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Mit zitternden Knien stand ich an der Bushaltestelle. Jedes Mal wenn ich ausatmete, bildeten sich kleine Wolken. Ein wenig so, als wäre ich eine Dampflok. Dieser Gedanke trieb mir ein Lächeln ins Gesicht.

Mit einem Seufzen zog ich meine Hände samt Handy aus den Taschen meiner wärmenden Winterjacke. Leise fluchend, da mir die Kälte sozusagen sofort die Finger abfrieren ließ, entsperrte ich mein Handy und checkte meine Nachrichten. Nichts.

Der Bus würde gleich da sein, auf den nicht nur ich wartete, sondern auch gefühlt die gesamte Bevölkerung des Erdballs. Oder eher die Schüler des Gymnasiums aus der Stadt 20 Kilometer weiter, die eben in meinem Städtchen lebten. Nur eben meine beste Freundin Esther ließ wieder auf sich warten.

Mit roten Fingern tippte ich ihr den Befehl, sich endlich mal herzubewegen. Mit einem Herzchen dahinter. Für die Höflichkeit. Ich steckte mein Handy zurück in die Jackentasche und blies kurz in meine kalten Hände, bevor Ich auch sie wieder ins wärmende Innere meiner Jacke zurückzog.

Ich sah mich um. Irgendwo in diesem Ameisenhaufen mussten doch meine Freunde aus dem Chor meines Städtchens stehen. Zwar waren sie alle mindestens ein Jahr jünger als ich und somit mindestens eine Klassenstufe unter mir, aber Alter spielte meiner Meinung nach keine Rolle. Solange man sich gut unterhalten konnte, war das doch Nebensache.

Ich machte den braunen Lockenkopf Laras in der Masse an Menschen aus und bahnte mir einen Weg in ihre Richtung. Wenn sie da steht, würden das auch die anderen paar Mädchen.

Als ich endlich vor ihr stand, gab ich ein freudiges "Hey!" von mir. Irgendwie war ich immer freundlich. Manchmal schon gruselig. Als hätte ich sie aus ihren Gedanken gerissen, schüttelte sie ihren Kopf, sodass ihre wirren Locken lustig umhersprangen, sah auf und gab ein, ein wenig lustlos klingendes, Hallo von sich.

Die anderen Mädchen, deren Gespräch verstummt war, registrierten mich und kicherten, als sie bemerkten, dass Lara mal wieder in ihrer eigenen Welt verschwunden gewesen war.

Ich glaube sie hießen Bella, Lena und Pauline, aber mein Namensgedächtnis war schrecklich, also verließ ich mich besser nicht auf mein vermeintliches Wissen.

"Und? Wie geht's?", fragte ich die versammelte Truppe. Von allen vier kam ein einstimmiges "Gut". Plötzlich wurde es unruhig um uns herum. Als ich an das Ende der Straße sah, sah ich den Bus der gerade in die Straße mit meiner Haltestelle einbog. Das erklärte natürlich alles. Keine Lust auf das Gedränge habend, hob ich meine Hand, wie zum Winken und wünschte den Mädels viel Spaß und blieb stehen, während der Rest der Schüler wie ein einziges Geschwader an den Straßenrand stürmte. Ganz so, als würden sie Angst haben, keinen Platz mehr zu bekommen, und dabei vermutlich über Leichen gehen würden. Im wahrsten Sinne des Wortes.

Und außerdem musste ich ja noch nach jemand Bestimmten Ausschau halten. Und da war sie auch schon. An der anderen Seite der Straße, bog gerade ein eher zierliches Mädchen in die Straße ein. Die Straße, nicht sehr lang, höchstens achtzig Meter, war schnell entlanggerannt und so stand Esther auch schon wenige Augenblicke später schnaufend neben mir. Sie lächelte nur entschuldigend und während ich meine Augen verdrehte und kicherte, stiegen wir als die Letzten in den ziemlich überfüllten Bus. Aber wie immer, waren die vordersten Plätze, gleich beim Busfahrer nicht besetzt.

Keiner wollte sich je dahin setzen. Ich glaube es ist, weil der Busfahrer stets scheußlichen Schlager hört, aber auch wenn ich diese Musik ebenfalls hasste wie die Pest, war es doch praktisch, immer einen Platz frei zu haben. Endlich ließ ich mich, meinen Rucksack mit Schwung abnehmend, auf den Platz am Fenster nieder. Immernoch schwer atmend setzte Esther sich neben mich und stellte ihren Rucksack, genauso wie ich, auf ihre Beine.

Während ich Esther zu Atem kommen ließ, suchte ich meine Kopfhörer aus meiner Schultasche. Ich glaube, Musik ist ein wenig wie mein bester Freund. Nicht, das ich keine besten Freunde hätte, die habe ich. Vorallem Esther. Aber manchmal, da kommen mir düstere Gedanken... Ich kann eben doch nicht über alles mit ihnen reden. Und irgendwie war es des Öfteren so, als wäre eine dünne Glaswand zwischen uns. Etwas, dass mich immer ein wenig abschottet. Aber nur ich bekam diese Glaswand natürlich mit. Ich bin mir sicher, dass keiner meiner Freunde mich wirklich komplett kennt... Als würde ich eine Maske tragen...Doch die Musik, sie lässt mich, mich besser fühlen, sortiert meine wirren Gedanken, zeigt mir irgendwie Verständnis und vorallem, kann ich abschalten...

"Jassi? JASSI? JASMIN!!". Eine Stimme riss mich aus meinen Gedanken. Ah, abgeschaltet. "Mensch, du warst ja wie weg getreten!", lachte Esther, ein wunderhübsches, strahlend-weißes Engelslachen... Ich bin mir sicher, keiner dachte sowas über mich. "Du hast deine Kopfhörer immer noch nicht in deinen Ohren stecken.", machte sie mich mit einem Fingerzeig auf mein Handy aufmerksam.

"Oh, haha, hab ich überhaupt nicht mitbekommen. Bin wohl heute etwas aus dem Wind", kicherte ich. "Aber da bin ich ja nicht die einzige, stimmt's?", grinste ich, und knuffte sie mit dem Ellbogen in die Seite. "Ach, du kennst mich doch. Ich bin wirklich nie pünktlich. Aber du weißt ja, das Beste kommt zum Schluss." Sie lächelte und zuckte unschuldig mit ihren Schultern. "Einfach unverbesserlich.", sagte ich, resignierend den Kopf schüttelnd.

Ich drehte meinen Kopf zum Fenster und steckt mir meine Kopfhörer in die Ohren. Esther fing ebenfalls an, Musik zu hören. In ihrer Spiegelung in der Fensterscheibe konnte ich sehen, wie sie mit geschlossenen Augen, den Kopf angelehnt neben mir saß und lautlos die Lyrics ihres aktuellen Liedes mitsprach. Wie ich sie kenne, mit Sicherheit irgendetwas von Ariana Grande.

Ich schaltete meine Musik an und sofort plärrte mir Kurt Cobain den Text von Aneurysm ins Ohr. Ich lächelte, ich liebte diesen Song. Naja, eigentlich liebte ich alle Nirvana Songs. Auch ich schloss meine Augen und gab mich der Musik hin.
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Schatten - Wie ich mich selbst verlorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt