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Julian Pov.

Unruhig fummelten meine Finger miteinander. Starr blickte ich auf diese und erhoffte mir trotzdessen, dass Nelton nicht merkte, wie nervös ich doch war. Das Wasserglas stand auf dem Nachttisch und wartete darauf, endlich von mir geleert zu werden, doch ich rührte mich nicht. Erst als Nelton mit aufgewärmtem Abendessen wieder ins Zimmer trat und die Tür hinter ihm ins Schloss gefallen war, schaute ich auf.

"Hoffe das ist ok so, wir haben nicht mehr so viel im Kühlschrank", erklärte der Ältere, während er mir schmunzelnd einen Teller mit Nudeln und Pesto unter die Nase hielt. Obwohl ich noch sehr hibbelig war, nahm ich diesen dankend an und war glücklich über die Tatsache, dass ich sogar ohne Aufforderung Essen von dem Jungen bekam.

Ich stellte den Teller auf meinen Schoß und nahm die Gabel zur Hand, die bis dahin noch immer in Neltons Hand gewartet hatte. Zufrieden begann ich zu essen. Der Grünäugige tat es mir gleich und setzte sich neben mich. Als ich jedoch das Bett neben mir einsacken spührte, spannte ich mich unmerklich an, bevor ich wie gewohnt weiteraß.

"Wie kommt's jetzt also, dass du mit Reisetasche vor meiner Tür auftauchst?", fragte der Junge zwischen einzelnen Bissen.

"Das ist 'ne Sporttasche", nuschelte ich durch halbvollen Mund und bereitete die Gabel schon auf die nächste Ladung vor.

"Lenk' nicht ab.", verlangte Nelton, wobei ich förmlich spüren konnte, wie er die Augen verdrehte, "Also?"

Nun doch eher unwillig weiterzuessen, stocherte ich für eine Weile bloß im Teller herum, ehe ich beides zur Seite stellte und mich mit den Armen auf dem Bett stützte, um mich nach hinten lehnen und dabei die Decke anstarren zu können.

"Längere Geschichte.", tief atmete ich aus, "Ich fass es mal kurz: Meine Mum ist wieder daheim, ich fühl' mich unwohl und mein bester Freund will mich gerade irgendwie nicht sehen."

"Und dann kommst du zu mir?", hinterfragte der Junge schroff. Irritiert schaute ich nun zu ihm herüber, bereits darauf gefasst, dass er plötzlich auch nicht wollte, dass ich da war. Doch sein Blick war zunächst nicht deutbar. Verwirrt zog ich eine Augenbraue hoch und legte den Kopf schief.

"Wieso nicht? Soll ich gehen?"

Hastig schüttelte Nelton den Kopf und brach sofort in ein breites Grinsen.

"Nein, nein. Ich fühl' mich geehrt. Es macht mich glücklich, dass du mich als so wichtig einschätzt", meinte der Junge und ließ mich mit der Aussage von unten bis oben hin rot anlaufen. Sofort erinnerte ich mich wieder daran, dass Nelton auf mich stand. Kurz hatte ich es vergessen.

Verlegen räusperte ich mich und griff nun doch zum Wasserglas und trank einen Schluck, versucht mir nichts von dem inneren Dilemma anmerken zu lassen.

Nelton ignorierte mein Verhalten jedoch gekonnt und tat als würde ich mich so normal wie sonst auch benehmen.

"Und warum ist es schlimm, dass deine Mum wieder da ist?"

Zunächst unwillig zu reden drehte ich den Kopf von ihm weg, bis ich jedoch einsah, dass so eine kurzangebundene Aussage unfair ihm gegenüber wäre. Immerhin wollte ich mich einfach bei ihm einquartieren, wo er und Jax schon für die beiden zu zweit eine viel zu kleine Wohnung hatten.

"Sie hasst mich. Sie wollte, als sie meinem Dad fremdgegangen ist, lieber ihre Möbel mitnehmen als mich. Ich weiß auch nicht, was ich ihr getan hab'. Na ja, jetzt meint sie, sie liebt mich und ist stolz auf mich.", trocken lachte ich auf und unterbrach mich damit selbst, "Ich weiß doch auch nicht, was die will. Ich weiß ja nichtmal was ich will. Sollte ich nicht froh sein, dass meine Mutter Interesse zeigt? Ich kanns nur irgendwie nicht glauben, ich wills auch gar nicht, ich– ach kein Plan ich hab' kein Bock daran zu denken. Sie vögelt jetzt jedenfalls wieder meinen Dad, macht einen auf Sugarmommy und hofft das Klein-Isa und ich sie akzeptieren und vorbildlich handeln. Da wollte ich einfach weg, bin überfordert und Dad hilft da nicht gerade bei."

Nelton wirkte nach meinem Ausbruch überrumpelt. Er hatte wohl nicht damit gerechnet, dass ich wirklich so viel offenbaren würde. Klar, ich hatte ihm gerade erzählt, dass meine Mum meinem Dad fremdgegangen war, mich nicht wollte, nie Reue gezeigt hatte und dann nach ein paar Jährchen plötzlich die 180 machte, nur um meinem Dad mit den Schulden zu helfen. Ja, nein, es wirkte nicht glaubwürdig und das zeigte mir Neltons Reaktion. Kurz setzte Stille ein, bis der Junge wieder das Wort erhob.

"...Wow, das..wow. Ja, da wäre ich jetzt auch nicht gerne daheim. Hast du denn wem Bescheid gegeben? Also, dass du hier bleibst. Weil, selbst wenn – na ja, du weißt, deine Mum unso – dein Dad und deine Schwester machen sich sonst Sorgen, oder nicht?", wollte der Ältere wissen und studierte mich mit seinen Augen. Kein Wunder, es war wohl gerade schwer zu erkennen, ob ich sauer oder traurig war. Aufgewühlt traf es wohl am besten.

Ich schüttelte den Kopf und zog kurz darauf mein Handy aus der Hosentasche.

"Nein, hab ich nicht. Aber ja, du hast recht. Isa sollte vorgewarnt sein, wenn sie nicht schon daheim ist."

Schnell hatte ich Isa geschrieben, dass ich erstmal bei einem Kumpel von mir bleiben würde, weil Mum daheim wäre. Hintendran schlug ich ihr vor, dasselbe zu tun und auch bei einer ihrerer Freundinnen zu bleiben, damit sie nicht sofort überfordert werden würde. Letztlich wusste ich aber nicht, wie Luisa dem Fakt gegenüberstand, dass unsere Mutter daheim war. Freute sie sich vielleicht sogar? Immerhin war ihre Beziehung früher gut zueinander gewesen. Isa war nur bei Dad geblieben, weil ich auch dort war. Vielleicht hatte sie schon seit Jahren darauf gehofft, dass Mum wiederkommen würde.

Ich seuzfte und wühlte mir durch die Haare.

"Je mehr ich mir darüber Gedanken mache, desto unnötiger fühlt sich mein Wutanfall an. Bin ich echt der Einzige, dem die ganze Sache was ausmacht?", brummte ich in den Raum hinein, nicht wirklich eine Antwort erwartend. Mein Handy hatte ich währenddessen ausgestellt und auf den Nachttisch gelegt.

"Unnötig ist es nicht, selbst, wenn keiner sonst ein Problem hat. Es geht um dich und deine Mum und nur weil dein Dad Gefallen daran findet, dass deine Mum zurück ist, muss es dir nicht auch gefallen. Wirklich, ich verstehe dich..", begann Nelton und antwortete mir trotz allem auf die rhetorische Frage. Bei seinen letzten Worten wurde ich hellhörig und musste mir schwer ein ironisches Lachen unterdrücken.

"Was, hasst deine Mum dich auch?", rutschte es mir provokativ über die Lippen.

Der Junge blieb jedoch ruhig und schüttelte bloß den Kopf.

"Ne, mein Dad."

"Was, dein Dad?", entgegnete ich streitsuchend.

"Mein Dad hasst mich", offenbarte der Ältere und lächelte mir ins Gesicht. Und weil sich seine Mimik und Gestik im Bezug auf seine Aussage so paradox und falsch anfühlte, begann ich mich für meine Wortwahl zu schämen. Sofort erinnerte ich mich an das Gespräch, dass er und ich geführt hatten. Erinnerte mich daran, dass sein Dad homophob war und Nelton wohl unter eben dem Druck aufwachsen musste, wissend, dass sein Dad nie etwas von seiner sexuellen Orientierung erfahren durfte. Doch, dass sein Dad ihn anscheinend hasste, erklärte mir, dass er es wohl doch erfahren hatte. Reuevoll biss ich mir auf meine vorlauten Lippen und war für einen Moment um Worte verlegen.

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Da ist es, wie gestern versprochen!(:

Na, was denkt ihr, was passiert wohl alles noch in der WG von Jax und Nelton?

Ob Nelton es schlimm findet, wie Julian reagiert hat?

Sonst einen guten Start in die Woche :D

- Joel


Romeo und.. - Julian?!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt