Langweilig. Mir war so tierisch langweilig. Und kalt, kalt war mir auch. Nachdem Esther ja mit ihren scheinbar neuen besten Freunden irgendwohin verschwunden war, saß ich nun allein auf einer Bank auf dem Pausenhof, um mich herum die lärmende Meute von Mitschülern. Dank der Lautstärke lag mein Buch neben mir auf dem schon ziemlich abgewetzten Holz der Bank, das obendrein auch noch ein wenig feucht war. Bei der Lautstärke kann sich ja wohl kein Mensch aufs Lesen konzentrieren.
Ich warf einen Blick in den Himmel. Eine graue Suppe, nirgendwo ein Fleck blauer Himmel, geschweige denn gar Sonnenlicht. Klar, es war Januar, aber wenn es schon keinen Schnee gab, dann konnte man doch immerhin ein paar Sonnenstrahlen verlangen. Noch während ich mein Gesicht in den Himmel hielt, sah ich plötzlich einen Ball heranfliegen. Schwarz-weiß, ein typischer Fußball. Doch die Farbe war in dem Moment als mir der Ball mit voller Wucht ins Gesicht knallte, mehr als nur nebensächlich. Mit einem Aufschrei stand ich schon in der nächsten Sekunde, mein Buch bei der Hektik neben mir auf die Pflastersteine des Hofs gefallen. Doch auch das war nebensächlich, als ich sah, wer mit vor Schreck geweiteten Augen auf mich zugelaufen kam, trotz des Schocks doch ein leicht amüsiertes Grinsen auf den Lippen - Lukas.
Mir meine schmerzende Wange reibend, funkelte ich ihn, noch bevor er mich erreicht hatte, wütend an. Als er schließlich vor mir stand, bückte er sich, m seinen Fußball aufzuheben. "Oh, fuck, das tut mir echt leid! Tut's sehr weh?", fragte er im Aufstehen, den Ball unter den Oberarm geklemmt. "Steck dir deine Entschuldigung sonst wo hin...", murmelte ich. Warum spielte man bei der Kälte überhaupt Fußball? Warum beschäftigte man sich überhaupt mit jeglicher Ballsportart ? Und warum zur Hölle, war das schon die zweite peinliche Situation in der ch mich befand, und das in nur einer Pause? "Haha, wirklich, tut mir leid ! War absolut nicht mit Absicht. Naja, aber immerhin haben wir dann heute beide schonmal was ins Gesicht bekommen, richtig? Prinzessin?", fügte er mit einem vergnügten Lächeln hinzu.
Perplex starrte ich ihn an. Ich glaube, mein Mund stand sogar ein wenig offen, denn mein Gegenüber brach in schallendes Gelächter aus. "Oh man, du ziehst solche Situationen jamagisch an was?" ich riss mich wieder zusammen und sah in wieder böse an. "Pah", machte ich nur, und bückte ich um mein Buch aufzuheben. Und, wie soll es auch anders sein, auch Lukas bückte sich nach dem Buch. Wie in einem typischen Hollywoodstreifen stießen unsere Köpfe aneinander, von dem Schwung fiel ich nach hinten um, und bekam die Bank scherzhaft im Rücken zu spüren.
Da hörte ich es Lachen. Lukas, der mit dem Buch schon wieder auf den Beinen war und sich mit der anderen Hand den Kopf rieb, sah sich neugierig um. In einigen Metern Entfernung, stand Esther zusammen mit den "Perfekten". Sich beinahe kugelnd vor Lachen, schauten sie der bizarren Szene die ich und Lukas boten, zu. Auch Esther hielt sich mit dem Gelächter nicht zurück. Das machte mich so wütend. Die Hand, die mir Lukas als Hilfe zum Aufstehen anbot, schlug ich zornentbrannt weg, sprang regelrecht auf die Beine, und rannte an ihm vorbei, geradewegs auf's Schulgebäude zu. Noch während ich die Tür aufzog, hörte ich eine Stimme zwischen dem Gelächter: "Esther, warum bist du mit der tollpatschigen Kuh nochmal befreundet? Mitleid? Warum sonst sollte man ich mit sowas abgeben?"
Jedes einzelne Wort tat weh, wie ein Hieb mit einem Messer, direkt in meine Brust. Doch am meisten schmerzte mich wohl das fröhliche, glockenklare Lachen Esthers, die ziemlich außer Atem antwortete: " Wenn ich das nur wüsste!"
Die Tränen stiegen mir in die Augen, und während sich meine Sicht immer weiter verschleierte, rannte ich mit gesenktem Kopf in die Mädchentoilette. Auf dem Weg in eine Kabine, schlug ich mir meine Schulter schmerzhaft an der Wand an, und mit einem Schluchzen schlug ich die Toilettentür zu, bevor ich mich, die Tränen einfach laufen lassend, auf den Toilettendeckel sinken ließ. Und in diesem Moment, da zerbrach etwas in mir.
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Schatten - Wie ich mich selbst verlor
Teen Fiction"Ich war stark. Eine lange Zeit. Naja und dann... Dann war ich es eben nicht mehr." Jasmin ist nicht die Beliebteste oder die Bekannteste an ihrer Schule. Sie hatte Freunde, die immer für sie da waren. Und das war auch immer okay so. Aber was, wenn...