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Jess Pov

"Mina, du kannst doch nicht einfach nachts aus dem Haus schleichen. Sei froh, dass ich dich erwischt hab und nicht unsere Eltern!", belehrte ich meine kleine Schwester, die eben dabei war mit mir durch die Gänge der Schule zu laufen. Ein Seufzen war zu vernehmen, das mir bedeutete, wie unnötig und nervtötend Mina dieses Gespräch doch fand.

Ich würde auch lieber bei meinen Freunden sitzen.

Apropos Freunde, da läuft ja einer.

Ich blieb mit meiner Schwester an meinem Spind stehen und beobachtete den Jungen aus naher Ferne. Viel gemacht hatten wir lange nicht mehr. Nun war ich die, die seufzen musste.

"Dieser Idiot kann doch wohl nicht so verdammt beschäftigt sein", murmelte ich säuerlich in meinen nicht vorhandenen Bart hinein. Mein bester Freund – so glaubte man – Julian Jake Adams hielt es bereits seit Wochen nicht mehr für nötig, sich bei mir zu melden. Ständig hatte ich die Initiative ergriffen und ihn angeschrieben, ihn angesprochen oder war sogar spontan vor seiner Tür aufgetaucht. Doch an wem hang der Idiot seit 'nem Monat total? An diesem Erbsenhirn Jackson, Richard Jackson. Es war als hätte er mich links liegen gelassen. Als hätte er was Besseres gefunden. Verbissen nagte ich an meiner Lippe herum und wandte den Blick ab. Ich sollte so nicht denken, das war nicht fair ihm gegenüber. Er machte das sicherlich nicht absichtlich.

"Sis, da ist Isa. Man sieht sich nach der Schule!", verabschiedete sich Mina hastig und verschwand kaum später aus meinen Augen. Hatte sie gerade wirklich meine Predigt ignoriert? Nun gut, eventuell war sie etwas übertrieben gewesen, doch sie komplett auszublenden? Zwar wurde mir bereits einige Male gesagt, dass ich sehr überforsorglich, gar mütterlich wäre, doch hatte ich dies bislang nie als schlechte Eigenschaft wahrgenommen. Viel eher das genaue Gegenteil, doch auch ich konnte mich täuschen. War genau dieses Merkmal der Grund, weshalb mein bester Freund sich von mir abwandte? Es war offensichtlich, dass Rick eher der lockere Typ war, mit dem man schnell mal Einen drehen oder sich über andere lustig machen konnte. Doch war ich wirklich so kurz angebunden?

Ich drehte mich nun komplett von meinem besten Freund weg, dafür hin zu meinem Spind, um die Bücher für die nächsten Stunden herauszukramen. Die Hoffnung, er würde mich noch ansprechen, hatte sich schon beinahe komplett verflüchtigt, bis ich seine altbekannte, sympathische Stimme nach mir rufen hören konnte. Schnell hatte ich mich zu ihm umgedreht und ein breites Lächeln aufgesetzt, welches er schon nach wenigen Sekunden erwiderte.

"Na, da ist ja mein Lieblingsmädchen! Und wie lief deine Geschichtsklausur?", hinterfragte er neugierig, während er mich in eine herzhafte Umarmung gezogen hatte.

Es war dumm von mir so zu denken. Julian ist ein wundervoller bester Freund, der mich nie im Stich lassen würde.

"Wie sie eben laufen muss, bei meinem Lieblingsfach", antwortete ich ironisch, hatte jedoch ein breites Grinsen aufgesetzt. In den ersten beiden Stunden hatte ich die Klausur vor der Tür nachschreiben müssen, weshalb ich den Jungen vor mir gemeinsam mit Rick viel zu spät an mir vorbeilaufen sehen habe. Was die wohl so lang getrieben haben?

"Apropos, warum warst du zu spät?", wollte ich wissen und hob hierbei misstrauisch die Augenbraue an. Mir war bewusst, dass er mit Richard oftmals gewaltigen Mist anstellte, weshalb ich bereits mit einer passenden Antwort rechnete. Julian hingegen schüttelte bloß den Kopf.

"Bus kam zu spät", erklärte er und schaute mich bereits wissend an, "Rick hat damit nichts zu tun."

Ein Lachen entfuhr mir, in welches er einstimmte.

"Sorry, sorry. Du weißt nur wie toll ich das Erbsenhirn finde", behauptete ich und hob spielerisch meinen Daumen in die Höhe. Julian winkte bloß ab und legte seinen Arm um meine Schulter. Gelassen liefen wir beide zu unserem Klassenzimmer, in dem wir in wenigen Minuten Deutsch hätten. Mein bester Freund liebte das Fach, vor allem da er sich gut mit unserer Lehrerin verstand, da sie ebenso aus Deutschland kam, und er eben die Sprache schon konnte. War eben eine geschenkte Note für ihn. Ich hingegen kam mit der Sprache kaum klar, sie war mir einfach zu kompliziert, weshalb ich Ian schon etwas für sein Können bewunderte. Früher hatte er mir ab und an Nachhilfe gegeben, auch wenn wir meist stattdessen aufs Feld gegangen waren und gekickt hatten. Spaß gemacht hat das selbstverständlich mehr, doch hilfreich war's nicht.

Romeo und.. - Julian?!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt