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Ich wurde an der Schulter gerüttelt. "Jasi, wir sind da!", machte mich Esther aufmerksam und nach einem kurzen Blick aus dem Fenster, der tatsächlich die Schule zeigte, räumte ich mein Handy mitsamt Kopfhörer stöhnend in meinen Rucksack.

"Wie du überhaupt bei dem Krach aus deinen Kopfhörern einschlafen kannst. Versteh' ich nicht.", kicherte Esther, während wir uns beide erhoben, um aus dem Bus zu steigen. Mit einem motivierten Sprung aus dem Bus sagte ich:" Hey, das ist kein Krach, das ist-" "Jaja, ein Lebensgefühl, weiß ich schon.", schmunzelte Esther. "Wirklich, es kommt direkt von hier!", entgegnete ich, scherzhaft mit der Hand auf die Brust schlagend. Wir durchquerten das Tor zusammen mit der Masse anderer Schüler.

So viele Menschen. Beinahe als würden sie einen erdrücken. Wir passierten die Tür und stiegen dann die Treppen zu unserem Klassenraum hinauf. Mathe. Ich hatte ja so eine Lust darauf. Vor mir lief ein Mädchen. Ich glaube, sie war in einer Stufe über mir. Sie trug eine schwarze, eng anliegende Hose. Ihre Beine waren dünn. Sehr dünn. Esther bemerkte meinen Blick und knuffte mir in die Seite. "Hässlich, oder? So dünn sein. Das ist doch nicht gesund." Ich bejahte und erschreckte mich kurz, als ich mitbekam, dass ich eigentlich gegenteiliger Meinung war. Ich fand sie wunderschön...

Ehe ich mich versah, standen wir schon vor der Tür des Zimmers. Während Esther laut und freudestrahlend "Guten Morgen" rufend in die Klasse platzte, folgte ich ihr nur schüchtern lächelnd. Es war immer wieder faszinierend, wie verschieden wir doch waren. In wirklich jeglicher Hinsicht, Aussehen, Figur, Charakter Musikgeschmack, eben komplett gegenteilig.

Meinen Ranzen auf den Boden plumpsen lassend, ließ ich mich auf meinen Platz nieder. Vorletzte Reihe, an Fenster und Heizung. Natürlich saß Esther genau an der Heizung, weil sie immer sagte sie fror und naja, weil sie sich gegenüber mir eben einfach durchsetzen konnte. Aber das war ja nicht schlimm.

Esther redete schon mit unseren Klassenkameraden. Sie hatte sich natürlich zu den, wie ich sie nannte, "Perfekten" gesetzt. Weil sie eben einfach zu dieser Gruppe dazu gehörte. Deshalb wusste sie auch nicht von meinem Spitznamen. Aber es stimmte. Sie waren alle so perfekt.

Gerade lachte Lea. Dabei warf sie ihren Kopf in den Nacken, wobei ihr honigblondes, leichtgewelltes Haar mit schwang, um dann ein glockenhelles Lachen ihrem Mund entweichen zu lassen. Sie war wirklich nett, so wie eigentlich alle in meiner Klasse.

Dennoch fühlte es sich immer so an, als wäre da eine unüberbrückbare Distanz zwischen mir und den Anderen. Lea hatte die perfekte Figur. Sie sah Esther echt ähnlich, fiel mir in diesem Moment auf. Auch Esther hatte eine schöne Figur, ein wundervolles Lachen und zart-gewellte Haare, jedoch waren ihre von einem hellen Braun, das im richtigen Licht oft schon wie rot aussah.

Ich sah eher durchschnittlich aus. Dunkelblondes, schulterlanges Haar, kein Glanz oder gar Wellen, nur Spliss und meine Figur war auch das Gegenteil von perfekt. Dicke Oberschenkel, Hamsterbacken, wie sie Esther so gern zu sagen pflegte und mein Bauch sah schon oft die ein oder andere Schokoladentafel zu viel.

Doch das störte mich nicht. Denke ich. Die Tür ging erneut auf. Meine Mathelehrerin trat ein. Bei allen bekannt unter "Die, die sich die Haare nicht wäscht". Tatsächlich waren ihre Haare nie gewaschen, zumindest sahen sie nicht so aus. In fettigen Strähnen klebten sie an ihren Kopf und als Pony geschnitten an ihrer Stirn. Sie gehörte zu den netteren Lehrern, dennoch mochte ich sie nicht. Das lag daran, das sie meine beiden Hassfächer unterrichtete; Mathe und Physik. Rechnen lag mir nunmal nicht. Konnte ich meinen Durchschnitt auf 4 halten, war ich schon froh.

Ich packte mein Heft und mein Mathebuch sowie mein Mäppchen aus und kurz nachdem ich fertig war, setzte sich Esther neben mich. Schnell legte auch sie noch die Sachen aus ihrem Rucksack und schon gongte es zur ersten Stunde.

Schatten - Wie ich mich selbst verlorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt