In Zuversicht geht Eure Weisheit unter.
-William Shakespeare
Éomer war kein begnadeter Tänzer und würde es vermutlich auch nie werden. Es war nicht der Größenunterschied zwischen uns, der das größte Problem darstellte beim Tanzen. Der kleine Junge beherrschte zwar die Grundschritte einiger Tänze, das hatte ihm wohl jemand beigebracht, was einem jedoch niemand beibringen konnte war Rhytmusgefühl. Éomer tanzte ausnahmslos bei jedem Lied außerhalb des Taktes, aber sein breites Grinsen währenddessen entschädigte für jeden Tritt gegen meine Füße.
Nach und nach füllte sich die Halle, die ersten Fässer wurden angezapft und immer mehr Paare wagten sich auf die Tanzfläche. Plötzlich schlängelte sich eine kleine Gestalt durch die Beine der Gäste und mit einem freudigen „Émer", umarmte ein blondes Mädchen meinen Tanzpartner von hinten. „Éowin!", rief der Junge empört und versuchte seine kleine Schwester abzuschütteln, was ihm jedoch nicht gelang. „Émer!", rief der Goldschopf erneut und ließ ihn los. Éomer seufzte theatralisch und griff nach der Hand der Kleinen. „Es tut mir leid, aber ich muss jetzt erst meine Schwester zurückbringen, bevor wir weiter tanzen können.", erklärte er mit gewichtigter Miene. Ich grinste und ging den beiden voraus, damit die Leute Platz machten und die Kinder durchließen. Am Rand entdeckte ich Théodwyn, welche sich bereits suchend umblickte, und steuerte so direkt, wie es in der dichter gewordenen Menge möglich war, auf sie zu. „Dem Himmel sei gedankt, da sind sie ja.", rief die Rohirrim aus, als ihre kleine Tochter, die sich fest an den Arm ihres zwei Köpfe größeren Bruders krallte, in ihr Blickfeld trat. „Auf Éomer ist Verlass.", meinte ich lächelnd und beobachtete die blonde Frau, wie sie ihrem Sohn einen Kuss aufs Haar drückte und dann das Mädchen streng anblickte. Doch so streng ihre Miene schien, so sanft und liebevoll strahlten ihre Augen, während Théodwyn das Kind schalt sich nicht von ihr zu entfernen. „Es ist, als würde man versuchen Wasser mit den bloßen Händen zu halten.", lächelte sie mir zu, als sie nach Éowins kleinem Kinderhändchen griff. Dann wand sie sich erneut dem Jungen zu, der ein paar Schritte zurück getreten war, um den nach seinen Ärmeln angelnden Fingern seiner Schwester zu entgehen. „Éomer, hast du Miraja überhaupt schon etwas zu Trinken angeboten? Nein, dann geh und lauf schnell.", wies sie ihren Jungen an, der auf dem Absatz kehrt machte und in der Menge verschwand. Mit einem Lächeln auf den Lippen, das auch nicht erlosch, als sie sich zu mir drehte, blickte ihm seine Mutter hinterher. „Ich möchte dir danken.", sagte sie und berührte meinen Oberarm für einen Moment sanft. „Es bedeutet mir viel meine Kinder glücklich zu sehen. Éomer geht es viel besser seit Ihr hier seid. Er war immer so erschöpft, wenn die Albträume ihn nächtelang gequält hatten." Es war ein großes Kompliment, dass die stolze Frau mir da machte und respektvoll den Kopf neigend nahm ich es entgegen. „Es ist mir ein Bedürfnis zu helfen, außerdem liegt mir der Junge inzwischen sehr am Herzen." Théodwyns Lippen verzogen sich zu einem stolzen, ehrlichen Lächeln, bevor ihr Blick auf etwas hinter mir fiel. Fragend drehte ich mich um und sah den Prinzen, der sich zielsicher durch die Menge auf uns zu schob. Schon wollte ich meinen Freund mit einem Lächeln begrüßen, da spürte ich, wie die Théodwyn sich zu mir vor lehnte und mir etwas ins Ohr flüsterte, bevor sie sich abwand und mit der kleinen Éowyn das Fest verließ, bevor mir auch nur die Gelegenheit blieb etwas zu erwidern.
„Einen guten Abend. Wie geht es Euch?", begrüßte mich mein Freund, der mich unterdessen erreicht hatte. Einmal musste ich kurz den Kopf schütteln, um die Worte seiner Tante aus meinen Gedanken zu verbannen, bevor ich höflich distanziert antwortete, es ginge mir bestens. Wir hatten uns seit Tagen nicht gesprochen und wenn wir einander über den Weg gelaufen waren, war er noch schneller verschwunden, als er aufgetaucht war. Es war mir nach wenigen Malen klar gewesen, dass der Prinz mich mied, wenn auch nicht weshalb. Und dann stand er plötzlich wieder vor mir, ein Lächeln strahlender als gewöhnlich auf den Lippen, einen Glanz in den Augen, den ich noch nie gesehen hatte. Er wartete kurz, als erwarte er dieselbe Höflichkeit nach seinem Wohlbefinden zu fragen, von mir, doch darauf konnte er lange warten. Dachte er wirklich, er könne mir Tage lang aus dem Weg gehen, ohne Erklärung, nur um dann mit einem breiten Grinsen aufzutauchen und einfach so tun, als wäre nichts geschehen? Und das sagte ich ihm auch in aller Deutlichkeit.
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Der schmale Grat zwischen Liebe und Schmerz (Herr der Ringe Fanfiction) ✔️
Fanfiction2997 Drittes Zeitalter: Unsterblichkeit ist für Laurelin kein Segen, sondern der seit drei Jahrtausenden auf ihr lastende Fluch. Zur Einsamkeit verdammt durchstreift die letzte Seregemath die Gefilde Mittelerdes, in denen es keine Heimat mehr für s...