzrahmen. Auf mindestens fünf Bildern sind meine engsten Freunde zu sehen. Auf einem ein Urlaubsbild in Schweden mit Sophie. Wir liegen an einem wunderschönen See mitten im Wald. Um uns herum nichts als Bäume und einer kleinen typischen Schwedenhütte in Gelb. Das war letzten Sommer, wir sind mit einem Flieger nach Stockholm geflogen und wurden dann am Flughafen von einem Bekannten meines Grandpa's abgeholt und zu einem kleinen Häuschen gebracht, welches dann für eine Woche unser Zuhause war. Man könnte es schon fast zu einem Survivalurlaub zählen, wir waren nah am Wald und weit entfernt von der nächsten Stadt. Das Essen haben wir uns teilweise aus dem See der auf dem Bild zu sehen ist heraus gefischt. Was wirklich witzig war, denn direkt neben diesem Bild ist eins mit mir und dem ein Meter großem Fisch zu sehen, weöcher uns fast samt Angel mit ins Wasser gezogen hätte.

Das Bild direkt darüber zeigt Jasmin und mich auf unserem Kurztripp nach Amsterdam. Es war eine spontane Idee von ihr. Wir waren gerade dabei in dem Café in welchem wir nebenbei arbeiten, den Kuchen zu richten als sie einfach raushaute: Du Bradley, was hältst du davon wenn wir uns dieses Wochenende frei nehmen und nach Holland in das Ferienhaus meines Vaters fahren?" Erst konnte ich sie nicht ernst nehmen, ich musste an die nächsten Klausuren die nicht mehr weit weg lagen denken und daran was unsere Eltern wohl dazu sagen würden, aber ehe ich mich versah saß ich auf dem Beifahrersitz meiner besten Freundin auf dem Weg nach Holland. Ein Lächeln schleicht sich in mein Gesicht während ich die Erlebnisse in meinem Kopf revue passieren lasse.

Als ich ein Bild weiter schaue verschwindet das Lächeln wieder, es ist ein Foto von mir und meinem verschollenen Vater. Er hat sich wie jeder zweite einfach mit einer anderen verpisst. Erst versuchte er den Kontakt zu mir noch aufrecht zu halten, aber mein Schmollen verstand er wohl als Abweisung. Danach hat er es nicht weiter versucht. Mittlerweile telefonieren wir alle zwei Monate immer mal wieder.
Verzweifelt lasse ich mich auf mein Bett fallen. Wie kann es sein dass ich auf dieser Butterweichen Matratze schlecht Träume?

...

Am nächsten Morgen wache ich um einiges besser gelaunt wieder auf, kein Albtraum, keine drückende Blase. Nichts was meinen Schlaf hätte stören können. Ich gehe ins Bad und mache mich fertig. Da wir Wochenende habe heißt das Gesicht waschen, Zähne putzen, fertig. Meine Haare binde ich in einen struppigen Dutt. Ich habe eh vor zuhause zu bleiben um Netflix zu schauen. Die neue Staffel von 13 Reasons why ist seit Gestern draußen und ich will sie mir unbedingt ansehen. Ich greife nach meinem Handy und schreibe Doris eine SMS:

Hi Doris,
Ich habe diese Nacht super geschlafen, deshalb sage ich den Termin für heute ab. Ich denke der Traum von Gestern war eine Ausnahme.
Bis dann - Bradley

Ich weiß selbst nicht ob ich das wirklich glaube oder einfach nur hoffe.

Ich setze mich an dem Küchentisch mit einer Cola in der linken und der Zeitung von Gestern in der rechten Hand. Ich stecke einen mir ein schwarzen Strohhalm in die Dose und schlage die Zeitung auf. Wow.. Ich fühle mich gerade ziemlich erwachsen mit dem Lokalanzeiger in der Hand. So habe ich wenigstens das Gefühl mein Leben etwas mehr im Griff zu haben. Ich bin jetzt 19 Jahre alt, schließe diesen Sommer voraussichtlich die Schule ab und habe immer noch keinen Plan, was ich danach mit meinem Leben anfangen soll. Es gibt nicht was mich wirklich interessiert außer ein paar absurde Jobs wie zum Beispiel Weddingplanerin oder sowas, dafür bin ich leider zu vergesslich. Am Ende stehen Braut und Bräutigam ohne Trauzeugen vor dem Alter, ich möchte mir garnicht ausmalen was für Fehler mir bei der Planung noch unterlaufen könnten. Gedankenverloren blättere ich durch die Zeitung, naja.. lesen ist etwas anderes. Ich konzentriere mich eher auf die fettgedruckten Überschriften oder die Bilder. Da schwindet das Gefühl für Verantwortungsbewusstsein und Kontrolle über das eigene Leben auch schon wieder.

Mein Blick bleibt an einer Todesanzeige hängen, katy Fyord. Der Name kommt mir bekannt vor, ich habe nur kein Gesicht zu dieser Person vor Augen. Ich brauche einen Moment um zu realisieren woher ich sie kenne. Sie ist.. war das kleine blonde Mädchen aus der Stufe unter mir. Nicht gerade sonderlich beliebt aber sie ist mir manchmal in der Pause aufgefallen. Sie verbrachte diese genau wie ich in der Raucherecke, nur dass sie im Gegensatz zu mir nur wegen ihren Freunden da war und selbst nicht rauchte. Ein komisches Gefühl breitet sich in mir aus. Ich erlaube es mir nicht, Trauer oder ähnliches zu empfinden. Es wäre unfair ihr gegenüber, sie hat mich während ihrer gesamten Lebzeit nicht interessiert und ist es nicht absurd erst sterben zu müssen um die Aufmerksamkeit mancher Leute auf sich zu ziehen?

Ich fange an den Artikel zu lesen. Die Todesursache lässt mich grübeln. Ich ziehe die Augenbrauen zusammen und lese sie erneut durch, ein zweites Mal, ein drittes und schließlich ein Viertel Mal, trotzdem wirkt es dadurch nicht weniger komisch.
Zwei Mesderstiche in den Rücken und einer in den Hals.
Die Maske des Mörders wurde 100 Meter weiter am Wegrand gefunden.

Nightmares.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt