Die Sonne brannte heiß vom Himmel und der Schweiß lief den Menschen an den Körpern hinab. Als Heilerin durfte mich so etwas natürlich nicht von meiner Arbeit abhalten, aber angenehmer wurde es dadurch sicherlich nicht. Ein sehr junger Mann, fast noch ein Kind, reichte mir seinen in ein Tuch eingeschlagenen Fuß und blickte mich aus großen braunen Augen an. Kaum war der Stoff beiseite geschlagen, stieg mir auch schon der Geruch nach faulendem Fleisch entgegen.
Ohne das Gesicht zu verziehen untersuchte ich seine geschwollenen Zehen und griff dann nach meinem schlanken Messer. Der Zehnagel war der Grund der Entzündung. Unglücklich eingewachsen, hatte er angefangen zu eitern und eine riesige Schwellung auszubilden. Der Junge blinzelte mich ängstlich an, doch ich konnte ihn beruhigen und versicherte, man müsse ihm nicht gleich den Zeh abnehmen. „Oder gleich das ganze Bein.", fügte ich scherzhaft hinzu, woraufhin er mich nur noch viel ängstlicher beobachtete. Ganz vorsichtig setze ich die Spitze des Messers an und ließ zuerst einmal den eingeschlossenen Eiter abfließen, dann reinigte ich alles gründlich mit einem Kräutersud, bevor ich ganz behutsam den Nagel aus dem Fleisch herausschnitt.
„Schon vorüber.", erklärte ich dem blassen jungen Mann, dem der kalte Schweiß auf der Stirn stand. „Die Wunde sauber halten und jeden Abend auswaschen, bis alles verheilt ist.", erklärte ich ihm sachlich und wie er vermeiden könnte, dass es noch ein weiteres Mal so weit käme. Er nickte mir schwach zu und humpelte einige Minuten später hinaus. Ein Seufzen entrang sich meiner Kehle, so unangenehm es doch manches Mal war, mir würde diese Arbeit fehlen. Egal, wie sehr ihnen meine Behandlung weh getan hatte, danach waren sie alle erleichtert und dankbar für die Hilfe. Diese menschliche Wärme tat mir gut, sie erfüllte mich mit Zufriedenheit, einem seltenen Gast.
Ein fröhliches Liedchen summend wusch ich meine Utensilien sauber, da trat der Herr des Hauses plötzlich in den Raum. Ich unterbrach mein Lied, kaum, dass ich seine ernste Miene sah. „Was ist passiert?" Er schüttelte nur müde den Kopf: „Ich bin alt, Kind. Meine Knochen sind längst müde und der Arbeit überdrüssig. Meine Frau wurde mir viel zu früh genommen und Kinder sind mir nicht vergönnt gewesen. Aber dann hat der Himmel dich zu mir geschickt.", er unterbrach sich und warf einen Blick an die tiefhängende Decke. „Willst du nicht bleiben und meinen Platz hier übernehmen? Edoras braucht einen Heiler." Er war ein stolzer Mann. Das Leben hatte wieder und wieder versucht, ihn klein zu kriegen, doch jedes Mal war er zurück auf die Füße gekommen. Doch nun war der Punkt gekommen, wo er nichts lieber tun wollte als einen Schritt zurück zu machen und jemand anderem das Spielfeld zu überlassen. Es schmerzte mein Herz ihn zurückweisen zu müssen, obwohl ich sein Angebot nicht nur hoch schätzte, sondern auch mit Leidenschaft angenommen hätte.
Seine Enttäuschung war unverhohlen, als er sich seufzend auf den Schemel nieder ließ und seine Augen blickten mich müde an. Mein Herz schmerzte, aber es gab nichts, das ich für ihn tun konnte und doch sank ich vor ihm auf die Knie und griff nach seinen knochigen und von Flecken überzogenen Händen.
„Bitte verzeiht, ich kann nicht.", sagte ich mit Nachdruck und blickte ihm dabei fest in die Augen. Er nickte. „Was plagt dich nur, Kind?", stellte der alte Mann die Frage in den Raum, von der er wusste, dass keiner von uns beiden sie beantworten würde. „Ich wünsche dir alles Gute. Geh jetzt und mach dich für das Fest bereit, ich hörte, du seist eingeladen.", wies er mich an und schüttelte den Kopf, als ich aufstand und noch schnell alle Sachen wegräumen wollte. „Lass das liegen, ich mache das." „Es ist kein Problem...", setzte ich an, doch er winkte ab und mit einem letzten Dank verabschiedete ich mich.
Obwohl ich mit Thorew verabredet war, war es nicht dieser, der am Abend an meine Tür klopfte, um mich abzuholen. Der kleine Éomer stand dort, kerzengerade und hielt mir eine weiße Rose entgegen, als ich die Tür öffnete. „Oh, vielen Dank.", brachte ich entzückt hervor.
„Meine Mutter sagt, ich darf nicht die ganze Nacht aufbleiben, also müssen wir tanzen, bevor ich ins Bett muss.", erklärte er mir, als ich nach dem Grund seines Besuches fragte. Schnell erklärte ich einem der anderen Mädchen, wenn Thorew auftauche, weil er mir nicht bereits über den Weg gelaufen sei, sollten sie ihm ausrichten, dass sein Vetter und ich bereits vorgegangen wären. Schon ganz der Edelmann bot Éomer mir seinen Arm, den ich lächelnd umfasste, weil unser Größenunterschied einfach kein Unterhaken zuließ.
Stolz führte mich der Junge zum Fest und lächelte allen Leuten zu, an denen wir vorbei kamen. „Darf ich um diesen Tanz bitten?", fragte mein kleiner Begleiter, kaum, dass wir im Saal angekommen waren. Keine Ahnung, wo er Etikette gelernt hatte, aber der kleine Éomer mit seinen zusammengebundenen Haaren und den großen Kinderaugen, die aus seinem rundlichen Gesichtchen herausstrahlten, war einfach unbeschreiblich niedlich. „Aber mit Freuden.", erwiderte ich und ließ mich auf die noch beinahe leere Tanzfläche führen. Es waren allgemein noch recht wenig Gäste anwesend und es war ein Glück, dasss die Musikanten bereits spielten und da sie, wie fast alle anderen auch, den Jungen mit seiner deutlich größeren und deutlich älteren Begleiterin auf einen freien Platz zu marschieren sahen, stimmten sie ein fröhliches Liedchen an, zu dem sich leicht tanzen ließ.
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Der schmale Grat zwischen Liebe und Schmerz (Herr der Ringe Fanfiction) ✔️
Fanfiction2997 Drittes Zeitalter: Unsterblichkeit ist für Laurelin kein Segen, sondern der seit drei Jahrtausenden auf ihr lastende Fluch. Zur Einsamkeit verdammt durchstreift die letzte Seregemath die Gefilde Mittelerdes, in denen es keine Heimat mehr für s...