Eigentlich hätte ich Xerxes am liebsten weiter ausgefragt. Von wo her gekommen ist, warum er alleine durch die Gegend zog, und so weiter. Aber irgendwas hielt mich davon ab, solche Fragen zu stellen. Vielleicht wollte ich selbst nicht, dass ich so durchlöchert werden würde oder ich hatte Angst vor der Reaktion des Weißhaarigen...
Von meiner alten tiefblauen Jeans wischte ich Staub runter mit meinen Händen. Der Dreck war so fein, er verteilte sich gleich in der Luft. Zurück blieben nur meine schmutzigen Hände und meine trockenen Augen. Die Ränder der Lider färbten sich schon rot durch die zusätzliche Reizung. Völlig ungeachtet dessen blieb mein Blick auf den sandigen Boden gerichtet.
Die Dürre machte es den Tieren schwer, hier ein richtiges Leben zu errichten. Kein einziger Wurm durchwühlte den Untergrund; so trocken und verstaubt verkommt der Ort. Anhand der Bäume sah man, wozu der Parkplatz vor langer Zeit mal imstande war. Prächtig muss es mal gewesen sein, doch die guten Tage waren schon lange vorbei.
Apathisch wischte ich mir eine Träne am Rande meines Auges weg. Ich kam wieder zu mir. Dann suchte ich Xerxes, der sich inzwischen unter einem der vertrockneten Bäume versteckte. Wahrscheinlich suchte er nach Schatten vor der Abendsonne. Auf eine gewisse Art und Weise hatte diese Geste etwas an sich. Break hockte einfach da, machte sich klein wie ein Jungtier, das friert. Kein Ton gab er von sich und sein Gesicht konnte ich ebenfalls nicht sehen. Eigentlich bevorzuge ich Stille, jedoch hatte diese etwas bedrückendes. Wenn ich es beschreiben sollte, würde ich sagen, dass es sich anfühlte wie ein Atemstillstand. Die Zeit verging nicht oder sehr langsam, kein Wind wehte über die Felder und meine Lungen wurden durch die Ruhe zerdrückt. Das verstand ich unter 'bedrückend'. Ich hielt diesen Zustand nicht länger aus. Deswegen bewegte ich mich auf meinem Wegbegleiter zu. Unter meinem Schuhen knirschte der Sand, was wie ein kleines Lied klang. Aufgrund der Geräusche drehte Break sich um. Die Mundwinkel hingen runter wie seine Augenringe. Sofort spürte ich, dass er nicht reden wollte. Ohne ein Wort von mich zu geben, platzierte ich mich neben ihm. Der warme Boden durchströmte meine kühlen Beine und die Adern in meinem Körper begannen wieder zu pulsieren.
Wärme und Hitze waren mir schon immer paradox. Manche Dichter würden sie als Sinnbild für das 'Leben' bezeichnen. Mein Großvater teilte die Meinung nicht. Für ihn glich Wärme den 'Tod', da gekochte Güter, mit Hitze bearbeitet, auch nicht mehr leben; sondern sterben. Ich stimmte ihm nur teilweise zu. Im Sommer fühlte ich mich meistens müde, als wäre ich bereits gestorben. Es war die Temperaturen, die an meiner Energie nagten wie Parasiten. In kalten Winternächten sehnte ich mich jedoch nach einem warmen Ort, einem Kamin, um meiner toten Seele etwas zu geben, woran sie sich klammern kann. Manchmal waren es einfach die kleinen unauffälligen Dinge, welchen einen Unterschied machten. Leben und Tod waren Themen zum endlosen Philosophieren. Ich verblieb dabei, dass man weder in ewiger Hitze noch Kälte überleben könnte. Deshalb suchten wir Menschen stets nach einem Mittelweg. Das Gleiche galt übrigens auch für Wahrheit und Lüge. Ergo, das 'Eine' würde nie, ohne das 'Andere' auskommen.Ich weiß nicht genau, wie lange wir einfach dort saßen und nichts sagten. Vielleicht waren es nur ein paar Minuten oder einige Stunden. Xerxes unterbrach die Stille zuerst:„Echt traurig. Dieser Wald blühte vor langer Zeit in den schönsten Farben und jetzt... Ist er ein Schatten seiner selbst. "
„Dinge passieren, die Zeit vergeht... Manches kann man nicht verhindern."
„Ich denke anders. Würden wir uns wirklich bemühen, dann hätte die Dürre nicht solche Ausmaßen gehabt. ", murmelt er besorgt.
Damit hatte er Recht. Die unmenschlichen Temperaturen hatten etliche Wesen das Leben gekostet, da man ohne Schatten nicht mehr in der Lage war richtig zu leben. Felder brannten nieder genau sowie die Wälder, Seen und Flüsse trockneten aus und Tiere starben aus. Niemand konnte das verleugnen oder ignorieren.
Wie ein Pinsel zeichnete Xerxes' Finger einen Mond auf dem Boden. Ein kleines Seufzen stahl sich von seinen trocknen Lippen, ehe sein Lächeln sich den Weg zurück auf seinem Mund bahnte. Dann bemühte er sich aufzustehen, wobei er seinen Kopf fast an einem Ast gestoßen hätte.
Ich wollte nach seiner Hand greifen, doch der Mut verließ mich vorher. So fiel mein Arm wieder wie ein Ast zu Boden. Kein Wort kam über meine Lippen für die nächsten Minuten. Nur Gedanken plagten mich, wie beispielsweise: „Das wäre der Moment gewesen, in dem er sich mir gegenüber geöffnet hätte." Ich legte meine Hand auf meine geschlossenen Augen, während ich der Sonne entgegen blickte. Wie ein vergangener Traum tanzten kleine Lichter hinter meinen Augenlider. Ein endloser Tanz erschien vor meinen Augen neben der aussichtslosen Dunkelheit, die meine Augen beherbergte. Diese Finsternis wurde von Break unterbrochen, da er sich mit seinen langen Beinen gegen mich lehnte. Wieder einmal waren meine Gedanken so laut gewesen, dass ich nicht bemerkte, dass Xerxes sich hinter mich gestellt hatte.
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Die letzten Tage des Sommers
Fanfiction„Schon seit ich klein war, hasste ich es an einem Ort gebunden zu sein. Ich will frei sein und die Welt erkunden. Auch mit 26 Jahren bereiste ich die Flecke dieser Welt, an die noch kaum ein Mensch seinen Fuß gesetzt hatte. Plötzlich nahm mein kümme...