"Hello? Is it mee you're looking for?"
Ein Klicken.
"I'm walking on suunshi-"Ein genervtes Stöhnen während es noch einmal klickte, als meine Mutter erneut den Radiosender wechselte. Der nächste Sender, ebenfalls nicht ihrem Geschmack entsprechend, verstummte, als sie das Autoradio komplett abschaltete. Vorsichtig sah ich aus dem Augenwinkel auf meine Mutter.
Die Hände verkrampft um das Lenkrad gelegt, sah meine Mutter auf die Straße. Schnell sah ich wieder aus dem Seitenfenster, an dem Baum um Baum vorbei zischte. Grüner Baum, grüner Baum, Wiese, in grün, Baum, Busch, Baum, Ortsschild. Kühe!
Genervt von mir selbst, schüttelte ich kurz den Kopf und wandte den Blick nach vorne auf die Straße. Ich hasste Ruhe. Ruhe lässt meine Gedanken hochkommen. Und mein kläglicher Versuch mich vom Unvermeidlichem abzulenken, scheiterte ja schon nach ein paar Sekunden.
Haus, Haus, hübsches Haus. Pfirsichfarben. Mit Wintergarten! Hübsch. Haus. Haus. Noch ein Haus. Kinder. Igitt.
Nope, funktionierte auch nicht. Warum ich so außerordentlich gut gelaunt war, verstand ich nicht. Ebenso wenig, warum meine Mutter so still war. Sie war nie still. Nicht dass das etwas Negatives ist. Nur war die gerade herrschende Stille dafür noch ungewohnter.
"Mama, du hättest mich nicht abholen müssen..", fing ich vorsichtig an. "Ach, wieso? Kein Problem!", erwiderte sie langgezogen mit strahlendem Lächeln. "Ich gehe natürlich gerne früher weg von der Arbeit um meine Tochter abzuholen, der mal kurz schwarz vor Augen war!"
Oh oh. Sarkasmus. Triefender, alles durchdringender Sarkasmus. Gar nicht gut. Meine Mutter war wütend. Verständlicherweise. Ich verstand ja selbst nicht, warum man gleich abgeholt wurde. Ich hätte mich auch einfach wieder in den Unterricht setzen können. Es war ja nicht so, als hätte ich mir ein Loch in den Kopf geschlagen. Oder so. So großes Aufheben um nichts, nichts, und wieder nichts. Naja, ein kleiner Schock war es vielleicht schon, als ich mitten auf dem Schulhof umkippte. Aber trotzdem. Kein großes Ding. Ich bin mir sicher, das ist jedem schon einmal passiert.
"Wieder nicht genug getrunken?", fragte mich meiner Mutter wieder ganz die Normale. "Doch, hab ich!", antwortete ich beschwichtigend. "Die ganze Flasche?", hakte sie nach. "Nicht die Ganze...",weichte ich aus,"aber es war ja auch erst die 5 Stunde oder so." "Hm.", machte meine Mutter nur.
Sie stellte das Radio wieder an, ein Lied das ihr gefiel. Zu dem sie auch gleich mitsummte. Ich lächelte erleichtert. Alles gut.
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Ich stöhnte genervt. Ich saß vor meinen Mathehausaufgaben. Ich hatte mich lang genug vor denen gedrückt. Aber morgen hatte ich wieder Mathematikunterricht, also konnte ich sie nicht länger aufschieben.Ich rieb mir kurz meine Augen und sah erneut auf die Aufgabe, die mir seit einer halben Stunde größte Schwierigkeiten machte. Und Kopfschmerzen.
"Jasmin?", hörte ich meine Mutter von unten rufen. "Komme!",rief ich schnell. Ich sprang auf und lief zu meiner Tür. Die Hand schon auf der Türklinke, lief ich wieder zu meinem Schreibtisch und zog die Hausschuhe, die ordentlich dort standen, an. Dann lief ich die Treppe hinunter.
"Ja?", fragte ich, als ich die Küche betreten hatte. "Willst du dann mit kommen?", fragte mich meine Mutter. "Wohin denn?", fragte ich, einen Blick auf die Uhr an der Wand werfend.
Ah, 15 Uhr, Zeit, meine kleine Schwester abzuholen. "Achso, jaja, klar!", sagte ich schnell, bevor meine Mutter überhaupt dazu ansetzen konnte, irgendetwas zu erwidern. "Gut."
Als wir im Auto saßen, sah mich meine Mutter, während des Ausparkens von der Seite an. "Was war denn heute überhaupt los in der Schule? Alles ok?" Konzentriert fuhr sie rückwärts von ihrem Parkplatz. Ich wartete mit meiner Antwort bis sie richtig losfuhr, wohlwissend, dass sie sich, den Führerschein erst seit rund zwei Jahren habend, noch sehr konzentrieren musste. Stören war da keine gute Idee.
"Ich hatte, eventuell, einen kleinen Streit mit Esther. Nichts Weltbewegendes, morgen bestimmt schon wieder vergessen.", sagte ich nur, den Blick wieder an den Häusern vorbeischweifen lassend.
"Okay.", meinte Mutter nur. "Und deshalb kippst du um?" "Nein,",antworte ich grinsend,"warum ich umgekippt bin weiß ich auch nicht." "Ok."
Ich sah wieder durchs Fenster, meine Gedanken schweiften ab.
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Schatten - Wie ich mich selbst verlor
Teen Fiction"Ich war stark. Eine lange Zeit. Naja und dann... Dann war ich es eben nicht mehr." Jasmin ist nicht die Beliebteste oder die Bekannteste an ihrer Schule. Sie hatte Freunde, die immer für sie da waren. Und das war auch immer okay so. Aber was, wenn...